Fast sieben Jahre lang lebte ich als Kind in einem Arbeiter- und Bauernstaat. Zwar gab es auch akademische Karrieren und hoch qualifizierte Menschen, es gab eine Elite und Leute, die irgendwie gläubig waren. Aber aus keiner dieser Gruppen stamme ich. Als meine Eltern auf die Schule gingen und sich fragten, wohin es gehen sollte, ob sie studieren sollten, oder einfach nur eine Lehre machen und dann arbeiten, da war niemand da, der ambitioniert darauf insistierte, dass sie Erfolg haben müssten. Meine Großeltern sind Arbeiter und Bauern gewesen. Und wenn meine Eltern in ihren jungen Jahren fanden, dass man es mit der Ausbildung und der Karriere und den Höhenflügen nicht so haben sollte, dass ein Gymnasium Anstrengung bedeutet, bei der unsicher ist, ob sie es wert ist, dann gab es da kein Korrektiv. Keine Mutter, die in ihrem Kind die verpasste Selbstverwirklichung nachholen wollte. Kein Vater, der seinen Sprössling darauf trimmte, in die eigenen, bildungsbürgerlichen Fußstapfen zu treten. Sie machten eine Ausbildung, sie fingen noch vor der Vollendung ihres 20. Lebensjahres an, zu arbeiten und als meine Mutter 22 und mein Vater 24 Jahre alt war, da kam ich in eine Welt, die geordnet und geregelt war und in der es nicht so aussah, als würde sich in absehbarer Zeit irgendetwas ändern: Nicht der Beruf, nicht der Ort an dem wir wohnten, nicht das Einkommen. Die Möglichkeiten waren eingeschränkt. Es gab kaum etwas, das gierig machte. Mit Anfang 20 mussten meine Eltern niemandem mehr etwas beweisen. Sie waren fertig qualifiziert. Nach Oben wollen oder drohen nach Unten zu fallen – beides gehörte in dieser Welt eher seltenen Gelegenheiten an. Natürlich war das auch schlicht monoton und Motivation musste entsprechend anders hergestellt werden, ohne Aufstiegschancen, ohne Gehaltserhöhungen, oder Provisionen, oder dergleichen mehr. Es gab deswegen die vielen verschiedenen Huldigungen des geduldigen Arbeiters, es gab Medaillen und Orden und Anerkennung auf der sozialen Ebene. Verlässlichkeit wurde groß geschrieben, aber Überflieger wurden so vermieden.
Als ich vier Jahre alt war, ging mein Vater in den Westen, aber bis zu diesem Zeitpunkt – er war nicht einmal 30 Jahre alt – hatte er einen DKW F8 restauriert und fahrtüchtig gemacht; hatte er eine Garage selbst gebaut – Stein auf Stein; hatte er eine Bibliothek zusammengesammelt, in der Kafka, Zola, Fallada, Karl May, Jules Verne und weitere Klassiker vertreten waren und so viel zu lesen bereit stand,, dass er den „Regalmetertest des westdeutschen Bildungsbürgertums“ mit Bravour bestanden hätte. Der schon lange fertig qualifizierte Mann hatte nie aufgehört, sich zu bilden und zu lernen. Bildung, das ist eben mehr, als nur ein Absitzen von Unterrichtsstunden. Das ist mehr, als bulimisch Bücher auswendig zu lernen, den Inhalt zum gegebenen Zeitpunkt auszuspucken und dafür ein Zertifikat zu erhalten. Bildung ist eine freie und selbsttätige Wechselwirkung mit der Welt, wenn diese kurze pädagogische Einordnung erlaubt ist. Es hat mit Schule, mit Qualifikation und mit Zeugnissen auf denen Noten notiert sind, zunächst wenig zu tun– dies sind eher