Wissenschaftler sollen verständlich sprechen. Aber nicht jeder ist ein Drosten. Kann man allgemeine Verständlichkeit lernen? Das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation ist davon überzeugt.
***
Ob Bachelorstudent oder grauhaariger Wissenschaftler, es gibt eine Sache, die sich in der Universitätslaufbahn nicht ändert: Forschungsergebnisse wollen verständlich kommuniziert werden. Wissenschaft thront nicht in einem Elfenbeinturm, sie befindet sich mitten in der Gesellschaft. Eltern interessieren sich für die Masterarbeit des Kindes, Geisteswissenschaftler versuchen jahrtausendealte Fragen zu beantworten, und große Teile der Bevölkerung warten auf Lösungen für die Probleme, die mit dem Klimawandel einher gehen. “Die Wissenschaft ist ein zentraler Motor unserer Gesellschaft. Miteinander in den Dialog zu treten, ist daher wichtig”, sagt Beatrice Lugger, Direktorin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik) in Karlsruhe.
Zwei Drittel aller Deutschen vertrauen der Wissenschaft “voll und ganz” oder “eher”, wie das Wissenschaftsbarometer der Initiative Wissenschaft im Dialog in einer repräsentativen Umfrage im Mai dieses Jahres herausfand. Ein Viertel sei unentschieden. Nur jeder Zehnte gab an, der Wissenschaft “nicht” oder “eher nicht” zu vertrauen. Trotz der geringen Zahl der Skeptiker – die öffentlichen anti-wissenschaftlichen Stimmen von Klimaskeptikern und Corona-Verweigerern sind ein beachtetes Phänomen der Fake-News-Ära. “Wissenschaftler sollten unbedingt in der Lage sein, hierzu eine Gegenstimme zu liefern”, sagt Lugger. Es hört sich banal an, aber vor allem sie können das öffentliche Bild der Wissenschaften beeinflussen. Forscher wissen, wie Wissenschaft funktioniert, dass sie ein langsamer Prozess ist und sie ebenso aus Ergebnissen wie aus Scheitern besteht. Darüber sollte man mehr sprechen, findet Lugger.
Gute Wissenschaftskommunikation heißt also nicht einfach, Forschungsergebnisse verständlich zu kommunizieren, sondern als Wissenschaftler mit der Bevölkerung in einen Dialog zu treten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Ergebnisse der Wissenschaftler können mitunter Anwendung finden und die Forscher können Rückkopplungen aus der Gesellschaft aufnehmen. Lugger hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Gespräch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern. Dabei setzen die studierte Chemikerin und ihr Team bei den Wissenschaftlern selbst an und fördern deren Kommunikationsfähigkeit. Denn wenn es Forschenden nicht gelingt, ihre Themen allgemeinverständlich auszudrücken, liegt das meist nicht an mangelnder Intelligenz der Bevölkerung, sondern an den Wissenschaftlern selbst. Und wo niemand etwas versteht, kann kein Dialog stattfinden.
Die zwölf Stilregeln
Der Knackpunkt für gute Wissenschaftskommunikation scheint zu sein: Wissenschaftler müssen eine Übersetzungsarbeit aus der Fach- in die Alltagssprache leisten. Dabei müssen sie ihre Kernbotschaft bewahren. Zwar ist die Fachsprache gut und wichtig, ermöglicht doch sie erst den genauen Blick der Wissenschaft. Genauso wichtig ist es als Experte aber, die Detailversessenheit auf ein notwendiges Minimum reduzieren zu können, sodass der Inhalt noch richtig ist, die Aussage aber ohne fachsprachliches Wörterbuch verstanden werden kann. Eine leichte Aufgabe ist das nicht. Die Fachsprache in den Wissenschaften hat zugenommen. Zu dem Ergebnis ist das schwedische Karolinska-Institut gekommen, das Fachzeitschriften verschiedenster Disziplinen von 1881 bis 2015 auf ihren prozentualen Anteil von Fachwörtern untersucht hat. Überdies ist die Wissenschaftssprache in den meisten Disziplinen Englisch und für viele Begriffe gibt es keine deutsche Übersetzung. In diesem Dschungel der Unwägbarkeiten müssen Wissenschaftler die richtigen Worte finden.
