Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer war einer der Ersten, die warnten: Wenn wir nicht alle Flüchtlinge unterbringen können, müssen wir leerstehende Wohnungen beschlagnahmen. Juristisch ist das keine leere Drohung. Denn es gehört zu den Klassikern im Polizei- und Verwaltungsrecht, dass Kommunen in Notsituationen Obdachlose auch gegen den Willen des Eigentümers in eine Immobilie einweisen können. Dafür müssen sie ihn allerdings entschädigen.
Auch Enteignungen sind nicht kategorisch ausgeschlossen. Die Welle an Zuwanderern, die sich nach Deutschland durchschlägt, lässt tatsächlich bald Zustände wie in der Nachkriegszeit befürchten, als es “Zwangsbewirtschaftung” von Wohnraum gab. Doch sollte die Politik sich nicht zu Schritten auf dem Rücken von Immobilienbesitzern versteigen. Wenn sie eine “Willkommenskultur” propagiert, die in fast allen anderen EU-Ländern auf Befremden stößt, muss sie auch selbst mit deren Folgen klarkommen. Nach Ansicht von Bundeskanzlerin Merkel ist das ja auch durchaus zu “schaffen”.
Die Rezepte sind dieselben, wie sie schon jetzt für den (in Ballungsgebieten) knappen Wohnraum gelten: den Neubau ankurbeln, statt ihn durch immer neue Gängeleien abzuwürgen. Der Verteilungskampf auf dem Wohnungsmarkt wird dennoch unweigerlich härter werden – gerade für jene, die dort seit jeher schlechte Karten haben. Auch für Zuwanderer gilt deshalb: Nicht jeder kann an jenen Orten wohnen, die am begehrtesten sind. In den neuen Bundesländern ist noch viel Platz. Die Anmietung teurer Hotelplätze ist hingegen ebensowenig eine Lösung wie der Bau von Zelt- und Containerdörfern.