unsere kümmerlichen Versuche und Methoden, Bildung abzubilden. Im Osten waren die Menschen, die ich kennen lernen durfte, sehr gebildete Menschen, dennoch strauchelten viele von ihnen lange, manche bis heute, als das System und mit ihm das Hohelied auf den verlässlichen, fleißigen und nicht höhenfliegenden Arbeiter, zu Ende ging. Sie gelten als schwer vermittelbar; als un(ter)qualifiziert; als falsch qualifiziert; als bildungsfern gar. Als ob der Mangel an Zertifikaten automatisch dafür stünde, auch einen Mangel an Bildung zu haben, wie sie eigentlich definiert ist:
„Der Vorgang geistiger Formung, auch die innere Gestalt, zu der der Mensch gelangen kann, wenn er seine Anlagen an den geistigen Gehalten seiner Lebenswelt entwickelt. Gebildet ist nicht, wer nur Kenntnisse besitzt und Praktiken beherrscht, sondern der durch sein Wissen und Können teilhat am geistigen Leben; wer das Wertvolle erfasst, wer Sinn hat für Würde des Menschen, wer Takt, Anstand, Ehrfurcht, Verständnis, Aufgeschlossenheit, Geschmack und Urteil erworben hat. Gebildet ist in einem Lebenskreis, wer den wertvollen Inhalt des dort überlieferten oder zugänglichen Geistes in eine persönlich verfügbare Form verwandelt hat.“
Das war 1960, Gunter Dueck hat diese Sätze in einem Brockhaus aufgetrieben und man mag kaum glauben, dass der Westen einmal eine solche Definition von Bildung kannte, eine, wie sie sogenannten „Bildungspolitikern“ fremd scheinen muss. Sie meinen mit ihrer Politik etwas anderes, verfolgen ganz klare Ziele: Der Leistungsgedanke steht im Mittelpunkt und von diesem Wort, Leistung, leitet sich eine ganze Kaskade an anderen Wörtern ab: Leistungsmessung, Leistungspotential, Leistungsprämie, leistungsstark, Leistungsträgerin, Leistungswille, Minderleister – wir sind, genau genommen, eine Leistungsgesellschaft. Schon in der Kita soll es eine bestmögliche individuelle Förderung sein, in der Schule überlassen „bildungs“bürgerliche Eltern nichts dem Zufall und wenn das Kind nicht aufs Gymnasium gehen will, übt man sozialen Druck aus, findet man Methoden, diesen Willen schon zu wecken und scheut nicht davor zurück, das Portemonnaie zu zücken, um der Nachhilfelehrerin das nötige Budget für ihre nächste Weltreise mit zu ermöglichen, denn es geht immer um die Zukunft. Es geht um das berufliche Fortkommen und ohne Abitur kommt man heute, so die zentrale Botschaft, nicht weit fort. Ohne Weltreise ist man nur ein halber Mensch, also sollte man neben dem Abitur auch einen TOEFL-Test in Erwägung ziehen, damit man möglichst effizient das eine mit dem anderen verbinden kann: kosmopolitische Bildungswege sind der Renner und wer in Harvard studiert hat ist eine gemachte Frau! Sie machen mit 17 ihr Abitur, beginnen dann sogleich ihren Bachelor in Business Administration an einer britischen Eliteuni und mit 22 werden sie auf den Markt geworfen, als Fleisch gewordene Verkörperung all der politischen Bildungsreformen der letzten zehn Jahre. Studien zeigen aber auch, dass sie nach der Schule ein großes Maß an Kreativität und Genialität verloren hatten, das vor der Schule noch konstitutiv für fast 100 Prozent aller Kinder ist.
