Sie war immer eine engagierte Bürgerin – in der DDR, wie auch heute. Als Fernsehjournalistin berichtete sie in der DDR für “Prisma” über die Mängel im Wirtschaftsleben der DDR. Ab 1982 übte sie als freie Autorin, die auch in der BRD veröffentlichte, Kritik am System. Sie war dabei, als die oppositionelle Gruppe Demokratischer Aufbruch sich gründete und stritt für mehr Freiheit. Dennoch wurde sie nach der Wende einer der prägnantesten und schärfsten Kritikerinnen der Geschehnisse rund um Enteignung, Treuhand-Verhalten, Anpassung und Übergang in den Kapitalismus.
Sie ist Trägerin des Kurt-Tucholsky-Preises für literarische Publizistik, der Luise-Schroeder-Medaille der Stadt Berlin und des Ludwig-Börne-Preises. Dahn will stören, will sich einmischen und verlangt von uns Neugier für die Geschichte. In Ihrer Rede zum Tag der Deutschen Einheit sagte sie vor zehn Jahren, am 03. Oktober 2003:
“Wer nicht versucht hat, sich einzumischen, soll nicht behaupten, es ginge nicht. Sich schreibend einzumischen, heißt stören. Wer zufrieden ist, schreibt nicht. Schreiben heißt abweichen und rebellieren, attackieren und ironisieren. Schriftsteller sind nicht dazu da, Harmoniebedürfnisse zu erfüllen. Sie müssen auch keine Hoffnungen machen und Lösungen anbieten. Dafür haben wir ja Politiker. Schriftsteller sollten auf ihre Art das Problembewusstsein schärfen und die Sensibilität der Menschen füreinander wachhalten. Nur wer so gezielt zuspitzt, dass er einen empfindlichen Nerv trifft, wird überhaupt gehört. Und muss dann selbst mit Angriffen rechnen.”
Diese Haltung erlebten die Wostkinder in ihrem Gespräch von gut anderthalb Stunden ebenfalls. Dahn erzählte dabei von ihrer Arbeit als Journalistin und Autorin in der DDR, von den Enteignungen nach der Wende – von denen sie wie Millionen Ostdeutsche auch, persönlich betroffen war. Sie spricht mit uns über die Transformation des Wirtschaftssystems mit seinen gravierenden Folgen, über die Auswirkungen des Wegfalls des “Kokurrenzsystems Sozialismus” und den aktuellen Zustand der Demokratie. Wie behindern die Massenmedien einen ehrlichen Diskurs, eine offene Auseinandersetzung mit der deutsch-deutschen Geschichte? Bietet das Internet als mögliche Gegenöffentlichkeit einen Hoffnungsschimmer? Was erwartet Daniela Dahn von der Generation ihrer Tochter, der 3.ten Generation Ost? Und: Hat sie eine Antwort auf die Gretchenfrage nach Freiheit vs. sozialer Gerechtigkeit?
Hören Sie sich die aktuelle Folge des Wostkinder Podcasts hier an:
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Links und Hintergründe
Die folgenden Links (auch bekannt als sogenannte “Shownotes”) sollen dabei unterstützen, sich über im Audio-Podcast gefallene Personen, Titel und Hintergründe zu informieren.
Der Doppelcharakter der kleinbürgerlichen Demokratie
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Als Marxist führe ich mir immer wieder vor Augen, was Marx in Bezug auf die Verbindung zwischen Demokratie und Sozialismus sagte. Zu seiner Zeit meinte er damit die Verbindung zwischen der sozialistischen proletarischen Bewegung und der bäuerlich-revolutionär-demokratischen. Den Sozialismus konnte er sich nicht besser vorstellen, als durch das Bündnis mit einer Neuauflage des Bauernkrieges (https://blog.herold-binsack.eu/2011/12/hoffnungen-wo-keine-sein-durfen/).
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Es gibt für mich gar keine Frage, dass auch die DDR in ihren Anfängen versucht hatte, dieser Marxschen Linie zu folgen. Doch sie missverstand das rein ökonomisch. Und sie begriff nicht, bzw. sie wollte oder konnte nicht positiv erfassen, dass eine demokratische Bewegung, eine bäuerliche, eine kleinbürgerliche, völlig anderen Grundsätzen folgt, als eine proletarisch-sozialistische. Die Unterschiede können kaum größer sein, obwohl es Gemeinsamkeiten gibt. Gemeinsamkeiten, die in beider ausgebeuteten Lage liegt. Doch reicht dies nicht. Denn in den Zielen sind sie nicht identisch. Während die einen eine kleinbürgerliche Ökonomie anstreben, somit ein Individuum zu befreien suchen, ein jenes, das vom Großkapital ebenso geknechtet wird, wollen die anderen den industriellen Großbetrieb, somit die Befreiung der Klasse von den Zwängen jeglichen Kapitals. Die einen suchen die Autarkie, ergo: die von der Bourgeoisie nur versprochene Demokratie, die anderen den Klassenzusammenhalt, die weitere Vergesellschaftung auch des Individuums – den Sozialismus, ergo: die Aufhebung aller Grundlagen für Klassenherrschaft, damit auch der Demokratie (wie sie sich wirklich darstellt). Diese Widersprüche lassen sich nur intellektuell und in gemeinsamen Klassenaktionen, im Klassenbündnis bearbeiten. Doch niemals aufheben. So weit so gut.
