Wostkinder

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Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen Ost und West.

Wenn ich an Europa denke…

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Es fällt schwer, sich auf das Kreuzchen bei der Europawahl zu konzentrieren, wenn nach einem halben Jahr Revolution in der Ukraine, ein entscheidender Wendepunkt bevorsteht. Und die Zukunft der Maidan-Bewegung ungewiss ist.

„Der Maidan ist zugleich Agora und Grabstätte.“

Kateryna Mishchenko

 Europawahl. Ich gehe wählen; selbstverständlich gehe ich wählen. Wenngleich mir nicht immer so klar ist, wie viel Demokratie im Wählen wirklich steckt, wieviel Wahl. Und natürlich wollte ich über die Europawahl schreiben, über die Rhetorik, der sich manche im Vorfeld bedienten, über das Umschwingen der Kanzlerin auf eine Sprache der Abgrenzung … Es geht jetzt wieder um die Hartz-IV-Zahlungen an Menschen aus Rumänien und Bulgarien – das ist scheinbar das wahlentscheidende Thema. Also doch strenger werden. Die AfD freut sich, auch über Martin Schulz, der nun Einwanderungsquoten für die EU fordert, wie die Alternative für Deutschland schon lange. Also – vor der Wahl werden Reden geschwungen, um der AfD ein paar letzte Stimmen doch wieder wegzunehmen – und das unter anderem auf dem Rücken Osteuropäischer EU-Bürger. Ein bisschen Populismus schadet nicht, oder?

© Katrin RönickeWählen wir die Katze im Sack?

Europa, eine Wahl, große Sache. Gerade als Wostkind gilt mir Europa lange schon als Perspektive, als Zukunft, die es auszugestalten gilt, so wie es immer noch die innerdeutsche Einigung auszugestalten gilt. Europa, das ist eine Geschichte des Zusammenwachsens, ein Miteinander, das man aus freien Stücken wählen kann, mitgestalten kann, demokratisch – oder nicht. Wie damals – oder? Aber ich schaffe es nicht, mich auf diese wichtige Sache zu konzentrieren. Es ist die andere Wahl, die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, es ist dieses Land, das vielleicht wie kein anderes deutlich macht, dass Zusammenwachsen nicht von alleine geschieht, das auseinander dividiert werden oft schneller passiert, als man vermutet hätte. Plötzlich sind die Grenzen ungewiss und Europa herausgefordert, sich zu verhalten. Die Ukraine verdient heute mindestens genauso viel Aufmerksamkeit, wie die Wahlergebnisse zum Europaparlament.

Über den Maidan hinweg

Die Revolution in der Ukraine wird nicht als solche benannt, beklagt Jurko Prochasko im von Suhrkamp veröffentlichten Sammelband „Euromaidan“, der von Juri Andruchowytsch herausgegeben wurde. Ein Sammelband, der es in sich hat, denn hier treten Schriftstellerinnen und zugleich  Stimmen des Maidan geballt in deutscher Sprache auf. Zum ersten Mal rückt mit diesem Buch seit langem die Ukraine wieder in unser Blickfeld, nachdem viele nur noch über Russland geredet, geschrieben und spekuliert hatten. Ukraine – hier hat eine Revolution stattgefunden, oder? Sicher? Prochasko zweifelt dies nicht an, doch in Europa findet er dieses Wort nicht. Stattdessen spreche man hier von einer „Krise“.

Vielmehr wird über die Köpfe der Maidan-Revolutionäre hinweg elaboriert, was nun zu geschehen habe mit der Ukraine: Manche wollen es nicht in die EU aufnehmen und auch nicht weiter über Assoziationen nachdenken, manche wollen es teilen, andere verplanen es als „Brückenland“ ganz im Stile Finnlands.

© Katrin RönickeHände weg? Knalliger Slogan, wenig hilfreich.

Weil man es Krise nennt, kann man es so behandeln. Eine Revolution jedoch nimmt sich vor allem selbst zum Maßstab, erschafft Eigenes, nutzt die Macht der Vielen, um neu anzufangen und sich selbst Gesetze zu geben, sich selbst einen Weg zu bahnen und als Verhandlungspartner zu erscheinen.

