Blogseminar

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Diskutiert werden das Leben der Studierenden, aktuelle Fragen der Hochschulpolitik sowie die Zweiheit von Forschung und Lehre.

Dollase vs. Mensa (18)

| 9 Lesermeinungen

Die Auswahl ist kaum zu überbieten, den Teller dürfen sich die Studenten selbst füllen. Aber wie gut ist das Essen an der TU Berlin – merkt man der Mensa die Weltstadt an?

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Video: Jürgen Dollase testet die Mensa der TU Berlin (Hardenbergstraße)

Alle Mensatests finden Sie hier.

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Willkommen in der Höhle des Löwen, will sagen: in Berlin, wo sich auch der Sitz des Deutschen Studentenwerks (also der Vereinigung aller Studentenwerke) befindet. In  dieser Organisation gibt es ein „Referat Hochschulgastronomie“, und auf der entsprechenden Website findet man „Die Qualitätsleitlinien“ in 10 Punkten. Ich empfehle sie dringend zur Lektüre, weil sie – neben einer ganzen Reihe von Aspekten, die unbedingt einer Überarbeitung bedürften – ein Grunddilemma klar machen. Dazu gleich eine erste kleine Anmerkung.

Man darf sicher davon ausgehen, dass so nah an der Zentrale die Arbeit der Berliner Mensen nicht weit von dem entfernt ist, was man sich bei den Studentenwerken als „gut“ vorstellt. Und tatsächlich bietet das Konzept der großen Mensa der Technischen Universität an der Hardenbergstraße eine Menge positiver Dinge. Das fällt schon beim Studium der Speisekarte auf. Es gibt eine Vorspeise, eine Salatbar, zwei Suppen, ein Gericht in der Abteilung „Aktion Grill und Pfanne“, ein Gericht in der Abteilung „Aktion Ofen“, ein „Tellergericht“ (also ein fertiges Gericht ohne Variationsmöglichkeiten, in diesem Falle ein „Grüner Bohneneintopf mit Lamm“), ein „Bio-Essen“, das „Essen 1“, das „Essen 2“, das „Essen vegan“ und drei Desserts.Dazu kam – außerhalb der Karte – auch noch ein Tagesgericht, nämlich ein Kräutercrêpe mit Hackfleischsauce.

Sind wir beim Essen oder beim TÜV?

Alle Gerichte haben ihre Stationen, an denen es zusätzlich insgesamt sechs verschiedene Beilagen gibt. Im wesentlichen herrscht Selbstbedienung, was automatisch auch bedeutet, dass die Portionsgröße in den Händen der Kunden liegt – ebenso wie die endgültige Zusammenstellung der Gerichte. Diese hohe Anzahl von Variablen führt dazu, dass quasi jedes Tablett, das an der Kasse ankommt, anders aussieht. Und wenn man sich so ansieht, wie diese Freiheit genutzt wird, bemerkt man erstens durchweg große Portionen und zweitens manch seltsame Kombination (wenn etwa ein Dessert über ein herzhaftes Gericht – sagen wir: gekippt wird).

Wie dem auch sei: trotz des großen Ansturms halten sich die Schlangen und die Wartezeiten in Grenzen, und weil die Bedienung vor allem zum Nachfüllen der Behälter da ist, kann schnell erkannt werden, wo Nachschub nötig wird. Die an dieses System gewöhnten Studenten legen auch ein weitgehend entspanntes Verhalten an den Tag, benehmen sich also nicht wie Gäste in Hotels mit Halbpension, wo das Menü abends mit Vorspeisen vom Büfett beginnt, was regelmäßig zum regelrechten Abräumen der besten Sachen führt, und das genau eine Minute nach Öffnung des Büfetts … Wenn man sich jetzt – um bei den Wahlmöglichkeiten zu bleiben – zum Beispiel neben den Beilagen und der Möglichkeit, auch die Saucenmenge selber zu bestimmen, auch noch eine an die Salatbar angelegte Theke vorstellt, die mit diversen sensorisch besonders wirksamen Elementen bestückt wäre, hätte das Ganze vom Prinzip her schon weitreichende Perspektiven.

