Das letzte Wort

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Die Welt ist voller Paragraphen und Aktenzeichen. Hendrik Wieduwilt und Corinna Budras blicken auf Urteile und Ereignisse im Wirtschaftsrecht.

GM-Insolvenz im Schnelldurchlauf

Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich: Erst vor wenigen Wochen taumelten die beiden angeschlagenen Automobil-Giganten General Motors und Chrysler in die lang abgewehrte Insolvenz, und schon steigen sie wie Phönix aus der Asche wieder hervor. Dabei ist man vom amerikanischen Restrukturierungsverfahren eigentlich anderes gewöhnt.

Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich: Erst vor wenigen Wochen taumelten die beiden angeschlagenen Automobil-Giganten General Motors und Chrysler in die lang abgewehrte Insolvenz, und schon steigen sie wie Phönix aus der Asche wieder hervor. Chrysler hat gerade einmal 42 Tage im Restrukturierungsverfahren à la “Chapter Eleven” des amerikanischen Bankruptcy Code verbracht, GM wurde vom zuständigen Richter am vergangenen Freitag sogar schon nach 40 Tagen entlassen. Dabei ist man eigentlich anderes gewöhnt: Viele amerikanische Fluglinien dümpelten mehrere Jahre lang vor sich hin, ehe sie sich wieder berappelten.

Das Geheimnis hinter der schnellen Wiederbelebung ist ein Teil des amerikanischen Insolvenzrechtes, der bisher eher im Verborgenen blieb: Section 363 des Bankruptcy Code sieht nämlich vor, dass ein Konzern Unternehmensteile veräußern darf – auch ohne die Zustimmung der Gläubiger. Im traditionellen Restrukturierungsprozess ist das eine kleine Revolution, muss doch im “Chapter-Eleven-Verfahren” der Restrukturierungsplan den Gläubigern vorgelegt werden. Bisher galt diese Vorschrift vor allem für kleinere Einheiten, einzelne Fabriken oder auch verzichtbare Maschinen, die dadurch einfacher verkauft werden konnten.

Chrysler gehörte nun zu den ersten Fällen, in dem gleich ein ganzer Konzern in die Fänge von Section 363 geriet, ohne den langen Prozess einer umfassenden Restrukturierung über sich ergehen lassen zu müssen. Die New York Times sieht darin den Durchbruch dieser Vorschrift – auch wenn er noch nicht das Ende der traditionellen Restrukturierung bedeute. Künftig könnten Unternehmen ähnliche Strategien verfolgen, um ein Insolvenzverfahren schneller hinter sich zu bringen, prophezeite das Blatt vergangene Woche.  

Dass diese Umgehung der Gläubiger nicht ohne Blessuren abgehen kann, zeigen die juristischen Scharmützel, die die Insolvenzverfahren begleiteten. Einige Chrysler-Gläubiger fühlten sich vom Verkauf an den italienischen Autohersteller Fiat derart benachteiligt, dass sie die Sache bis zum amerikanischen Supreme Court trugen – freilich ohne Erfolg. Nach einer mehrtägigen Zitterpartie winkten die obersten Verfassungsrichter den Verkauf schließlich durch. Auch im Fall von GM erhoben einige Gläubiger Widerspruch. Hier erlaubte der zuständige Konkursrichter Anfang Juli den geplanten Verkauf von GM-Vermögenswerten an ein von der amerikanischen Regierung geführtes Unternehmen. 

Allerdings ist ohnehin fraglich, ob das Beispiel der Restrukturierung auf der Überholspur wirklich Schule machen wird – schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass sich die amerikanische Regierung höchstpersönlich in ein solches Verfahren einmischt. In den meisten anderen Verfahren werden die Unternehmen auf sich alleine gestellt sein – und das hat die Konkursrichter bisher nicht gerade zur Eile angetrieben.