Die Menschen auf dem Maidan sind für die EU als Verhandlungspartner nie wirklich infrage gekommen, außer vielleicht Vitali Klitschko. Auch er steht morgen zur Wahl und wenn es gut läuft, wird er Kiewer Bürgermeister werden und die Sache mit dem Maidan beenden. “Der Maidan hat seine Mission erfüllt”, sagt er. Der EU könnte das gefallen, dann muss sie sich mit diesen Leuten auch nicht weiter befassen, mit dieser Revolution, die sie Krise nennt. Nicht, dass sie sich bislang sonderlich darum gekümmert hätte. Stattdessen hat die EU eine andere Strategie angeschlagen: Sie hat Russland adressiert – wenn auch nicht als ebenbürtigen Verhandlungspartner, so doch mit der Antwort „Sanktionen“ und damit indirekt erklärt, dass Russland die Verantwortlichkeit für „die Ukraine-Krise“ zukomme. Man hat die Rhetorik als Kaltkriegstagen recycelt. Was das dem Maidan eigentlich genützt hat? – Stellen Sie doch nicht solche Fragen. Jetzt wird ja alles gut. Ein Machtwechsel wird kommen, der Kurs steht wieder auf Europa, alles wird gut. Lull.

Gänsehaut hingegen, wenn man in „Euromaidan“ liest, wie die Menschen unter lebensgefährlichen Umständen für etwas ganz anderes kämpften. Wer sieht diesen Kampf ohne ihn für eigene Zwecke instrumentalisieren zu wollen?

© Katrin RönickeWer liest hat größere Chancen, zu verstehen

Europa hat der Ukraine ein Assoziationsabkommen angeboten, dass vor allem eine wirtschaftliche Assoziation darstellen würde – dieses Abkommen, und die Weigerung des ehemaligen Präsidenten Janukowytsch, es zu unterschreiben, waren die ursprünglichen Auslöser für die Revolution. Um das Abkommen geht es schon lange nicht mehr. Es geht um mehr: Die Revolution heißt Euromaidan und die EU tut so, als wisse sie nicht, was das eigentlich ausdrückt: Es drückt den Wunsch der Menschen dort aus, von Europa beachtet und unterstützt zu werden. Nicht bevormundet oder übergangen – beachtet, unterstützt – das bedeutet Hilfe zur Selbstwirksamkeit.

Über die Revolution

Revolution – Hannah Arendt hat einmal aufgeschrieben und argumentiert, dass wir Europäer eigentlich nie so richtig eine Revolution hingelegt hätten. Dass die Französische Revolution zumindest keine sonderlich erfolgreiche gewesen sei – in der Amerikanischen sieht sie jedoch sehr viel, das gelungen ist, das richtig gemacht wurde. Arendt argumentiert vor allem entlang zweier Kriterien: Erstens sei die Macht der Vielen notwendig, eine Macht, die sich daraus ergebe, dass sich viele Menschen an der Ausgestaltung beteiligten, die Revolution geschehe im Gemeinsamen, Einzelkämpfertum ende hingegen in Gewalt. Robespierre ist für diese Argumentation das Paradebeispiel.

Die zweite Bedingung ist eine Autorität, die aber ein ganz entscheidendes Problem habe: Sie müsse sich herstellen, ohne auf Vergangenes verweisen zu können; sie habe keine Tradition, keine Heiligkeit – sie kann sich nicht auf Gott berufen oder auf irgendeine andere höhere Macht. Wie also soll Autorität entstehen; wie sollen Menschen, die bislang weder Könige, noch Präsidenten waren, sie erlangen? Arendt greift nach der Autorität des Neuen: Die Verfassung, gegründet auf dem Neuanfang, dem Wollen zum Neubeginn, dem Wunsch, etwas zu errichten, auf das viele kommende Generationen bauen können sollen. Als gelungenes Beispiel sieht sie daher die Revolution in Amerika an. Und genau dies ist es, was man den Menschen, die vier Monate und länger auf dem Maidan für ihre eigene Autorität, für einen eigenen Neuanfang kämpften, wünscht. Doch die Umstände sind gegen sie. Ihre Hoffnung lag in Europa, doch Europa nahm vor allem einen Konflikt mit Russland auf, ist seltsam untätig in der Frage, wie man der Ukraine unter die Arme greifen könne. Der Ukrainische Autor Jurko Prochasko hat deswegen vielleicht gar nicht unrecht, wenn er fordert, dass von der Ukraine eine Kleine Europäische Revolution ausgehen solle.

