Das letzte Wort

Das letzte Wort

Die Welt ist voller Paragraphen und Aktenzeichen. Hendrik Wieduwilt und Corinna Budras blicken auf Urteile und Ereignisse im Wirtschaftsrecht.

Altersschwach ins Cockpit

| 8 Lesermeinungen

Piloten der Deutschen Lufthansa altern schneller als der Rest der Bevölkerung: Schon mit 60 Jahren war für sie bisher Schluss mit dem Aufstieg in luftige Höhen - bis der Europäische Gerichtshof Wind davon bekam. Am Dienstag räumte er mit dieser „Altersdiskriminierung" auf. Schön für die klagenden Piloten, schlecht für das deutsche Arbeitsrecht.

Alter spielt keine Rolle. Diese gesellschaftspolitisch wünschenswerte Parole würde wahrscheinlich jeder sofort unterschreiben, so lange nicht das eigene Leben daran hängt. Aber Chirugen, die nur noch mit zittriger Hand das Skalpell halten, oder Busfahrer mit altersbedingter Sehschwäche sollten sich lieber eine andere Beschäftigung suchen. Berufsspezifische Altersgrenzen sind deshalb aus Sicherheitsgründen manchmal schlicht notwendig.

Über Jahrzehnte galt das auch für die Piloten der Deutschen Lufthansa. Mit 60 Jahren war Schluss mit dem Aufstieg in luftige Höhen – bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) Wind davon bekam. Am Dienstag räumte er mit dieser „Altersdiskriminierung” auf und gab drei Piloten Recht, denen die deutsche Fluglinie nach ihrem 60. Geburtstag den Zutritt zu der Flugzeugkanzel verweigert hatte. Piloten dürfen künftig also noch fünf Jahre länger an den Steuerknüppel, denn die Passagiere hätte von möglichen altersbedingten Einschränkungen nichts zu befürchten, fanden die Luxemburger Richter.

Dabei muss einem als Lufthansa-Kunde nicht zwangsläufig bei jedem Flug mulmig werden. Jede Altersgrenze ist willkürlich und losgelöst vom Einzelfall gesetzt, es gibt schließlich auch noch sehr flotte Mitt-Sechziger. Doch aus arbeitsrechtlicher Sicht ist dieses Urteil höchst bedenklich, stellt es doch – wieder einmal – eine „Altersdiskriminierung” in einem Bereich fest, der weder als Benachteiligung gemeint ist noch als eine solche verstanden werden darf.

In diesem Fall haben sich Gewerkschaft und Arbeitgeber gemeinsam in einem Tarifvertrag auf diese Altersgrenze verständigt und hatten auch gute Gründe dafür: Piloten sind großen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, die sich im Alter naturgemäß schlechter verkraften lassen. Das hat auch das Bundesarbeitsgericht immer wieder so gesehen – bis der Wahn über Europa herein brach, jede unterschiedliche Behandlung wegen des Alters endgültig auszumerzen. Seitdem kippen die Luxemburger Richter mit größter Inbrunst eine Regelung nach der anderen. Nicht um alle ist es schade, aber viele haben sich schon über Jahre bewährt.

Bisher geschah dies meist auf Initiative unterinstanzlicher Gerichte, doch inzwischen mischt das Bundesarbeitsgericht fleißig mit. Jahrelang hielten die Erfurter Bundesrichter standhaft an der Altersgrenze fest, doch seitdem sich in Luxemburg ein deutscher Ersatzgeber für arbeitsrechtliche Belange etabliert hat, geraten auch sie ins Wanken. Plötzlich sind sie sich ihrer Sache in der Frage der Altersgrenzen nicht mehr sicher – und fragen lieber selbst ihre europäischen Kollegen, bevor es ein sendungsbewusster Arbeitsrichter aus der deutschen Provinz tut. Das Ergebnis dieses vorauseilenden Gehorsams bleibt jedoch das Gleiche: Sobald der EuGH die Gelegenheit zur Grundsatzentscheidung gibt, nimmt er sie sich auch. Dabei geht es meist nur ums Prinzip, selten um die beste Lösung.

 


8 Lesermeinungen

  1. Jens sagt:

    Ich sehe kein Problem darin,...
    Ich sehe kein Problem darin, dass Piloten auch in höherem Alter noch am Steuerknüppel sitzen, sofern alles mit der Gesundheit stimmt. Gerade die verkürzte Zeitspanne zwischen den Gesundheitschecks ab 59 finde ich sinnvoll und auch ausreichend. Erfahrung ist wichtig, kann halt aber auch nicht in jeder Situation überbewertet werden. Da kommt es immer auf die spezielle Gefahrensituation an und eine Be- bzw. Verurteilung ist hierbei einfach unrealistisch.