Es gibt sie aber noch, diese Zertifikatelosen: Die „Bildungsverlierer“, Schulabbrecher, Aussteiger und Verweigerer. Ihre Motive und Geschichten sind enorm unterschiedlicher Natur, nicht jeder hat das Privileg, dass die Entscheidung erstens freiwillig fiel und zweitens nicht in Armut und Abgeschobenwerden, gesellschaftlich gemeint, endete. Ein Privileg, das André Stern leben durfte, er erlangte mit seiner Geschichte einige Berühmtheit. Er ging nie zur Schule, ist aber als Autodidakt weder Analphabet, noch arbeitslos, noch unglücklich. Anders ergeht es vielen Kindern aus sogenannten „bildungsfernen“ Schichten oder Milieus. Sie werden nicht, wie Stern, als geniale Glücksfälle angesehen, sondern als Problem. Und sie haben auch ein Problem, in aller Regel können sie sich nicht auf die Art entfalten, die sie gerne würden. Das liegt auch daran, dass man sie nicht nur nicht in der Findung ihres eigenen Weges unterstützt, sondern ihnen permanent einredet, wie falsch sie sind.
Zertifikate sind alles. Meisterbrief, TOEFL-Test, Bachelor, Master, Supervisor, Moderator und McKinsey-Beratungs-geprüfter CEO of the future. In dieser Welt gilt Leistung als Motor für alles – in dieser Welt ist China glänzendes Vorbild. Im Reportage-Film „Alphabet“ über die weltweite Entwicklung der Bildungsinstitutionen, der Schulen, der Philosophie, zeigt sich, wie weit der Zertifikate-Wahn gehen kann: Ein chinesischer Fünftklässler sitzt zuhause und seine Mutter legt sie alle auf den Tisch: Urkunden über Teilnahmen und Plätze bei Mathe-Olympiaden, Fachspezifischen Vergleichsarbeiten, Semestertests – typisch kommunistisch, könnte man sagen. Die Mutter sammelt sie alle und ist sichtlich stolz auf ihren Sohn, der nur da sitzt und schweigt. Die schiere Gegenwart dieses Kindes, das nichts sagen muss, um alles auszudrücken, jagt einem Schauer über den Rücken: Er ist ein Überflieger, aber er hat keine Sprache, mit der er etwas anderes auszudrücken wüsste, als Fachwissen und Antworten zu Aufgaben. China ist in den aktuellen kosmopolitisch inspirierten PISA-Vergleichen an der Spitze, der Film schaut hinter die Kulisse dieses Erfolges. Da wären Zahlen: Chinesische Schüler schlafen weltweit am wenigsten, lernen weltweit am meisten und haben die meisten Prüfungen, und leider bringen sie sich am häufigsten selbst um. Der Druck ist enorm. Yang Dongping ist Professor für Pädagogik in China, er berät unter anderem die Chinesische Regierung in ihrer Bildungspolitik, doch er hat im Gegensatz zum Deutschen Vertreter des PISA-Konsortiums, Andreas Schleicher, wenig optimistische Worte für das, was in China seit der Öffnung hin zur Marktwirtschaft und dadurch zur steigenden Konkurrenz, passiert. Er blickt auf eine Gruppe spielender Kinder abseits der typischen städtischen Schulen, Kinder von Bauarbeitern, so am Rande der Gesellschaft, wie das, was man hier „bildungsfern“ nennt. Diese Kinder, so Xang Dongping, würden sich noch kindertypisch verhalten, sie lachen, sie spielen und rennen quiekend durch die Gegend. Man kann davon ausgehen, dass unter diesen „bildungsfernen“ Kindern die Suizid-Rate beim Übergang in die Hochschulen einmal nicht so hoch liegen wird, wie sie es unter chinesischen Schülerinnen und Schülern seit Jahren ist.