Die Frage ist nun natürlich, wie es mit der Qualität der kulinarischen Details aussieht. Dazu habe ich im Video etwas gesagt. Die Frage ist aber auch, in wieweit bei großen Wahlmöglichkeiten die Esser an der Qualität des Endproduktes beteiligt sind. Ein Beispiel: Ob man die „Gebackenen Tintenfischringe mit Knoblauchmayonnaise“ mit der Beilage „Dampfkartoffeln“, „Süßkartoffelpüree“, „Vollkornspiralnudeln“, „Gelber Reis“, Mediterranes Gemüse“ oder „Dicke Bohnen mit Salbei“ begleitet, ist – sagen wir: kein grundlegendes Problem. Es gibt sicher eher besser und eher schlechter Geeignetes (das mediterrane Gemüse wäre in der präsentierten Form zu dominant), aber im Grunde geht alles irgendwie. Würde man aber bei den Saucen – ganz hypothetisch – eine Nusscreme mit Kokos und ganzen Nüssen dazu anbieten, könnte man die Frage stellen, ob die harten Texturen und die kräftigen Aromen nicht den Tintenfisch so in den Hintergrund drängen, dass die Kombination sinnlos wäre. Es sollte klar werden, dass Wahlmöglichkeit und Qualität des Endproduktes in einem Zusammenhang stehen und eine bewusste, von gewissen kulinarischen Kenntnissen (besonders hinsichtlich der Proportionen) beförderte Auswahl das Essen erheblich verbessern kann. Dazu demnächst mehr.

Noch einmal zurück zu den „Qualitätsleitlinien“ des Studentenwerkes und der Bitte, sich sie einmal anzusehen. Ich werde sie hier demnächst diskutieren und Vorschläge zur Spezifizierung machen. Meine Frage vorab: sind wir hier beim Essen oder beim TÜV? Hat bei diesen Leitlinien nicht furchtbar viel mit technischen Termini zu tun und sehr wenig mit kulinarischen Aspekten? Mit Genuss und Sensibilisierung, mit der Faszination für das große Spektrum des kulinarischen Angebotes, das, wie wir mittlerweile wissen, selbst unter den Zwängen von Großküchen funktionieren kann?

Mit den besten Grüßen, Ihr Jürgen Dollase

Alle Mensatests finden Sie hier.


9 Lesermeinungen

  1. martin sagt:

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    Meiner Meinung nach, ist die Tu Mensa eine der schlechtesten in den ich je war. (ich habe wirklich lange überlegt ob ich es schreibe aber alles andere wäre gelogen)
    Ich esse zurzeit fast täglich in der Mensa und ja es gibt auch Essen, die ganz gut sind. Leider ist der Durchschnitt nicht so toll, mit der Zeit kennt man die Gerichte und weiß von welchen man lieber die Finger lässt. Was nicht getestet wurde, ist das Gemüse, das ist in der Regel nicht zu empfehlen. Ähnlich die “Salatbar” hier gibt es jeden Tag die gleiche Auswahl, und zwar Döner-Salat: Salatblätter, Weißkraut, Rotkraut, Gurke, Tomate und abwechselnd mal Paprika oder Mais. Jeden Tag.

    Ich habe selber die Tintenfischringe gegessen und die waren wirklich gut. Aber mal im Ernst wurden die wirklich selber gemacht? Ich hätte jetzt vermutet, dass die Ringe aus dem Tiefkühler kommen. Sonst steht da fast immer ganz groß “Hausgemacht” davor. Vielleicht unterschätze ich auch einfach meine Mensa..

    • Jürgen Dollase sagt:

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      Lieber Martin, ja, Abstumpfung macht Essen nicht unbedingt besser. Aber – nur am Rande erwähnt – das gilt auch für ein Essen, das nur aus – sagen wir – 3 Dingen besteht (Fleisch, Sauce, Sättigungsbeilage). Man hat erforscht, daß zuviel des Gleichen ebenfalls abstumpft.
      Ich möchte aber etwas zum Thema “Tiefkühler” sagen. Grundsätzlich sind gute Tiefkühlprodukte kein Problem. Bis hinein in die absolute Spitzenküche werden heute Tiefkühlprodukte benutzt, wenn auch nur in begrenzten Produktgruppen wie z.B. bei exzellenten, sehr großen Garnelen. Gute Tiefkühlprodukte sind allerdings begrenzt auf Produkte, die eine gewisse Zeit des Einfrierend problemlos überstehen. Außerdem geht es um die Zubereitung: Wenn Tintenfischringe wie hier in einer Art Tempurateig ausgebacken werden, wird kein Mensch merken, ob sie TK sind oder nicht. Wohlgemerkt: ich rede hier nicht von dem, was uns Discounter meist anbieten. Da ist die Produktqualität oft zu bescheiden, daß die Tiefkühlung ohnehin nichts mehr ausmacht…Ich persönlich halte zum Beispiel die eingefrorenen Lachsstücke mancher Hersteller für ausgesprochen brauchbar – und zwar selbst für eine “Spezialgarung” für 38/39° Kerntemperatur (das ist die Temperatur, bei der der Lachs noch seine normale rohe Farbe hat, aber schon warm ist (also noch nicht die Farbe und den Geschmack des durchgegarten Lachses hat). Man hält sich beim Auftauen allerdings nicht an die Vorgaben der Händler, sondern taut die Stücke unter fließend warmem Wasser kurz an und läßt sie dann bei Raumtemperatur durchziehen bis zu weich sind. In diesem Zustand ist das TK-Produkt dann sehr gut zu verarbeiten.

