Pop-Anthologie

The Shins: „New Slang“

Das Ende von etwas – oder doch der Beginn? Mit dem Song „New Slang“ haben The Shins den Indie-Rock in die Beziehungskrise gestürzt. Was hat er im Kopfhörer von Natalie Portman zu suchen?

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© picture-AllianceNatalie Portman als Samantha in dem Film „Garden State“

The Shins: „New Slang“

Gold teeth and a curse for this town were all in my mouth.
Only I don’t know how they got out, dear.
Turn me back into the pet I was when we met.
I was happier then with no mind-set.

And if you’d `a took to me like a gull takes to the wind
Well, I’d `a jumped from my tree
And I’d `a danced like the king of the eyesores
And the rest of our lives would `a fared well.

New slang when you notice the stripes, the dirt in your fries.
Hope it’s right when you die, old and bony.
Dawn breaks like a bull through the hall,
Never should have called
But my head’s to the wall and I’m lonely.

And if you’d `a took to me like a gull takes to the wind.
Well, I’d `a jumped from my tree
And I’d `a danced like the king of the eyesores
And the rest of our lives would `a fared well.

Godspeed all the bakers at dawn
May they all cut their thumbs,
And bleed into their buns `til they melt away.

I’m looking in on the good life I might be doomed never to find.
Without a trust or flaming fields am I too dumb to refine?

And if you’d `a took to me like
I’d `a danced like the queen of the eyesores
And the rest of our lives would `a fared well.

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Das erste Mal hörte ich „New Slang“ in einem Sommerurlaub. Jemand, den ich sehr gern hatte, setzte mir unverhofft Kopfhörer auf, und aus ihnen kam eine luftige Mischung aus Indie-Folkrock und Country mit einer sehr eingängigen Melodie. Es war schön. Auf den Text achtete ich damals gar nicht.

Die Bedeutung dieser Geste wurde mir erst viel später klar, als ich den Film „Garden State“ anschaute: Darin nämlich setzt Natalie Portman im Krankenhaus Zach Braff, mit dessen Kopf in dem Film etwas nicht stimmt, Kopfhörer mit „New Slang“ auf. Sie schaut ihn dabei tief an, sagt „This song will change your life“, und an seiner Reaktion und ihrer Reaktion auf seine Reaktion kann man ablesen, dass es der Beginn von etwas ist.

Das ist seltsam, denn im Text zu „New Slang“ geht es um das Ende von etwas. Es ist eine sehr verbitterte Abrechung mit einem bisherigen Leben und auch mit jemandem. Ihm oder ihr sagt der Sänger: „Hope it’s right when you die old and bony“. Also nicht ganz das, was man seinem Sweetheart zum Frühstück sagt. Immerhin, er nennt sie oder ihn noch „dear“. Aber die Wut ist groß.

Wenn man erstmal kapiert hat, dass es sich bei diesem Lied um eine sehr beleidigte Anklage handelt, wird es zumindest etwas klarer – aber leicht zu verstehen, geschweige denn zu übersetzen, ist es bei weitem nicht. Der da singt, ist im Aufbruch, will die Stadt verlassen, die er verflucht. „Gold teeth and a curse for this town / were all in my mouth“. Wenn es stimmt, dass Goldzähne in Amerika einmal ein Zeichen für gewonnene Freiheit von Sklaven waren, gleichbedeutend etwa mit einem ausgestreckten Mittelfinger in Richtung ihrer ehemaligen Herren, dann wäre es also eine verdoppelte Hassgeste, die den Auftakt zu diesem Lied setzt.

Die „Erzählsituation“ stelle ich mir so vor, dass der Sänger schlaflos am Fenster steht und irgendwie von oben auf seine Stadt schaut. Der Morgen dämmert gerade, aber es ist – Cat Stevens und unzähligen anderen Sonnengruß-Sängern zum Trotz – überhaupt kein schöner Morgen. „Dawn breaks like a bull through the hall. Never should have called / But my head’s to the wall and I’m lonely.“ Das ist die Lage: Er hat doch wieder angerufen, bereut es aber schon.

Er denkt an den Anfang zurück: „Turn me back into the pet I was when we met. / I was happier then with no mind-set.“ Als wir uns kennenlernten, war ich ein Kuscheltier, soll das wohl heißen, jetzt habe ich eine Haltung (nämlich in etwa: so’n Hals!), wäre aber lieber wieder so unschuldig wie zu Beginn.

An der traurigsten Stelle des Lieds, die sich später auch leicht variiert wiederholt, gehen die Metaphern etwas durcheinander.

„And if you’d `a took to me like a gull takes to the wind.
Well, I’d `a jumped from my tree
And I’d `a danced like the king of the eyesores
And the rest of our lives would `a fared well.“

Hättest du mir vertraut wie eine Möwe dem Wind, wäre ich von meinem Baum gesprungen und hätte getanzt wie ein Irrer, so dürfte man hier vielleicht etwas freier übersetzen, oder: Wärst du Möwe gesegelt, wär‘ ich Affe ausgeflippt vor Glück. Unübersetzbar und in Teilen kryptisch hingegen bleibt die Stelle, an der dann der Liedtitel auftaucht:

„New slang when you notice the stripes, the dirt in your fries“.

„New Slang“ muss man sich hier vielleicht wie eine Bemerkung in Klammern vorstellen, wie eine Fußnote, die besagt, dass ein Slangausdruck getilgt wurde, wahrscheinlich ein Schimpfwort.

Naiv – oder weise?

So würde dann jede der drei Strophen mit einem verkappten Fluch beginnen: hier einer über Dreck in den Pommes oder das sprichwörtliche Haar in der Suppe. Und auch das scheinbar wohlwollende „Godspeed all the bakers at Dawn“ zu Beginn der dritten Strophe ist wohl sarkastisch gemeint, wird doch diesen frühmorgens fleißig arbeitenden Bäckern anschließend gewünscht, sie mögen sich alle in die Finger schneiden und in die Brötchen bluten.

An diesem Punkt des Lieds stelle ich mir vor, dass der Sänger draußen und „auf der Flucht“ ist, während ihm noch ein Brötchenduft in die Nase steigt, vielleicht sitzt er auch im Auto und fährt an Stationen des alten Lebens vorbei, sieht, was er nicht haben kann:

„I’m looking in on the good life I might be doomed never to find.
Without a trust or flaming fields am I too dumb to refine?”

Der Liedtext endet so traurig, skeptisch und unversöhnlich, dass es kaum zum Aushalten ist, und die Musik scheint der Botschaft auf das Schärfste zu widersprechen, was den Gesamteffekt noch zynischer macht.

Wie kommt also die Figur der Natalie Portman in „Garden State“, einem Film über das Erwachsenwerden, dazu, ausgerechnet dieses Lied ihrer neuen Bekanntschaft auf die Ohren zu setzen – ein böses Lied, in dem sich jemand emotional völlig entblößt? Vielleicht ist sie naiv. Vielleicht aber auch sehr weise. Sicher ist: Das Lied bekommt durch diese – sozusagen metafiktionale – Rahmung eine ganz neue, alles auf den Kopf stellende Bedeutung. Das ist schön.

Und was lernt man jetzt daraus? Manchmal setzt das Leben dir Kopfhörer auf, in denen The Shins drin sind. Und manchmal lächelt dich dabei jemand so an wie Natalie Portman.