Die westliche Welt hechelt aber diesem Vorbild hinterher. Erst waren sie seine eigenen Erfinder, denn dass Bildung in der Schule mit Qualifikation verwechselt wird, hat hier eine sehr lange Tradition. Aber China hat uns, wie in vielen anderen Bereichen auch, überholt. Es hat mit der Einführung des Marktwirtschaftlichen Kapitalismus schnell begriffen, worum es geht: Konkurrenzdruck von Anfang an, bis in die kleinste Zelle der Gemeinschaft im Sinne globaler ökonomischer Wettbewerbsfähigkeit. Früher einmal, da sei das nicht so wichtig gewesen, da seien die Menschen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern vielmehr sehr gleich gewesen, eine Gleichheit, die neben der notwendigen Qualifikation auch ein großes Maß an Bildung ermöglichen konnte, erklärt Yang Dongping in „Alphabet“. So wie eben auch mein Vater ein sehr gebildeter Mensch ist – und das beziehe ich nicht auf den Meisterbrief, den er in unseren ersten Jahren im Westen machte.
Leistungsdruck von Aussen...
führt immer auch zu einem Verdrängen des Innern; Ich kenne Menschen, die haben soviel gelesen, dass sie (auch?) davon schier “blind” geworden sind. Das reicht bei manchen fast hin zur völligen Orientierungslosigkeit. Und dennoch lesen jene weiter und mehr und noch mehr. Wie Junkies der “Droge Bildung”. Wenn ich mit jenen spreche, kann ich kaum einen ganzen Satz von mir loswerden, ohne dass mein Gesagtes nicht in irgendein Zitat, von wem auch immer stammend, “einsortiert” wird. Manchmal scheint mir, jene halten das selbst gefundenen Wort und den eigenen Gedanken für nichts wert, oder gar nicht für wirklich möglich? Wer sich derart Verbildet, verbilden lässt, dem bleibt am Ende herzlich wenig, von sich selbst! Jeder Mensch sollte sich dringend sein eigenes Weltbild erlauben, und verteidigen. Denn nur so kann er sich selbst überhaupt erst “richtig sehn”. Und erst danach die Welt des andern…
George Müller Berlin
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danke.
guter Denkanstoss, wenn auch sehr kritisch
Worin die Autorin dieses vergleichsweise gut geschriebenen Artikels sicher recht hat, ist folgendes: Die Bildung eines Menschen laesst sich nur bedingt an dessen Bildungszertifikaten ablesen. Das Bildungssystem in Kombination mit dem in Deutschland traditionell sehr verbreiteten Bildungsstreben dient jedoch vor allem dazu: Die Grundbefaehigung jedes Menschen sich selbsstaending zu bilden zu gewährleisten, Disziplin, ohne die es keine wahre Bildung geben kann, hervorzurufen und im bestenfall Interesse und Neugier des Schülers und Studenten an klassischen Bildungsinhalten zu wecken. Dafuer braucht es keine Orientierung an China, einen solchen Wert auf Bildung hat dieses Land schon lange vorher an den Tag gelegt und das ist auch, trotz der erwähnten Schattenseiten eines uebermaessigen Leistungsdruck, gut so!
Nicht jedes Zertifikat gilt als Bildung
In D sind als Bildung nur bestimmte Sachen akzeptiert. Dazu zählen in aller erster Linie Hochschulabschlüsse. Ob jemand sich autodidaktisch weiterbildet isr weitgehend irrelevant und (außer für einen selbst) ohne größere Bedeutung. Wenn man damit zu einem Arbeitsplatz kommt, ist das wie der 6-er im Lotto, aber wohl kaum der Regelfall.
Eine positive Seite kann man den Zertifikaten aber durchaus abgewinnen. Wenn man sich für den Themenbereich interessiert, geben sie zumindest ein Ziel vor und helfen bei der Strukturierung des Lernens. Der TOEFL is allerdings ein schlechtes Beispiel, da dieser lediglich für 2 Jahre gültig ist und eher hilfreich für Leute, die in den USA studieren wollen, dort braucht man als Sprachnachweis oft einen bestimmten TOEFL-Score. Zum Angeben gibt es bessere Sprachzertifikate, die unbeschränkt gültig sind.