“Wichtig ist, sich an seinem Gegenüber zu orientieren. Kommunikation muss auf Augenhöhe geschehen”, sagt Lugger. Das ist zwar eine Binsenweisheit, aber die Umsetzung bleibt eine Herausforderung. Wäre es anders, gäbe es ja keine Probleme. Luggers Institut bietet daher Seminare zur verständlichen Kommunikation auf Augenhöhe an. Erfolgreiche Kommunikation heißt für sie: zielgruppengerechte Kommunikation. Dabei seien fünf Faktoren zu berücksichtigen: Wer ist meine Zielgruppe? Welcher Sprachstil ist passend? Welches Thema interessiert meine Zielgruppe? Welches Ziel verfolge ich? Welches Medium nutze ich dafür? Für den passenden Stil vermittelt das Institut zwölf einfache Regeln, die helfen, sich einfach auszudrücken. Auch viele Texter oder Journalisten richten sich danach. Die zwölf Stil-Regeln hat das NaWik in Form eines Kleeblatts visualisiert. Die Aussage ist klar: Das Glück, verstanden zu werden, liegt so nah.
Um zu überprüfen, ob man die Regeln der klaren Kommunikation verinnerlicht hat, empfiehlt die NaWik-Direktorin eine Art Probe: “Man sollte in drei knackigen Sätzen formulieren können, woran man gerade arbeitet.” Wer das schafft, hat seine Kernbotschaft gefunden. Bis es soweit ist, heißt es: Üben. Damit kann man nicht früh genug anfangen. Es ist schon paradox. Im Studium werden junge Menschen fit für die Wissenschaft gemacht, sie lernen, mit sperrigen Begriffen umzugehen und komplex zu denken. Werden sie Wissenschaftler, sollen sie das kompliziert Gelernte dann plötzlich auch einfach ausdrücken können, um in den geforderten Dialog mit allen eintreten zu können. Gelernt haben sie das aber nie. Wenn es nach Lugger ginge, würde die Wissenschaftskommunikation zur curricularen Ausbildung eines Wissenschaftlers gehören.
Freilich hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten einiges getan. 1999 unterzeichneten die wichtigen deutschen Wissenschaftsorganisationen das Memorandum PUSH (“Public Understanding of Sciences and Humanities”), indem sie sich dazu verpflichteten, den Dialog mit der Öffentlichkeit zu fördern. Seitdem werden Kommunikationspreise vergeben, der Bundestag diskutiert immer wieder über die Relevanz der Wissenschaftskommunikation und 2012 wurde das gemeinnützige NaWik von der Klaus-Tschira-Stiftung und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ins Leben gerufen, um die Ausbildung in wissenschaftlich verständlicher Kommunikation zu fördern. Am KIT wurde auch ein Departement für Wissenschaftskommunikation gegründet, das nicht nur professionelle Kommunikatoren ausbildet, sondern die Wissenschaftskommunikation auch wissenschaftlich betrachtet. Im September veranstaltete das NaWik zum ersten Mal eine Konferenz für kommunizierende Wissenschaftler, die künftig jährlich stattfinden soll.
Dass die Wissenschaftskommunikation noch starken Verbesserungsbedarf hat, darin ist sich Lugger sicher. Bisher liege die Hauptanstrengungen meist in der institutionellen Kommunikation, also zwischen professionellen Öffentlichkeitsabteilungen und Kommunikatoren. Tatsächlich haben fast alle Universitäten und Institute heute gut funktionierende Öffentlichkeitsabteilungen – “innerhalb des Wissenschaftssystems gibt es bisher aber kaum Anerkennung für jene, die sich für die Wissenschaftskommunikation engagieren”, sagt Lugger. Wie könnte man Abhilfe schaffen? Vor allem die zentralen Ressourcen Zeit und Geld, sagt Lugger. Also alles wie immer. Derweil können Studierende und Forschende schon einmal in ihrer Freizeit üben, die eigene Forschung in drei Sätzen darzustellen. Das kann eine Menge Einsichten auslösen.