Zum zweiten Podcast der Wostkinder haben wir uns Martin Fischer eingeladen, der zum einen wie wir ein Wostkind ist und zum anderen seit 2012 zusammen mit seinen Eltern einen Podcast über den Alltag und die Kultur in der DDR aufnimmt: Staatsbürgerkunde. Er und seine Eltern sind noch vor der Wende, im Jahr 1989, nach Baden-Württemberg ausgereist.
Wir sprechen über die Ausreise und wie schwierig die Zeit war, bis der Ausreiseantrag genehmigt wurde (darüber gibt es auch eigene Staatsbürgerkunde-Folgen: Ausreise I und Ausreise II); darüber, wie es war, in einer anderen Kultur anzukommen und zuerst die Sprache kaum zu verstehen.
Wir blicken zurück auf die Zeit des Wechsels: Was war komisch und gewöhnungsbedüftig? Wo gab es gute neue Erfahrungen? Was unterschied die Schule im Westen von der ersten Schulerfahrung im Osten?
Und natürlich sprechen wir darüber, wie Martin Fischer auf die Idee kam, mit seinen Eltern einen Podcast aufzunehmen, der davon handelt, wie das Leben in der DDR war.
Über allem schwebt ein bisschen die Frage: Ist es eigentlich Zufall, dass 2011/2012 so viele Menschen unserer Generation damit anfingen, über ihre Ost-Sozialisation nachzudenken? Denn neben dem Staatsbürgerkunde-Podcast entstand die Initiative “3. Generation Ost”, die Wostkinder wurden erdacht und Sabine Rennefanz schrieb an den Eisenkindern.
Für mobile Hörer und „Podcatcher / Podcast Clients“ stellen wir Feeds zur Verfügung:
Das größte Hindernis sind die Illusionen
Für Ostdeutsche ist die Erfahrung schmerzlich, dass ihnen im Kapitalismus ausgetrieben wird, dass der Betriebsleiter zuerst auf dem Betriebshof zu grüßen hätte. Dass der Leiter nun zumeist unendlich fern erscheint und deshalb “arrogant” sein muss. Den Leuten ist nie wirklich aufgegangen, welch billig bezahltes, überwachtes Arbeitsvieh sie in der DDR waren. Dass der Staatscharakter mit jedem Buchstaben DDR erlogen war, wussten sie und lachten darüber. Die Folgen waren unklar. Die Arbeiter müssen heute zur Kenntnis nehmen, dass die Eingruppierung in “herschende Klasse” eine Verdummungstour war, und jeder Werktätige in Kreistag (und aufwärts) seine Zeit völlig verschwendete. Alles war vorher abgesprochen. Vor Gericht war der Mensch längst abgeurteilt, bevor er das Haus betrat. Zur Heilung der Illusionen: Die DDR war 1989 mit 82 Mrd. DEM bei 2 Tausend !!! internat. Banken unrettbar verschuldet. Es lief nichts mehr für die Zukunft. Geld kam, wenn die BRD bürgte (Strauß-Kredit). Die Pleite war so tief wie heute in Griechenland, nur ohne jeden Rettunsgschirm. Der Große Bruder in Moskau war noch platter. Es hätte bei der Halbierung aller Sozialleistungen in der DDR , rund 20 Jahre anstrengender Arbeit bedurft, um das Nötigste neu aufzubauen. Das Problem war politisch in der alten DDR völlig unlösbar. Die Wende kam logisch. Selbst die Funktionäre waren froh, dass es eine Zukunft für sie gab, und sie als Deutschen nach dem GG als Feinde gar nicht aufgehängt werden konnten. Die “Staatsnahen” haben mittler- weile eine Abfindung wie Westbeamte erhalten. Viele sind dadurch richtig reich geworden. Der Arbeiter und Angestellte möge sich fragen, warum die Genossen um Gysi dabei nichts für sie erreichten.Nicht mal bei Renten. Dass Linke das Gegenteil “antäuschen”, gehört zur soz. Folklore. Einen Plan haben sie dabei nicht, der erfüllt werden könnte. Alles wie gehabt.