  2. Wolf-Dieter sagt:

    Widerspruch.

    -- Zitat --
    Doch...

    Widerspruch.
    — Zitat —
    Doch aus arbeitsrechtlicher Sicht ist dieses Urteil höchst bedenklich, stellt es doch – wieder einmal – eine „Altersdiskriminierung” in einem Bereich fest, der weder als Benachteiligung gemeint ist noch als eine solche verstanden werden darf.
    — Zitat Ende —
    Dass es als Benachteiligung “nicht gemeint” ist, spielt keine Rolle: gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.
    Denn dass die Gewerkschaft bei der Regelung mitgemacht hat, beweist gar nichts. Sie vertritt die (wirtschaftlichen) Interessen ihrer Mitglieder, ist aber nicht kompetent für Flugsicherheit.

  3. ThorHa sagt:

    Wenn eine allgemein...
    Wenn eine allgemein möglicherweise richtige Beobachtung am falschen Beispiel durchexerziert wird, kann das für das Prinzip fatale Folgen haben. Die Autoren haben mit dem Berufspiloten, der seine Gesundheit halbjährlich gründlich durchleuchten lassen muss, ein ziemlich schlechtes Beispiel gewählt. Wenn man mal den Grundirrtum durchgehen lässt, ein heutiger Sechzigjähriger sei automatisch genauso “alt” (= wenig leistungsfähig), wie er 1950 im Durchschnitt gewesen sein könnte.
    Nach meiner durchgängigen Lebenserfahrung habe bspw. ich bei deutlich über Fünfzigjährigen in Führungsverantwortung meist erheblich mehr gelernt (wenn auch nicht immer auf angenehme Weise), als bei Jüngeren. Und deshalb ein Problem damit, dass zwischenzeitlich grassierender Jugendwahn ernsthaft versuchte, mir einzureden, biologische Alterung sei automatisch ein Indiz für abnehmende Leistungsfähigkeit.
    “Viele haben sich über Jahre bewährt”? Nein, viele wurden über Jahre niemals auf ihre Tauglichkeit überprüft. Die Kritik der Autoren ähnelt erstaunlich den Anzeichen für beginnende Verkalkung, die mit den Worten beginnt “Früher war alles besser …”
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  4. Olaf sagt:

    Warum klagt denn kein...
    Warum klagt denn kein 14-jähriger, dem der Führerschein verweigert wird…?

  5. Rwjj sagt:

    "Berufspiloten müssen alle 6...
    “Berufspiloten müssen alle 6 Monate ihre Flugtauglichkeit feststellen lassen.”
    – auch nicht richtig informiert.
    Bis zum 59. Lebensjahr muss man alle 12 Monate, ab dem 60.Lebensjahr alle 6 Monate.

  6. rwj sagt:

    Berufspiloten müssen alle 6...
    Berufspiloten müssen alle 6 Monate ihre Flugtauglichkeit feststellen lassen. Wird diese festgestellt, spielt das Alter tatsächlich keine Rolle. Und niemand wird schlagartig am 60. Geburtstag alterschwach.

  7. Fk sagt:

    <p>@jja: Ohne genau...
    @jja: Ohne genau Hintergründe von dem Air France Unfall zu kennen über die Leistung der “Jungpiloten” zu urteilen ist im höchsten Maße unprofessionell!!!!
    Wenn Sie meinen, ein 65jähriger hätte diesen Absturz verhindert, bezweifel ich dies aufgrund des offiziellen Flugunfallberichts! Besser vorher informieren bevor Sie solche Komentare abgeben!!!

  8. jja sagt:

    Man müsste ja beinahe Angst...
    Man müsste ja beinahe Angst vor einer “Rollator-Crew” haben — aber die perfekte Notlandung auf dem Hudson River zeigt (ebenso wie unlängst der fatale Absturz der Air-France-Maschine), dass ältere Piloten oft wegen ihrer Berufserfahrung am besten fliegen können (und sich nicht, wenn man in ein Gewitterfront hinein fliegt, vorher schlafen legen und zwei Jungpiloten den Steuerknüppel überlassen sollten). — Was das Sendungsbewusstsein der Europarichter und mancher deutscher Arbeitsgerichte aller Instanzen angeht: Leider hat das Bundesverfassungsgericht jüngst mehrfach Vorlagen von Arbeitsgerichten in Luxemburg erzwungen. Nun erfordert es schon fast Mut, seine Fälle dort NICHT vorzulegen.

Kommentare sind deaktiviert.