Der neue Flughafen Berlin-Brandenburg hat es in den vergangenen Monaten öfter in die Schlagzeilen gebracht, als den Verantwortlichen lieb sein kann: Planungschaos, Kostenexplosion, inzwischen schüttelt die ganze Republik den Kopf über das Ausmaß an Fehlplanung. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde man am Dienstag und Mittwoch daran erinnert, dass auch schon in den Anfängen des Chaos-Flughafens vieles merkwürdig zuging. Ob das Planfeststellungsverfahren ergänzt oder gar neu aufgerollt werden muss, wird man am 31. Juli sehen, wenn die Leipziger Bundesrichter ihr Urteil verkünden. Doch das zweitägige Verfahren war schon ohne finalen Paukenschlag aus mehreren Gründen bemerkenswert.
Ob rechtlich relevant oder nicht, skurril, wenn nicht gar rechtsstaatlich bedenklich war das Vorgehen der Planungsbehörden allemal. Da wurden 2004 im Planfeststellungsbeschluss Flugrouten festgelegt, von denen alle Beteiligten schon seit 1998 wussten, dass sie so aus Sicherheitsgründen nicht eingehalten werden können. Abknickend, nicht gradlinig müssten die Routen verlaufen, betonte die Vorgängerbehörde der Deutschen Flugsicherung (DFS) damals. Passiert ist lange Jahre nichts. Im Gegenteil: Munter wurden Anwohner informiert, dass sie vom Fluglärm nicht betroffen seien, dabei wusste das zuständige Ministerium noch nicht einmal, wo die Flugzeuge letztendlich entlang fliegen würden.
Auch das Bundesverwaltungsgericht gab 2006 seinen Segen. Seit 2010 ist bekannt, dass die Flugbewegungen ganz anders verlaufen werden als ursprünglich geplant – und die Anwohner fühlen sich hintergangen. In Klein-Machnow wurden die Pläne nie ausgelegt, kein einziger Anwohner angehört, dachte man doch, die kleine brandenburgische Gemeinde im südwestlichen Speckgürtel der Hauptstadt bliebe unbehelligt. Doch das war damals. Heute sitzt der Bürgermeister mit auf der Bank der Kläger und ist sauer.
Die Argumente des Ministeriums und des Flughafens sind denkbar dünn; gebetsmühlenartig behaupten sie immer wieder, Klein-Machnow sei gar nicht betroffen, auch heute nicht. Gejohle im Saal des hohen Gerichts, rund 70 Anwohner sind anwesend, die sich sehr wohl betroffen fühlen.
Aufregung kommt auf, als die Kläger am ersten Tag Beweisanträge stellen, die der Vierte Senat nach und nach abweist. Immer wieder haken die Klageranwälte nach, wollen ihre Anträge noch einmal verändert stellen. Ein ums andere Mal zieht sich die Richterbank zur Beratung zurück. Irgendwie scheinen Beweisanträge nicht so ihr Metier zu sein, kein Wunder, haben sich die Richter doch als Revisionsinstanz hauptsächlich mit Rechtsfragen zu beschäftigen. Als erste Instanz haben sie mit diesem Fall nur deshalb zu tun, weil das „Verkehrswegebeschleunigungsgesetz” nach der Wende für solche Infrastrukturvorhaben den Rechtsweg abkürzte.
Von Beschleunigung kann am ersten Verhandlungstag keine Rede sein, vielmehr wird der Vorwurf der überlangen Verfahrensdauer laut. Zehn Stunden dauert die Verhandlung am ersten Tag und zu guter letzt prasselt auch noch eine gehörige Portion Richterschelte auf die Juristen in ihren roten Roben herab. Mit steinerner Mine hören sie zu, wie empörte Anwohner berichten, wie dieser Verhandlungstag ihren Glauben an den Rechtsstaat gründlich erschüttert habe. Ein Kläger rügt das “Desinteresse”, mit dem die Richter sich mit ihren Belangen auseinandergesetzt hätten. Da scheint der Gang zum Bundesverfassungsgericht schon programmiert.
Bemerkenswert an diesem ganzen Verfahren war schließlich auch, in welcher Einhelligkeit alle Beteiligten die Pläne des Bundesverwaltungsgerichts ablehnten, künftig die Klagebefugnis von Bürgern auszuweiten. Das Vorhaben ist gut gemeint: Dass das derzeitige Planungsrecht den Rechtsschutz von Bürgern beschneidet, weil die Flugrouten oft erst Jahre nach Abschluss des Planungsverfahrens festgelegt werden, liegt auf der Hand. Ob dieses Defizit damit ausgeräumt wird, dass man künftig nicht mehr tatsächlich betroffen sein muss, um zu klagen, darf jedoch bezweifelt werden.
Es ist nach meiner Meinung ein...
Es ist nach meiner Meinung ein gewollter “Demokratieeffekt”, dass immer dann, wenn der Bund und Länder im Spiel sind, die Sache schief geht.