Die Ukraine könnte zum Auslöser, zum Katalysator einer Kleinen Europäischen Revolution werden. Doch nur wenn Europa seinen Hochmut aufgeben und das, was die Ukraine ist und was dort passiert, mit frischen Augen sehen kann.“

Die Präsidentschaftswahl und die Zukunft

Was heute passieren wird ist noch nicht entschieden, doch die vergangenen Umfragen zur Präsidentschaftswahl lassen vermuten, dass der Oligarch Petro Poroschenko die Wahl gewinnen könnte. Der wohl siebtreichste Mann der Ukraine, ein Schokoladenfabrikant und TV-Sender-Besitzer. Sein Sender berichetete bereits Ende 2013 zunehmend kritisch über die amtierende Regierung unter Janukowytsch und positiv über die im November entstandenen Proteste auf dem Maidan, die Poroschenko unterstützte und Vitali Klitschkow schlug ihn daraufhin auf dem Parteitag der Ukrainischen Demokratischen Allianz für Reformen Ende März als Präsidentschaftskandidat vor.

Ob das ein Ende der Revolution wird, wie es sich die Menschen auf dem Maidan vorstellten, als sie die Leichen ihrer Freunde und Mitstreiterinnen in Särgen mitten in der Stadt beisetzten? Ein Oligarch an der Spitze des Landes? Lesen Sie zum Beispiel die hoffnungsvollen Worte von Alissa Ganijewa in „Euromaidan“:

DerMaidan hat uns gelehrt, dass eine freie Bürgergesellschaft im postsowjetischen Raum möglich ist.
Und wir können sie mit unseren eigenen Händen schaffen.“

Wir sind gefragt. Wir, als „der Westen“, als „die Europäer“ und „die Demokraten“ sind gefragt, uns für die Ukraine zu interessieren, uns zu fragen, wie wir helfen können – und dann verdammt noch einmal zu helfen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Korrespondenten-Büro – egal welcher Zeitung oder Nachrichtenagentur – in der Ukraine? Gibt es wohl derzeit nicht. Wie wäre es, die existierenden Städte-Partnerschaften zum vermehrten Austausch zu nutzen, denn bislang sind die lokalen und Regionalen Kräfte in diesem Land scheinbar völlig unterschätzt. Ein wichtiger Schritt sind die vielen Wahlbeobachter, die sich heute und in der Vorbereitung seit Wochen ehrenamtlich dafür einsetzen, dass die Wahl stattfinden kann, dass die Menschen ihre Bürgerpflicht und ihr Bürgerrecht wahrnehmen können.

Ich habe heute gewählt und ich habe innerhalb eines Tages das Buch „Euromaidan“ verschlungen, wie ich lange kein Buch verschlungen habe. Und seit die Stimmen dieser kämpferischen und hoffnungsvollen Schriftstellerinnen und Schriftsteller an mein Ohr drangen, glaube ich auch fest an sie. Hoffe mit ihnen und denke mehr denn je: Es reicht nicht, für Europa ein paar Kreuzchen auf einem Wahlzettel zu machen. Europa beginnt und endet da, wo die Würde der Menschen beginnt und endet. Ich habe selten würdevollere Zeilen gelesen, als in Juri Andruchowytschs Sammelband. Noch vor einen gutem halben Jahr war Europas Hand in Richtung Ukraine ausgestreckt – für eine wirtschaftliche Assoziation. Aber: Die Leute auf dem Maidan sind nicht millionenfach auf die Straße gegangen, weil sie in die EU wollen oder weil sie Assoziationsabkommen gelesen hätten und verstünden und alles davon haben wollten. Der Maidan war ein Volksaufstand gegen unerträglich gewordene Verhältnisse, ein Schrei nach Gerechtigkeit, Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung. Jetzt gilt es, die Hand auszustrecken für eine politisch-gesellschaftliche Partnerschaft, die in erster Linie auf eine Stärkung der Zivilgesellschaft setzt. Jetzt den Fokus auf die Ukraine – das ständige Abarbeiten am Feindbild Russland, die in Rachegedanken verschwendete Energie lenken nur unnötig ab.

