Das Gezerre um „Elena” ist entbrannt: Nach Kritik von Gewerkschaften und Datenschützern an dem vermeintlichen Sammelwahn von Arbeitnehmerdaten hat die Bundesregierung prompt eine Entschärfung angekündigt. Nun kontern die Arbeitgeber: Das Projekt geht noch gar nicht weit genug, um den überholten Papierkrieg zu beenden.
Die Aufregung bei den Gewerkschaften war groß. Der Alarmismus reichte von der Dienstleistungslobby Verdi (Parteiorientierung des Vorsitzenden Frank Birske: Bündnisgrüne) bis zum Marburger Bund, der Arbeitnehmerorganisation der Klinikärzte (deren Vorkämpfer Rudolf Henke zugleich CDU-Bundestagsabgeordneter ist). Streiktage würden erfasst, hieß es bestürzt und skandalisierend. Und: Arbeitgeber sollten den Grund für eine Kündigung angeben.
Haarsträubend? Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) knickte jedenfalls vorsorglich schon am Neujahrstag, dem allerersten Tag der vom Bundestag verordneten Reform des Sozialgesetzbuchs, ein. Immerhin hatten bürgerrechtsorientierte Großkritiker sogar geargwöhnt, Gerichte könnten mit Hilfe des neuen Zentralregisters, das bei den Rentenversicherungsträgern aufgebaut wird, die Voraussetzungen für einen Antrag auf Prozesskostenhilfe überprüfen. (Gibt es eigentlich ein Grundrecht auf Sozialleistungsbetrug? Muss die Gemeinschaft der Steuerzahler jemandem einen Gerichtsprozess gegen einen missliebigen Nachbarn, Geschäftspartner oder sonstwen bezahlen, der selbst über die finanziellen Mittel dafür verfügt – diese aber lieber vor der Justizkasse verheimlicht, weil ihm selbst die Aussichten auf einen rechtmäßigen Erfolg zu gering erscheinen?)
Bemerkenswert: Die Idee für “Elena” stammte von Peter Hartz, dem früheren Arbeitsmarktreformer und (über die Korruptions- und Rotlicht-Affäre zugunsten der VW-Belegschaftsvertretung gestolperten) Berater von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) aus rot-grünen Zeiten. Vorantreiben sollte sie ein “E-Government”, um die Chancen für eine Kosten und Mühen sparende Entbürokratisierung durch die Anwendung moderner Technologien zu nutzen. Endgültig gebilligt hat sie übrigens der Bundesrat, als längst schon Schwarz-Rot regierte. Also wahrlich kein Ausspähinstrument der jetzigen bürgerlich-liberalen Koalition; zumal angesichts einer nachwachsenden Generation von begeisterten Facebook-, Xing- und Stayfriends-Usern.
Dabei hatten die ursprünglich vorgeschriebenen Angaben durchaus ihren guten Sinn. Aber selbst die amtierende Regierung traut sich in ihrem Populismus nicht, darauf hinzuweisen. Die “Piratenpartei” und der Zeitgeist lassen grüßen (dem sich bei dem viel heikleren Thema “Nacktscanner” ein F.A.Z.-Kolumnist im Politikteil dankenswerterweise widersetzt). Dabei ist es ganz einfach: Wer streiken will, hat keinen Anspruch auf Arbeitslohn – und auch nicht auf Ausfallgelder der Bundesagentur für Arbeit oder sonstige Sozialtransfers. Das muss die zuständige Behörde nun einmal überprüfen können, denn dann soll die Gewerkschaft zahlen, die den Ausstand angezettelt hat (eine Grundvoraussetzung zudem für die nötige Parität im Arbeitskampf). Und wer von sich aus kündigt (oder eine Entlassung durch seinen Arbeitgeber provoziert), muss eine Sperrzeit hinnehmen, bevor die Solidargemeinschaft ihn fortan ad infinitum alimentieren muss. Wenn die Angaben, die das Unternehmen gemacht hat, nicht stimmen, entscheidet ohnehin ein Sozialgericht – egal, ob sie auf Papier oder verschlüsselt im Internet übermittelt worden sind. Opfer von Willkür wird also niemand, unabhängig vom Übertragungsweg der erforderlichen Daten.