"Die Freude am Menschsein"
Auf dem Hurricane-Festival war Arcade Fire mit Reflektor zu hören. Seitdem kann ich nicht mehr richtig denken. “Die Freude am Menschsein”, in Anlehnung an Herrn Herack, aber düsterer gemeint. Es besteht jedoch Aussicht. Komplexe Musik, die zu dieses komplexes Blog passt.
Wollt ihr den totalen Wettbewerb?
Jaaaaaaaaa.
" man mag kaum glauben, ...
… dass der Westen einmal eine solche Definition von Bildung kannte”
Das mag dann wohl an Bildungslücken der Autorin liegen. Bis zum ersten Bild erinnert mich der Text nämlich auch an meine eigene Jugend im ach-so-fies kapitalistischen & kompetitiven Westen.
China ist so eine Sache für sich. Wobei ich dem zustimme, daß es in Deutschland Versuche gibt, das Bildungssystem (in dem es nunmal um Bildung geht, daher auch die Bezeichnung) in Richtung VRC zu verändern. Glücklicherweise gibt es aber auch da Gegenströmungen. Anders als in China ist das Bildungssystem eben doch pluralistischer & offener.
In China ist übrigens auch nicht alles (Prüfungs-) Gold, was glänzt. Ich habe jedenfalls größere Zweifel an der Validität der PISA-Ergebnisse. Die Ersteller der Studie behaupten zwar, diese seien weitgehend repräsentativ, aber das stimmt mit meinen Erfahrungen nicht überein.
Habe hier auch einige Jahre an einer chinesischen Elite-Uni unterrichtet & selbst bei den dortigen Studenten findet man doch gewaltige Bildungslücken, nicht nur in Geographie oder (sogar chinesischer) Geschichte, sondern auch in der Mathematik, in der chinesische Schüler angeblich so großartig sind.
Letzteres mag daran liegen, daß ich fast ausschließlich mit Sprachstudenten zu tun habe. Andererseits sind aber auch die Englischkenntnisse, die mir in China auch bei Englischstudenten (& bei Mittelschullehrern) begegnen, recht dürftig.
“Früher einmal […], da seien die Menschen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern vielmehr sehr gleich gewesen”
Guter Witz. Leidet der Mann an Mao-Nostalgie?
PS: Adjektive (wie chinesisch & deutsch) schreibt man im Deutschen idR klein.
Nun ist der westeuropäische Zertifikatsfetischismus wesentlich eine Gewerkschaftserfindung -
Er sollte und soll die Einstellung und Beförderung nach Vitamin B verhindern (und scheitert natürlich daran, übrig bleiben nur Zertifikate).
Davon abgesehen teile ich die geäusserte Befürchtung ausdrücklich nicht. Insbesondere in meiner Generation wuchsen nun wirklich genügend Schüler und Studenten (letztere in fast allen geisteswissenschaftlichen Disziplinen) mit der Vorstellung und der gelebten Praxis auf, dass Leistungsforderung so ähnlich wie Mord ist, Zensuren Lehrerterror und gute Schüler unangenehme Streber. Das ging hin bis zur Verteilung der Klausurfragen vor Klausuren, damit es ja keine schlechten Ergebnisse gab.
Und da finde ich einen Rückschwung in die andere Richtung nicht das schlechteste. Den ich in Deutschland noch nicht einmal erkennen kann. Denn man schadet insbesondere den guten, geistig leistungsfähigen, jungen Menschen mit Unterforderung ebenso stark, wie mit dem Gegenteil.
Leistungsfetischismus im deutschen Bildungswesen? Schön wär’s, es gäbe wieder Ansätze dazu. Wo die Autorin die erkannt haben will, ist mir ein echtes Rätsel.
Gruss,
Thorsten Haupts
Das Problem ist die "Un-Leistung" der älteren Generationen...