Juri Andruchowytsch (Hrsg.): „Euromaidan: Was in der Ukraine auf dem Spiel steht“. Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Berlin 2014. 207 S., br., 14,- €.

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5 Lesermeinungen

  1. jan68 sagt:

    Revolution oder Evolution.
    Revolution ist Turbo-Evolution.
    Revolution ist kein Zurueckdrehen, eher ein maechtiger Sprung nach vorn, wenn Entwicklungen ueber lange Zeit verhindert wurden.
    Dass dabei viel zerstoert wird, ist jenen zuzuschreiben, die es ueberhaupt soweit haben kommen lassen.

    In der letzten “Revolution” (Peace not War) 1968 in der BRD, in FR und in den USA, also in vielen westlichen Laendern, ging es um Frieden und Emanzipation.
    Was ist daraus geworden? Die ehemalige Friedensbewegung stimmte spaeter Kriegseinsaetzen in Jugoslawien und woanders zu und ist jetzt groesstenteils bereit, den “Freunden” beizustehen wo es nur geht.
    DIE GRUENEN sollten also ihre gruene Standarte schon einmal mit ein paar roten Flecken verzieren, das waere zumindest ehrlicher.

    Es stellt sich heraus, dass nach 1968 kunterbunte Revolutionen in ehemaligen GUS-Staaten angezettelt wurden und keineswegs mehr vom unzufriedenen Volk ausgehen, sondern von einer weltweiten Elite geplant werden.
    So wird auch Venezuela sein Maidan2.0 erleben. Hierfuer wird auch die Ehefrau des venezuelanischen Oppositionsfuehrers die ihr zugedachte klitzkleine Rolle erfuellen, indem sie in Bruessel, dem Hort der Demokratie und der gerechten Wahlen – dem Kampagnenjournalismus sei Dank – weiterhin vorstellig werden wird!

    Nun zu den Wahlen selber. Es ist ja ganz schoen, dass dem Waehler die Wahl zwischen Pest und Cholera geboten wird; die letzten Unruhen in Spanien erinnern aber wieder einmal, gegen das Vergessen von Geschehnissen anzugehen.
    DIE WELT berichtete am 20.05.11 im Artikel “Spanien verbietet Proteste gegen die Krise”:
    “Die zentrale Wahlbehörde befürchtet, die Demonstrationen könnten die Wahlen stören und die Wähler beeinflussen. Trotzdem gehen die Proteste weiter.
    Die Protestierenden halten schon seit Tagen den Platz besetzt. Weitere Demos fanden am Donnerstagabend den fünften Tag in Folge in Barcelona, Valencia, Bilbao und Santiago de Compostela statt. Organisiert werden die Proteste weitgehend über das Internet. Das Bündnis “Echte Demokratie Jetzt!” war am vergangenen Sonntag mit Kundgebungen in rund 50 Städten praktisch über Nacht landesweit bekannt geworden.
    Der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero hatte Verständnis für die Demonstranten geäußert. Die Politiker sollten ihnen zuhören, sagte er. Zugleich rief der Sozialist die Teilnehmer der Protestbewegung auf, sich am Sonntag an den Regional- und Kommunalwahlen zu beteiligen. “Nur wer wählen geht, kann etwas verändern”, sagte er.
    Die zentrale Wahlbehörde, die das Protestverbot verhängte, besteht aus Richtern des Obersten Gerichts sowie Universitätsprofessoren der Fachbereiche Jura, Politik und Sozialwissenschaften. Die Entscheidung für das Verbot fiel mit nur einer Stimme Mehrheit, wie der spanische Rundfunk berichtete.”

    Wenn ich an Europa denke…es wird den jetzigen Eurokraten nicht helfen, die immer staerker aufkommenden Protestwaehler in die ihnen genehme Ecke stellen zu wollen.
    Bruessel wacht nun entgueltig auf oder es kommt wirklich “Der kommende Austand”. Uebrigens ist dieses linke Pamphlet ebenso verstoerend wie lesenswert und sorgte vor Jahren fuer aufgeregte Artikel in den europaeischen Leitmedien.

    Das Volk will den Frieden und keinesfalls von der Bruesseler Clique an die grosse Lobby – einer Hydra mit tausend Gesichtern; es sind insgesamt an die sechzig Firmennamen – ausgeliefert werden.