Die Arbeitgeber verweisen zu Recht darauf, dass sie heutzutage rund 100 verschiedene Bescheinigungen auf Papier ausstellen müssen, von denen “Elena” ohnehin nur einen Teil ersetzt. Doch jetzt wird wieder noch mehr Zettelwirtschaft betrieben werden müssen, als die moderne Chipkarte hätte ersetzen sollen (oder gar können). Zurück also zur Postkutschenmentalität und zur Brieftaubentechnologie in Zeiten elektronischer Kommunikation! Nur wegen überzogener Ängste vor Computern, Datenbanken und Internet. Eine Hysterie, zu deren Entstehen das Bundesverfassungsgericht schon mit seiner Erfindung des Rechts auf “informationelle Selbstbestimmung” beigetragen hat – damit wurde bereits 1983 Mimosenhaftigkeit zum Grundrecht geadelt (und mittlerweile mit dem neuen “Computergrundrecht” besiegelt).
Bezeichnend, dass selbst der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und Verdi-Vorkämpfer Brirske immerhin auf einen (weiteren) Vorteil von “Elena” hinweisen: Durch dieses neue System erfahren Arbeitgeber nämlich nicht mehr, wenn ihre Beschäftigten ergänzende Sozialleistungen beantragen. Ein Gewinn also für den (wohlverstandenen) Datenschutz.
Natürlich: Missbrauch kann es immer geben, und das wird kein Strafrecht dieser Welt jemals gänzlich verhindern können. Aber auch Briefe mit intimen Daten können abgefangen, der Hausmüll durchsucht, Menschen mit einem Brotmesser erstochen werden. Immerhin ist ausgerechnet Schaar nun der Verwalter jenes Algorithmus, mit dem sämtliche “Elena”-Daten ent- und verschlüsselt werden. Wer kann sich denn einen besseren Hüter vertraulicher Informationen von Arbeitnehmern wünschen?
<p>Hoffentlich will hier...
Hoffentlich will hier keiner Datenschutz der aber die Daten aus der Schweiz kaufen will. opagila
<p>Herr Jahn,</p>
<p>es geht...
Herr Jahn,
es geht um den “gläsernen Menschen” und “Big Brother”
Als ich das letztes jahr mal wegen meinem Auto mit der Polizei zu tun hatte, konnten sie mir “Dank” der Vernetzung mit dem Einwohnermeldeamt sofort sagen, wo mein Zweitwohnsitz ist.
Das nächste mal erzählen sie mir ob ich Sozialhilfe beziehe oder mit wem ich zuletzt telefoniert habe.
Alees aus Datenbanken, die jetzt angelegt werden.
Und wenn Datenbanken da sind, werden sie auch irgendwann genutzt.
Und wenn es dann ebend Sondergesetze zur “Gefahrenabwehr” sind.
Herr Jahn, genau das will ich nicht.
Für mich sind Sie mit Ihrer Meinung schlimmer als Schäuble oder Zensurula.
Der Vadder
@colorcraze
Genauer als Sie?...
@colorcraze
Genauer als Sie? Wohl kaum. Aber genauso: doch hoffentlich die erwähnte Rentenversicherung!
Die Vorstellung, daß...
Die Vorstellung, daß irgendjemand einen genaueren Einblick in meine Erwerbs- und Einkommensbiographie hat als ich selbst, ist eine zutiefst widerliche. Sie tangiert aufs Intimste das Selbstbestimmungsrecht. Wie infantilisiert muß man denn sein, sich solcher Sklaverei an den Hals zu werfen? Datensammlungen über lebende Personen sind immer heikel, wie mit diesen umgegangen wird, gehört sehr wohl von verständigen Menschen diskutiert, denn dies betrifft die öffentliche Sphäre.
<p>Eins scheint doch schon...
Eins scheint doch schon fast sicher: erst einmal zerreden und von allen Seiten zerreißen, um am Ende zu einem “Kompromiss” zu kommen, der alle ein bisschen zufrieden stellt, aber niemandem hilft. Einen Schritt danach regen sich dann wieder alle Seiten über viel zu viel Bürokratie auf.