Das letzte Wort

Liebe Piloten, wir danken Euch!

Für die Piloten der Lufthansa war das keine gute Woche. Mit Verve waren sie in den September gestartet: Die 13. Streikrunde in den aktuellen Tarifverhandlungen sollte ihren Forderungen den notwendigen Nachdruck verleihen. Zwei Tage unerbittlicher Arbeitskampf, erst kurz zuvor angekündigt, mit Schäden in Millionenhöhe. Dann kam das Hessische Landesarbeitsgericht und bereitete ihren Träumen ein jähes Ende. Völlig überraschend untersagten die Richter diesen Ausstand, weil die Vereinigung Cockpit ein unzulässiges Streikziel verfolgt: Statt wie jede ordentliche Gewerkschaft für höhere Löhne und weniger Arbeit zu streiken, sei es ihr vor allem darum gegangen, den geplanten Konzernumbau und die Einführung einer Billiglinie zu verhindern.

Das klingt wie eine Lappalie, schließlich haben die Piloten ja schon lange keinen Hehl mehr daraus gemacht, dass dies ihr erklärtes Ziel ist. Das wird man als Vertreter der dritten Gewalt schon mal in seinem Urteil berücksichtigen dürfen.

Tatsächlich ist diese Entscheidung aber eine Sensation, denn Arbeitsrichter haben sich bisher in dieser Frage selten mit der ganzen Realität beschäftigt, sondern nur mit dem Teil, den ihnen die Gewerkschaften im Streikbeschluss quasi auf einem Silbertablett servierten. Das hatte Charme, schließlich kamen sie so nur selten in die Verlegenheit, in einer verfahrenen Tarifauseinandersetzung zum Zünglein an der Waage zu werden.

Kaum etwas scheuen Arbeitsrichter mehr als das, denn wohin das führt, kann man jetzt bei den Piloten sehen: Das Verbot könnte dem Tarifstreit die entscheidende Wende gebracht haben. Künftig schwebt über allen Streiks das Damoklesschwert der Rechtswidrigkeit – und damit des Schadensersatzes. Das kann richtig teuer werden. Das hat auch die Gewerkschaft inzwischen verstanden und der Lufthansa wieder Verhandlungen angeboten.

Die Piloten haben ihr Blatt gehörig überreizt, und dafür darf man ihnen auch einmal kurz dankbar sein. Denn ihr unverhohlener Wunsch, Management zu spielen, wirft ein Schlaglicht auf ein ganz zentrales Problem: Gewerkschaften hatten bisher immer freie Bahn bei der Bewertung des Streikziels. Egal, was sie erreichen wollen, sie können es mit Arbeitskampf durchsetzen. Das allerdings war noch nie der Anspruch des großzügigen Streikrechts, das schon bei der Verhältnismäßigkeit kaum Grenzen kennt. Wenn schon der ganze Bahn-, Flug- oder Postverkehr für Tage, wenn nicht gar Wochen in ganz Deutschland lahm gelegt werden kann, dann doch, bitte schön, nur für ein legitimes Ziel.

Das war nie so wichtig wie jetzt. Denn die jüngsten Streiks haben sich so sehr in das tägliche Leben der Bürger eingegraben wie nur selten zuvor. Sie kosteten viel Zeit, Geld und Nerven. Da ist das Verständnis schnell aufgebraucht, wenn sich herausstellt, dass es nur um die (egoistisch eingefärbten) Management-Ideen einzelner Berufsgruppen geht. Keiner hat das der Öffentlichkeit so mustergültig vorgeführt wie die Piloten. Dafür unseren herzlichsten Dank – auch den hessischen Richtern.

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