  2. ThorHa sagt:

    Die kalte Kriegs-Rhetoriker waren wohl nicht kalte Krieger genug,
    da sich mittlerweile herausschält, dass ein Teil der erstaunlich gut bewaffneten und organisierten “prurussischen Separatisten” guerillaerprobte Tschetschenen sind/waren. Das übersteigt sogar mein Vorstellungsvermögen von dem, was ich Russland zugetraut hätte – und ich falle offensichtlich unter Ihre Definition vom “Kalten Krieger”.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  3. Kalle2000 sagt:

    Die unterstützende Rhetorik der west-oberen galt nie dem gesellschaftliche Aufbegehren
    ging den Westen um Geopolitik und Machtinteressen, ausschließlich. Aufbegehren gegen Machtmissbrauch der Eliten wird von der EU nur dann gelobt, wenn die Eliten nicht “EU-freundlich” sind. Hätte Janukowitsch das Abkommen unterschrieben, hätte kein EU-US-Politiker etwas gesagt, wenn er den Platz von Demonstranten samt Barrikaden hätte räumen lassen.
    Was Sie hier beschreiben:
    “Der Maidan war ein Volksaufstand gegen unerträglich gewordene Verhältnisse, ein Schrei nach Gerechtigkeit, Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung. ”
    Das gab es gleichzeitig in Bosnien. Und dort hat der hohe Repräsentant der EU gedroht, Soldaten einzusetzen, wenn die Demonstranten nicht Ruhe geben. Darüber hat niemand sich aufgeregt. Das schlimmste sind die Medien, die EU-Regierungs-genehmes Aufbegehren zum Brennerthema machen und der EU schädliches Aufbegehren ignorieren oder herunterspielen oder als Krawalle diskreditieren.
    Die ukr. Schriftsteller sind aber auch etwas naiv. Sie hätten doch merken müssen, dass während der Maidan-Proteste frühzeitig nationalistische (und damit antirussische, anti-osturkrainische) Parolen über reformerische die Oberhand gewannen. Sie hätten gegen diese Strömung ebenso aufbegehren müssen. Der innerukrainische nationale Hass ist es auch, der es der Kieweer Regierung erlaubte, die gesamte Sozialrevolutionsagenda unter dem Kriegsgeschrei untergehen zu lassen. Die Schriftsteller waren wohl selbst zu sehr Nationalisten, um sich Verbündete unter den gesellschaftlich Unzufriedenen im Osten zu suchen. Mit Slava Ukraini kommt man da natürlich nicht weit. Und das hätten gerade Intellektuelle wissen müssen.

  4. HansMeier555 sagt:

    Moralische Geographie
    “Europa beginnt und endet da, wo die Würde der Menschen beginnt und endet.”
    .
    Erraten sie, was mir an diesem Satz nicht gefällt?

  5. K.Finnern sagt:

    Kommen alle Einsichten vielleicht zu spät ?
    Mir geht das letztendlich nicht anders wie ihnen Frau Rönicke , ich wünsche den Menschen von Herzen, daß sie ihren Weg Richtung Demokratie finden werden , allein mir fehlt der Glaube .

    Einen Artikel , wie sie ihn jetzt über Europa und die Ukraine geschrieben haben, den hätte ich mir
    Ende der 80er Jahre in Bezug auf die Sowjetunion gewünscht .
    In dieser Zeit wurden nach meiner Ansicht hier im Westen die Fehler gemacht, auf die wir heute schauen .

    Ein bisschen mehr Interesse und Geschichtswissen hätte es sein müssen , um zu begreifen, das Beifall und nette Wünsche einem Herrn Gorbatschow wenig geholfen haben , die Sowjetunion in Richtung Demokratie zu bewegen und einen letztendlich unkontrollierten Zerfall zu verhindern und stattdessen einen geordneten Übergang zu verwirklichen .

    Wenn sie von einer Frau Ahrendt schreiben , die heute Vergleiche anstellen will zwischen amerikanischen Unabhängigkeitskampf , französischer Revolution und der in der Ukraine ,
    dann fällt es nicht schwer zu erkennen , warum wir im gesamten Bereich der ehemaligen
    Sowjetunion so ziemlich versagt haben .
    Weil selbst eine Frau Ahrendt scheinbar die Grundlagen , warum ein amerikanischer Unabhängigkeitskampf erfolgreich war und eine französische Revolution letztendlich nicht ,
    gar nicht beachtet .

