Für deutsche Verhältnisse ist die Klagesumme gigantisch: 320 Millionen Euro fordert ein „Strohmann”, der im Namen zahlreicher Investmentfonds in München gegen den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) klagt. Der Prozessauftakt war holperig. Doch angesichts der erstaunlichen Schwächen, die der Anlegeranwalt an den Tag legte, ging das Wichtigste fast unter: Ganz ohne Erfolgaussichten ist diese Klage – anders als etwa das Massenverfahren gegen die Deutsche Telekom, das derselbe Jurist vertritt – durchaus nicht.
Die Stimmung im Gerichtssaal war gereizt; immer wieder verlor Anlegeranwalt Andreas Tilp sich in der mündlichen Verhandlung in Wortklaubereien mit dem Vorsitzenden Richter. Dabei war der durchaus guten Willens: Einem anderen HRE-Aktionär hat seine Zivilkammer sogar schon Schadensersatz zugesprochen, und einem weiteren zumindest gewisse Erfolgsaussichten bescheinigt.
Vor allem war klar, dass Tilp mit seinem wichtigsten Anliegen bei diesem Richter auf offene Ohren stieß: Die Grundsatzfragen gleich an das Oberlandesgericht München weiterzureichen, damit dieses sie in einem Pilotprozess vorab entscheidet. Möglich macht dies das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), das der Bundestag eigens für die Massenklage von 17.000 Aktionären der Deutschen Telekom geschaffen hat. Und auch dort ist – ausgewählt vom Oberlandesgericht Frankfurt – Tilp der maßgebliche Anwalt.
Um so erstaunlicher, dass der Tübinger Advokat sich nun im Münchener Justizpalast nicht sonderlich souverän zeigte. Das Echo in manchen Medien fiel geradezu verheerend aus. Mutmaßungen, Tilp habe über einen Zweitsitz seiner Kanzlei in der Schweiz Erfolgshonorare vereinbart und trage damit selbst ein massives Kostenrisiko, wies er freilich zurück.
Ganz so schlecht, wie es auf den ersten Blick aussehen mochte, steht es für seine Klage jedenfalls gar nicht. Dass der Vorsitzende Richter einen – wenngleich eher bescheiden bemessenen – Vergleich anregte, zeigte durchaus, dass dieser die Forderungen der Fonds nicht für rundum abwegig hält. Dass er mehrfach den Fall als „nicht entscheidungsreif” bezeichnete, klang zwar nach einer Ohrfeige für Tilp, der sich bei einem Fehler in der Tat höchstselbst immensen Haftungsrisiken aussetzt. Doch war dies in Wirklichkeit ganz im Sinne der Kläger: Denn als KapMuG-Fall kann eine Streitigkeit gerade nur dann in die höhere Instanz weitergegeben werden, wenn das Landgericht die Forderungen nicht selbst schon für endgültig aussichtslos hält.
Die Münchner Richter vermissten allerdings schlüssige („substantiierte”) Ausführungen dazu, warum konkret die HRE sich durch angeblich falsche Pflichtmitteilungen – oder umgekehrt durch ein angebliches Unterlassen von vorgeschriebenen Ad-hoc-Mitteilungen – haftbar gemacht haben soll. Tatsächlich ist vor allem unerfindlich, warum Tilp erst jetzt auf eine weitere Börsenpflichtmeldung der Bank gestoßen sein will: Die Zahl solcher Verlautbarungen ist schließlich höchst überschaubar und auf allen offiziellen Kanälen jederzeit abrufbar.
Doch enthält ein Schreiben von Jochen Sanio, dem Präsidenten der Bankenaufsichtsbehörde Bafin, an den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Jörg Asmussen zu den Zuständen bei der Münchner Skandalbank erhebliche Anschuldigungen gegen das damalige Management. Ein Brief, über den sich auch schon Bundestagsabgeordnete im HRE-Untersuchungsausschuss gebeugt haben. Dessen Erkenntnisse sind auch sonst potentielle Munition für die Fonds.
Und überdies zeigte sich der Vorsitzende Richter gewillt, noch einmal darüber nachzudenken, ob nicht auch falsche Pressemitteilungen eines Geldinstituts als Anspruchsgrundlage für geschädigte Anteilseigner taugen. Die Argumentationskraft der HRE wird zusätzlich dadurch geschwächt, dass sie in einem Parallelprozess wiederum dem ehemaligen Vorstandschef Georg Funke Kunstfehler vorhält, um ihm das Gehalt streichen zu können.
Professionelle Kapitalanlagegesellschaften aus Deutschland – von der Deka bis zur Allianz -, aber auch aus Saudi-Arabien, Luxemburg, Kanada und den Vereinigten Staaten sind nun die Mandanten. Institutionelle Anleger, von Versicherungen bis zu Pensionsfonds amerikanischer Beschäftigter. Dass man schlechtem Geld kein gutes hinterher werfen soll – nach einer Fehlspekulation an der Börse also kein weiteres Kapital für Anwälte und Gegenanwälte, für Gutachter und Gerichte verpulvern sollte -, wird man dort wohl wissen.
Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass in diesen Kreisen die Einleitung eines Gerichtsverfahrens genauso als nüchtern kalkuliertes Risikogeschäft mit Gewinnchancen betrachtet wird wie der Kauf undurchsichtiger Finanzderivate. Oder dass man nur klagt, damit die eigenen Gesellschafter und Kunden einem keine Versäumnisse vorwerfen können. Vielleicht will man aber auch nur schlicht versuchen, aus der Beinahe-Pleite-Bank wenigstens noch einen ordentlichen Vergleich herauszupressen.
Doch ob Kompromiss oder womöglich gar Prozesssieg: Jeden Cent, den die HRE einem Anleger zahlt, muss letztlich der Steuerzahler berappen. Der päppelt die Bank schon jetzt (direkt oder indirekt) mit der unvorstellbaren Summe von rund 100 Milliarden Euro – und damit ist noch lange nicht Schluss, wie heute bekannt wurde. Selbst bei dem geschassten Ex-Vorstandschef Funke wäre dann im Ernstfall nicht viel zu holen. Schon circa 50 weitere Prozesse sind bereits gegen die HRE anhängig. Die hat sich übrigens jüngst schamhaft umbenannt in “Deutsche Pfandbriefbank AG“.
Falls die Klägergemeinschaft, die pro forma einen Stellvertreter vorgeschickt hat, den Prozess durchfechten will, braucht sie allerdings einen extrem langen Atem. Der Telekom-Prozess schleppt sich schon seit bald einem Jahrzehnt dahin. Und ein Ende ist noch lange nicht abzusehen. Wenn das Frankfurter Oberlandesgericht dereinst seinen „Musterentscheid” erlassen wird, dürfte die Verliererseite diesen ohnehin noch vor dem Bundesgerichtshof anfechten. Und wenn die Karlsruher Höchstrichter dann endlich mit Rechtskraft verbindlich entschieden haben werden, muss das Landgericht Frankfurt deren Vorgaben noch Akte für Akte abarbeiten. Wenn nicht – wonach es eher aussieht – die 17.000 Telekom-Anleger dann lieber schnell ihre Klagen zurückziehen.
<p>Ob die Fondmanager, die das...
Ob die Fondmanager, die das Geld ihrer Anleger bei der HRE angelegt haben, sich an den Maßstäben messen lassen, die sie gegenüber der HRE geltend machen? Wohl nicht. Die haben ja auch kein Risiko außer dem, dass ihre Boni nicht mehr so üppig fließen.
Wer überprüft denn deren Sachkenntnis oder Risikobereitschaft?. M.E. müßte man deren Verhalten mehr beobachten und sanktionieren.
<p>Ach was, da findet...
Ach was, da findet spätestens der BGH eine kreative Auslegung des Gesetzes über den Einstieg des Bundes bei der HRE und begrenzt die Haftung auf den Wert der HRE ohne die Leistungen der öffentlichen Hand. Das reicht gerade mal für das Porto der Eilsendungen im Rahmen des Prozesses und das geschieht den gierigen Klägern auch ganz recht.
<p>@Black Jack</p>
<p>Genau...
@Black Jack
Genau das was Sie schrieben schoss mir auch durch den Kopf. Hätten Sie die Gewinne sozialisiert?
Hätten Sie nicht.
Seien wir doch mal ganz ehrlich. Da stecken mehr oder minder Informierte gutgläubig Geld in Irgendwas. So ist das Gros. Dann gehen sie den Bach runter.
Schadenfreude lässt grüssen?
Haben Sie Geld verloren als die Aktien fielen? Ich schon…… aber ich wusste auch warum. Ich war zu spät.
HRE ist bei mir kein Thema. Ich gehöre zu einer anderen Gruppe Anleger. Ich lasse keinen Dritten an mein Geld.
Was hat nun die Klientel der HRE dazu bewogen zu klagen? Ich sag’s Ihnen. Die pure Dummheit. Jemand der bei dieser “Klitsche” Geld anlegt hat es nicht besser verdient.
So weit, so gut. Dummerweise werden die Erfolg haben. Wir zahlen. Ist das gerecht? Nein…. aber auch andere ziehen die dümmlichen Anleger mit durch. So ist die Rechtssprechung. Freuen wir uns auf ein “Umlageverfahren” der besonderen Art.
Nichts mehr mit Eigenverantwortung, mit Risikoannahme dessen was ich wage. Woher auch? “Ich bin abgesichert”……..
Schlusswort zu dieser Farce. HRE ist nun ja………. die Anleger aber auch. Gleich und gleich gesellt sich gern. Hier haben wir das Paradebeispiel von menschlicher Gier gepaart mit Dummheit, abgesichert durch…… uns.
<p>Hm und das empfinde ich als...
Hm und das empfinde ich als unverschämt. Da wird eine Bank gerettet von der Allgemeinheit und dann wollen die Anleger, die zwar Geld verloren haben, von der übrig gebliebenen Bank und am Ende von uns allen Geld haben? Hätten diese Anleger ihre Gewinne auch sozialisiert?
schwarzmarkt.blog.de/…/bleibt-6670349
Hier mache ich mir so meine Gedanken, was den heutigen Geldscheffler vom gestrigen unterscheidet.