Ich möchte folgende These in den Raum stellen: nicht die betroffenen Schüler haben ein Problem mit der Leistung (und der damit verbundenen Selbstverwirklichung), sondern ältere Generationen haben ein Problem damit, dass da gerade eine jüngere Generation an ihnen vorbei zieht…
Schauen Sie sich einmal die Abgangsfotos von Abiturklassen an: da sehen Sie 20 gutaussehende Damen und Herren, die alle perfekt mit Smartphone, Instagram und Whatsapp umgehen können, deren Englisch besser ist als das der meisten 40-jährigen Deutschen und die in der übergroßen Mehrheit sehr auf die Definition ihres Körpers achten. Die meisten von ihnen werden nach dem Abitur ins Ausland gehen, dort womöglich sogar studieren, an Forschungsprogrammen teilnehmen (UNO und Co. bieten da eine ganze Menge an) und und und.
Daneben sitzen die Generation 30 bis 50, meist (leicht) übergewichtig, festgefahren im Job, das Smartphone ist eher eine Hassliebe, die Offenheit wurde abgelegt (oder war nie da) und das letzte Mal im Ausland war man auf Malle – mit Frau und plärrenden Kindern… ;)
Ich bin sicher daß Sie die Zitate kennen, stelle ich als These in den Raum:=)
Tadeln ist leicht; deshalb versuchen sich so viele darin. Mit Verstand loben ist schwer; darum tun es so wenige.
Anselm Feuerbach
Niemand urteilt schärfer als der Ungebildete, er kennt weder Gründe noch Gegengründe.
Anselm Feuerbach
Unter Intuition versteht man die Fähigkeit gewisser Leute, eine Lage in Sekundenschnelle falsch zu beurteilen.
Friedrich Dürrenmatt
MfG
W.H.
Ideal ;)
Sehen Sie, wären Sie jetzt 20, 30 Jahre jünger, hätten Sie mit ihren eigenen Worten antworten können…
Nichts für ungut ;)
Manchmal ist die Kunst der Antwort...
zu wissen was schon gedacht und schon geschrieben ist und es unverändert
weiter zu geben an die “Nächsten”, wenn der Klarheit der Gedanken und dem
geschriebenen Wort nichts mehr durch eigenes Denken hinzu zu fügen gilt:=)
…natürlich nicht’s für ungut:=)
Smartphonie
Sicher werden all die von Ihnen beschriebenen, gut aussehenden, durchtrainierten, mit allen modernen Kommunikationsmittel vertrauten und Fachjargon bewanderten jungen Menschen an uns vorbeiziehen. Wir werden sie dann wieder sehen, wenn sie auf uns warten, damit wir Ihnen den Reifen am Fahrrad flicken, ein elektrisches Gerät reparieren oder ein Regal gerade an der Wand festmachen sollen.
Es ist eben keine Bildung,
wenn man nur einen dollen Schulabschluß hat und mit einem Smartphone umgehen kann – das ist AUSbildung.
Bildung ist z.B. zu wissen, das die heute meist (leicht) übergewichtigen 30- bis 50-jährigen die ‘auf die Definition ihres Körpers achtenden 20-jährigen vor 10 bis 30 Jahren gewesen sind, die übrigens auch im Rahmen der technischen Möglichkeiten technisch affiner als ihre Eltern waren. Und zu wissen, dass die schlanken 20-jährigen von heute die übergewichtigen und festgefahrenen 30- bis 50-jährigen von morgen sind.
Bildung wäre auch z.B. zu wissen, dass die eine der ‘Unleistung’ der älteren Generation die Entwicklung der Smartphones gewesen ist, die Sie heute nutzen. Außerdem haben diese Unleister die technischen Plattformen entwickelt, auf denen Instagramm und WhatsApp betrieben werden.
Bildung hat auch etwas mit kritischer Selbstreflexion und einem verstehenden Werten von vergangenen Geschehnissen sowie dem Erkennen von grundsätzlichen Mustern in technischen und sozialen Systemen zu tun.