  2. Alsaya sagt:

    Doch
    Sehr gefährlich, am Freitag links Dampfnudeln, rechts Fisch, mitte links Vanillesoße, mitte rechts weißliche Soße, jeder zehnte läßt sich optisch leiten…

  3. MuZi sagt:

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    Das es bei dieser Art von Selbstbedienung, die wildesten Kreationen, man könnte auch sagen Kreaturen, raus kommen ist klar. Die andere Seite, die mich interessieren würde, was hier weggeworfen wird ????!!!! Da üblicherweise die Augen grösser sind als der Hunger.
    Dies ist ebenfalls ein grosses Thema in der Betriebsgastronomie, darum ist SB nicht das wahre.

    • Jürgen Dollase sagt:

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      Lieber MuZi,ja, ich habe doch einige Reste gesehen, die sicherlich nicht von geschmacklichen Problemen herrührten, sondern wo ganz einfach die Portion zu groß gewählt war…

  4. noch ein Gast sagt:

    Geschmack? Leidenschaft?
    Bezeichnend, daß laut Leitlinien der Mensen das Essen nicht schmecken muß – kein Wort dazu.

    • Jürgen Dollase sagt:

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      Lieber noch ein Gast, ich werde die Leitlinien demnächst genauer analysieren und kritisieren. Sie sind ein Synonym dafür, wie in Deutschland oft mit dem Essen umgegangen wird und ein Symptom für eine Gesellschaft, die kulinarisch nicht im Lot ist.

  5. Gast sagt:

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    Hab das gelesen, kann dazu nur sagen dass ich noch nie jemanden gesehen habe der auf den selben Teller Dessert und herzhafte Speise “gemischt” hat (wäre auch unter Normalbenutzung der Mensa nicht möglich, da es für Dessert und anderer Speise jeweils einen Teller gibt, auf die die beiden Sachen zusammen keinen Platz finden würden). Und die “vorgeschlagenen Kombinationen” für ein Steak z.b. sind erstens hinter derselben Theke (z.b. gemüse, kartoffeln, reis) und zweitens kulinarisch gedacht zum gericht passend (jedenfalls beim “vorstellen”, die beilagen oder hauptgerichte schmecken manchmal nicht ganz wie erwartet). Wenn man sich sein Essen verhunzen will kann man natürlich von einem Stand zum anderen gehen und die unpassendsten Sachen kombinieren, das entspräche dann aber im Restaurant der Aufforderung an den Koch ebendiese Kombination auf Wunsch zusammenzustellen.

    • Jürgen Dollase sagt:

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      Lieber Gast, da ich die Freiheit der Kombinationsmöglichkeiten recht entspannt sehe, fehlt mir da erst einmal der kritische Aspekt und ich sehe sogar einen kreativen…Ich hätte nicht darüber geschrieben, wenn es mir nicht aufgefallen wäre, und zwar mehrfach. Einen Klacks vom Fruchtquark obenauf kann man sich übrigens vielleicht sogar unbemerkt von der Kasse gönnen…Das “Verhunzen” von Essen halte ich übrigens für eines der merkwürdigsten Black Box-Phänomene, d.h. wir wissen nicht, welche merkwürdigen Angewohnheiten sich im privaten Rahmen ausbilden – es sei denn, wir treffen zufällig auf sie. Berüchtigt sind jedenfalls Saucen von Kräuter-Schmelzkäseecken und die Kombinationen von Marmelade mit buchstäblich allem, was nicht Niet- und nagelfest ist. Im Endeffekt glaube ich an die Freiheit möglichst großer Wahlmöglichkeiten, hätte dann aber auch den Wunsch, möglichst sinnvolle “Tools” zu entwickeln.

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