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Doch was ist schief gelaufen? Die sozialistische Bewegung hätte die Freiheit des Individuums nicht nur als kleinbürgerliche, somit „falsche“ Ideologie, entlarven dürfen. Hätte begreifen müssen, dass, bevor bürgerliche Rechte im Sozialismus eingeschränkt werden, sie erst einmal erweitert werden müssen. Weit über das Maß hinaus, was der großbürgerliche Staat selbst bis dato bereit war zu genehmigen. Denn die kleinbürgerliche Demokratie, welche im Verhältnis zum Sozialismus reaktionär auftritt, kann revolutionär sein im Verhältnis zum Großkapital. Diese Zwischenlage kann man weder ignorieren, noch beschönigen. Damit ist eine Zeit lang zu leben.
Und genau das hat die DDR nicht verstanden, ja hat der gesamte sowjetisch-dominierte Ostblock nicht begriffen. Lenin, der selbst immer vor diesem Fehler gewarnt hat, scheint nicht bemerkt zu haben, dass die Unterdrückung der Intellektuellen, jener „feig-antisowjetischen“, wie er sie betitelte (https://blog.herold-binsack.eu/2013/02/den-vogel-nicht-abgeschossen/, mit geheimdienstlichen Methoden, der erste Schritt hin zu diesem Fehler war.
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Und gleich, was eine sozialistische Bewegung auch heute auf die Beine zu stellen vermag, wenn sie diesen Fehler nicht selbstkritisch aufarbeitet, und zwar auf der Grundlage der eigenen Theorie, kann sie diese Reserve nicht nutzen, somit nicht siegreich sein.
Hallo Herr Binsack.
Wer “versagt” denn nun wirklich “immer”? Die DDR, wer war das? Das Volk der DDR
wer war das? Marx’sche Idee oder Ideen-Mix? Zunächst wohl die,
die Ideen realisieren, oder? Wie der Erfinder seine Idee letztendlich realisiert hätte,
weiß keiner. Braucht der Mensch heute,
“verstaubte” Zeitgeistideen von “X”, oder kann er die Gegenwart reflektieren und
aufgrund des Heute ist…gut,
weniger gut, schlecht…ein humanes Zusammenleben ermöglichen, nämlich
mit dem gesellschaftlichen Anspruch Frieden, Souveränität des Einzelnen und
des Volkes, Volksbildung…aus. Braucht der Mensch Zwang in eine
eng gedachte Gesellschaftsform? Er braucht Nahrung, Wohnen, Frieden, Bildung,
in souveräner Einzelleistung-Gesellschaftsleistung.
Damit hat jeder selber genug zu tun und braucht nicht zusätzliche
“Ideenzwänge”, denn nichts anderes sind alle Modelle letztendlich.
Lassen Sie jeden Menschen leben wie er möchte, entwerfen Sie ein Lebensmodel
für sich und nicht für andere. Dieses “Denkmodell” sollte jeder im Kopf haben.
“Gesellschafts-Ideen-Regel-leben”, nur soviel wie nötig und immer die Souveränität
des Einzelnen im “Auge” behalten und die notwendige “Geistreife”, Bildung, hierfür.
Ich möchte nicht daß irgend jemand oder eine Idee, außer meiner eigenen,
mein Leben bestimmt. Gesellschaft mit Frieden und Freiheitsanspruch
kann nur Anbietercharakter, die auf Annahme-Freiwilligkeit beruht, haben.
Mehr ist oder wird durch “Verbesserungs”- Entwicklung, zum Zwang.
Siehe Computerentwicklung…Zwänge die heute entstehen, die
eine Idee von gestern gar nicht bedenken konnte, zerstört vielleicht eine
gut gemeinte, aber mehr auch nicht, Gesellschaftsidee.
Maßverlust und Zeitgeistideen, plus Personenwechsel lassen jede
andere Form, als die autarke, souveräne Idee früher oder später scheitern,
weil keiner das “Zeitgeist-morgen”, die “Zeitgeistideen-morgen” kennt
und die Menschen, die kommen werden….das alles Entscheidende,
das kein “Gesellschaftsmodellerfinder” bedenkt und bedenken kann.
Jeder sollte in seiner Gegenwart, mit seinen Ideen, für sich glücklich werden
können und andere in Frieden lassen, besonders “Gesellschaftsideenmäßig”.
Gruß
W.D.H.