Und das Euer Englisch besser ist, glauben Sie doch selber nicht: Ihr habt doch schon mit der deutschen Grammatik und der Rechtschreibung mehr Problem als ein Hauptschüler der Abschlußklasse 1990… ;-)
Selbstüberschätzung gehört zum Abnabelungsprozess dazu
Selbstüberschätzung gehört zum Abnabelungsprozess dazu, sonst kommen die lieben Kleinen nie von der Mama los.
Volltreffer
Ihrem Kommentar ist im Grunde genommen nichts hinzuzufügen.
Das Bedienen eines Smartphones hat nun eben nichts mit Bildung zu tun. Das können natürlich die Teens und Twens quer durch alle Schichten unabhängig von der Bildung. Und selbst diejenigen Älteren, die nie ein solches Gerät hatten, können das ziemlich schnell lernen.
Stellt man diesen jungen Menschen eine Frage, die über deren fachliche Ausbildung hinausgeht, so erntet man häufig nur einen ratlosen Blick. Da hilft dann das Smartphone nur ganz bedingt.
Im Übrigen sehe ich heute deutlich mehr fette Teens und Twens als noch vor 20 – 30 Jahren.
Volltreffer - Ergänzung
Zur Erklärung: Mit Volltreffer meinte ich den Kommentar von Gereon Savoy
Dieser Beitrag gefällt mir außerordentlich gut.
Mir ist soviel dazu eingefallen, das ich selber “10” ähnliche Beiträge dazu schreiben könnte:=)
Aber wozu, Ihr Beitrag reicht zum “Tief”mit”denken”.
Glück ist Selbstgenügsamkeit.
Aristoteles
Nicht wer wenig hat, sondern wer viel wünscht, ist arm.
Lucius Annaeus Seneca
Wir unterschätzen das, was wir haben und überschätzen das, was wir sind.
Marie von Ebner-Eschenbach
Manche halten einen ausgefüllten Terminkalender für ein ausgefülltes Leben.
Gerhard Uhlenbruck
Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.
Mahatma Gandhi
Wem genug nicht reicht, dem reicht auch nicht mehr als genug.
Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.
Molière
…unserer Seele die Chance zu geben “Zeuge der Schöpfung, der Evolution, der Natur” zu sein,
denn das ist es was sie braucht, zum “Seelenfrieden” = “Dauer-Glück”.
Gute Bildung als gute Basis für gute Vernunftbildung darf natürlich nicht vernachlässigt werden.
Bildung, ausschließlich zum Zweck “Wirtschaftsfaktor”…s. Gegenwartgeschichte.
Gruß
W.H.
...
Am Ende bleibt die Frage, ob wir eine Ansammlung von Eindrücken einer biologischen Überlebensmaschine sind oder ob das Universum etwas Größeres vorhatte. Ob es überhaupt etwas vorhatte, denn das Kausale endet, physikalisch betrachtet, recht schnell. Ja, und so kommt man dann vielleicht auf einen grünen Zweig, der hübscher ist als japanische Apfelblütenzweige, obwohl manche denken, dies sei nicht möglich.
So lange das nicht geklärt ist, hat man zu nichts eine ausreichende Antwort; aber damit kann man leben, weil da auch keine Fragen mehr sind.
...aber damit "kann man" leben,...
“muß man” sogar, möglichst “Seelen-Frieden-vernünftig”:=)
Uff
Heute haben Sie keinen kleinen Mittagstisch serviert, sondern ein Menu. Ich werde Stunden brauchen, um über alles nachzudenken. Im Moment bin ich, was die Fülle betrifft, überfordert.
A bientôt,
liebe Grüße
das tut mir leid. mir ist bewusst, dass es ein großes Fass ist.
viele Grüße
Aber nein,
das muss Ihnen doch nicht leidtun. Die einzige leidvolle Erfahrung beim Lesen, war das Gefühl der Ehrfurcht vor dem Text. Das muss sich erst noch setzen.