Das letzte Wort

Das letzte Wort

Die Welt ist voller Paragraphen und Aktenzeichen. Hendrik Wieduwilt und Corinna Budras blicken auf Urteile und Ereignisse im Wirtschaftsrecht.

Freiheitsberaubung im Amt

Der Freispruch für die fünf Herren von der Deutschen Bank war überfällig. Der Vorsitzende Richter Peter Noll hatte zwar recht, als er sagte: „Freispruch ist Freispruch – einen solchen erster, zweiter oder dritter Klasse gibt es nicht.“ Gäbe es die Unterscheidung aber doch, wäre dies hier ein Freispruch der Premiumklasse. Schließlich hat sich aus einem Terabyte beschlagnahmter Akten (ein ganzer Güterzug voll) keinerlei Hinweis auf eine Straftat ergeben.

Noll fand zwar auch Worte, um die Ankläger in Schutz zu nehmen. Insbesondere dass das Oberlandesgericht den Hauptangeklagten Rolf-Ernst Breuer der Lüge bezichtigt habe, habe die Ermittlungen nötig gemacht. Doch alles, was Noll jetzt bei der Würdigung der inkriminierten Äußerungen der Manager und ihrer Anwälte „zwanglos“ zu deren Gunsten auslegte, ließ sich von vornherein genau so deuten. Hätte da nicht die Unschuldsvermutung (in dubio pro reo) geboten, das Verfahren weit früher zu stoppen? Vielleicht warb Noll ja auch um Verständnis dafür, dass er die Anklage überhaupt zugelassen und den immer aussichtsloseren Beweisanträgen der Ankläger Raum gegeben hatte – bis es ihm bei deren haarsträubenden Anliegen, zum dritten Mal eine Razzia in der Bank durchzuführen, zu bunt wurde. Noll warf ihnen daraufhin vor, das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme komplett zu ignorieren.

Dringend zu klären bleiben zwei Fragen. Die eine sollte schon die kurz bevorstehende Hauptversammlung der Bank beschäftigen: Warum um alles in der Welt hat sie fast eine Milliarde Euro an die Kirch-Erben gezahlt? Warum zog sie im letzten Moment ihre Rechtsmittel gegen das Schadensersatzurteil des Oberlandesgerichts zurück, das als Grundlage für den teuren Vergleich diente und obendrein den Anstoß für die Strafanklage gab? Für die Annahme, dass dies auch zivilrechtlich ein Fehlurteil war, spricht die jetzige Beweisaufnahme Bände.

Noch wichtiger: Ganz offenbar hat die federführende Staatsanwältin die Deutsche Bank zu der Zahlung und dem Rechtsmittelverzicht genötigt, indem sie drohte, ihre Ermittlungen auf den gesamten Vorstand auszuweiten. Nur um genau dieses Nachgeben anschließend als Indiz gegen das Kreditinstitut auszuschlachten. Durch solch eine Grenzüberschreitung schafft sich eine Anklagebehörde ihre vermeintlichen Beweismittel selbst. Dem Quintett, das ein ganzes Jahr lang auf der Anklagebank sitzen musste, bescherte das eine unverdiente Haftstrafe. Juristisch gibt es für so etwas einen Fachbegriff: Freiheitsberaubung im Amt.