Das letzte Wort

Gesetzesauslegung durch Justizminister ersetzt keine Gesetzesreform

Juristen sind sich ganz grundsätzlich uneinig darüber, ob das sogenannte Streaming illegal ist: Dabei ruft der Websurfer einen Film oder ein Musikstück aus dem Internet ab, speichert es aber nicht dauerhaft auf seinem eigenen Rechner. Der neue Ressortchef Heiko Maas (SPD) hat jetzt mit seiner Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion, die er handschriftlich unterzeichnet hat, ein ungewöhnliches Signal gesetzt: Justizminister hüten sich gemeinhin vor jedem Anschein, sie wollten Einfluss auf ein laufendes Gerichtsverfahren nehmen und die unabhängige Justiz beeinflussen. Doch um den aktuellen Fall des Webportals Redtube, der erklärtermaßen der Anlass für die Eingabe der Linken-Abgeordneten war, ranken sich derzeit zahlreiche Zivilprozesse – und mindestens eine Strafanzeige.

Ein Vorwurf ist dem Minister trotzdem nicht zu machen: Schließlich hat er zugleich darauf hingewiesen, dass Bundesgerichtshof und Europäischer Gerichtshof über diese Frage noch kein abschließendes Urteil gefällt haben. Von Maas’ Einschätzung der Rechtslage (die vom Sachverstand seiner versammelten Beamtenschaft gedeckt sein dürfte) können sich Betroffene deshalb allerdings herzlich wenig kaufen – auch wenn die amtliche Auskunft eines Bundesjustizministers noch so offiziell daherkommt.

Angesichts der verbreiteten Unsicherheit unter Internetnutzern sollte Maas also die Initiative ergreifen, um die Rechtslage im Gesetz klarzustellen. Jahrelanges Warten auf Reformpläne aus Brüssel und auf die Auswertung einer kürzlichen Gesetzesänderung in Deutschland, die Verbraucher lediglich allgemein vor überzogenen Abmahngebühren schützen soll, reichen da nicht.

Mit der politischen Entscheidung wird sich der Bundestag freilich nicht leichttun. Schließlich gilt es, auch das geistige Eigentum derer zu schützen, deren Werke im Internet ohne Genehmigung und ohne Entgelt verbreitet werden. Über den Fall Redtube, bei dem es womöglich eher um Betrug, Erpressung und Datenspionage als um “Schwarzsehen” geht, darf nämlich nicht vergessen werden: Das Urheberrecht schützt nicht nur Pornoproduzenten. Sondern es gilt auch für Künstler und Verlage, für Plattenproduzenten und Softwaretüftler – und sichert deren Broterwerb.

Die mobile Version verlassen