    Der Unterschied liegt ganz einfach und verkürzt dargestellt darin , daß die Kolonisten eine Vorstellung davon hatten , was sie wollten und nicht wollten . Sie hatten den Vergleich eines
    Lebens im Absolutismus ihrer Heimatländer und der Freiheit in der neuen Welt , in der Könige
    erstmal fürchterlich weit weg waren .
    Sie hatten die Zeit , sich zu organisieren , zu beraten , Vertreter auszuwählen und ihren Widerstand gegen die Krone auf eine breite Basis zu stellen , die man nicht einfach beisteite schieben konnte .

    Es haben sich also im Vorwege der eigentlichen Revolution schon demokratische Strukturen ausgebildet und das ist der Punkt , diese waren in Frankreich nur rudimentär vorhanden und
    in der Sowjetunion gar nicht .
    Dazu würde ich ihnen mal das Buch von Michael Gorbatschow “Alles zu seiner Zeit ” empfehlen ,
    sehr menschlich , sehr persönlich aber auch mit einem sehr scharfen Blick darauf , was der Westen getan oder besser eben nicht getan hat .

    In der ehemaligen Sowjetunion waren keinerlei demokratische Strukturen vorhanden , es gab sowas wie Menschrechtsgruppen oder eine Demokratiebewegung nicht im nennenswerten Ausmaß . Es gab nur Millionen Menschen und staatliche Strukturen die bis in die hinterste Provinz mit kommunistischen Kadern besetzt waren , denen man plötzlich ihre Machtposition streitig machte .

    DA hätte der Westen sich nicht nur um die abgefallenen Staaten des Warschauer Paktes kümmern müssen , sondern hätte die Sowjetunion als ERSTES aktiv begleiten müssen , sie unterstützen über einen lagen Zeitraum , mit freier Presse , mit Aktivisten die dort hätten rüber gehen müssen für
    GRUNDLAGENARBEIT zur Schaffung der Strukturen die es dort nie wirklich gab .

    Das Problem in diesem Bereich waren nie die umliegenden Staaten , die selber schon lange einen
    Ablösungsprozess von der Sowjetunion forcierten , es war die Sowjetunion selber , um die man sich hätte kümmern müssen , nicht nur wirtschaftlich , sondern demokratisch , damit die Menschen überhaupt anfangen einen Sinn in Freiheit und Demokratie zu sehen , etwas was es dort eben nie gab .

    Gerade wir Deutschen müssten das wissen , denn unser Weg dahin war wohl der brutalste überhaupt .

    Fakt ist aber , wir haben das alles versäumt und so kam es zu einem Herrn Jelzin und dem unkontrolliertem Zusammenbruch der Sowjetunion , bei der jede einzelne Grenze der Teilrepubliken praktisch aus kommunistischer Willkür entstanden ist .
    Es kam zu zig Ländern , in denen durchweg demokratische Strukturen nicht vorhanden waren , wir haben also praktisch aus einem großen Problem zig kleinere gemacht , die alle zwangsläufig gewachsen sind .

    Wir haben die ehemaligen Kader praktisch eingeladen so zu Oligarchen zu mutieren , denen die Leute auch noch folgten , weil sie nie etwas anderes als den starken Mann an der Spitze gewohnt waren , mit dem Ergebnis , daß in all diesen ehemaligen Teilrepubliken einschl. der Ukraine , Korruption und Chaos entstanden sind , bei dem es den Menschen schlechter als im Kommunismus ging .

    Ein Putin , ein Janukowitsch oder ein Lukaschenko waren die personellen Ergebnisse .

    Der letzte Fehler war dann , auf der Einhaltung des verhandelten Abkommens durch unseren
    und andere Außenminister zwischen Janukowitsch und der Maidan Revolution nicht strikt zu bestehen , weil dieser geordnete Übergang mit begleiteter Wahl , der einzig richtige und vor allem demokratische Weg gewesen wäre .

    Stattdessen frißt jetzt , wie damals in Frankreich die Revolution ihre eigenen Kinder mit dem
    Endergebnis Napoleon/Poroschenko , sprich letztendlich richtet es wieder der starke Führer
    und wo bleibt die Demokratie ??

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