Blogseminar

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Diskutiert werden das Leben der Studierenden, aktuelle Fragen der Hochschulpolitik sowie die Zweiheit von Forschung und Lehre.

Studentenjob: Bestatterin

Neben der Uni wird sie zu Sterbeorten gerufen: Isabel arbeitet in einem Bestattungsunternehmen, um sich ihr Studium zu finanzieren.

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Bestatterin beim Auskleiden eines Sarges

Isabel hatte in ihrem Leben schon viele Nebenjobs – mal in der Kneipe, mal an der Tankstelle und mal auf der Baustelle. „Immer wurde mir gesagt, ich solle mehr lächeln“, sagt die Studentin, die sich selbst eher einen „neutralen“ Gesichtsausdruck zuschreibt. Seit einem Dreivierteljahr arbeitet Isabel nun in einem Bestattungsinstitut. „Das ist der erste Job, bei dem ich mich freue, auf die Arbeit zu kommen und bei dem ich aufpassen muss, nicht zu viel zu lächeln“, sagt sie.

Wie viele Studierende ist Isabel darauf angewiesen, neben dem Studium zu arbeiten. Sie hat gerade den Master Industrial Management an der Hochschule Mittweida in Sachsen begonnen. Zuletzt jobbte Isabel in einem Fastfood-Restaurant, aber durch die Pandemie konnte sie dort nicht mehr bleiben. Da sie sich schon immer viel mit dem Tod auseinandergesetzt hat und auch gern körperlich arbeitet, kam ihr ein Job im Bestattungswesen in den Sinn. „Ich habe dann einfach bei mehreren Unternehmen angerufen“, sagt Isabel. Manche waren skeptisch, da sie Frauen die schwere Arbeit nicht zutrauten. Letztendlich luden aber mehrere Firmen Isabel zum Gespräch ein.

Probearbeiten mit Leiche

Eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft gibt es seit 2003, aber prinzipiell darf in Deutschland jede Person als Bestatter oder Bestatterin arbeiten. Das Wichtigste für den Job sei, dass man den Anblick von Toten, den Geruch, die Verwesung und auch den Kontakt mit den Angehörigen „abkann“, meint Isabel. An ihrem ersten Tag musste sie zusammen mit ihrem Kollegen eine „Probeleiche“ fürs Krematorium fertig machen. Die Chefin hatte Isabel zuvor gewarnt, dass es immer wieder Menschen gebe, die den Umgang mit Leichen nicht verkraften und umkippen. Aber für Isabel war das kein Problem. „Ich denke dabei nicht viel nach. Es ist mir lieber, jemanden tot zu sehen als eine Geburt“, sagt sie.

Seit Frühjahr 2020 arbeitet Isabel nun als Pauschalkraft auf Minijobbasis im Bestattungswesen. Sie hat kaum feste Arbeitszeiten, sondern ist in der Regel drei Wochen im Monat auf Bereitschaft. Dafür gibt es einen Grundbetrag, ansonsten wird nach Stunden bezahlt. Jederzeit kann sie zu einer Abholung gerufen werden, aber meist klingelt das Telefon tagsüber. Dann zieht sie sich ihren schwarzen Hosenanzug an und fährt zum Bestattungshaus, wo bereits der Kollege mit Leichenwagen, Leichensack, Laken und „Unmengen an Desinfektionsmittel“, wie Isabel sagt, wartet. Bei Verstorbenen, die mit Sars-CoV-2-infiziert waren, kommen noch Ganzkörperanzüge dazu.

Ein Großteil der Menschen stirbt im Krankenhaus oder Pflegeheim, Hausabholungen sind selten. Am Sterbeort angekommen wird der verstorbene Mensch von Isabel und ihrem Kollegen – meistens arbeitet sie mit Männern zusammen – in ein Laken gewickelt und auf eine Trage gezogen. Das schwere Heben macht Isabel, die viel Sport betreibt, nichts aus: „Zusammen mit meinem Kollegen hebe ich auch gute 120 Kilo und mehr.“ Bevor die Leiche abtransportiert wird, macht Isabel noch das Bett der verstorbenen Person, „wie ich es mir auch für mich selbst wünschen würde“. Bis über die Bestattung entschieden ist, kommen die Toten erst einmal in die Kühlung.

„Viele sind mit dem Tod eher distanziert“

Die wenigsten Angehörigen möchten die Verstorbenen noch einmal sehen. „Viele sind mit dem Tod eher distanziert“, sagt Isabel. Meist werden die Toten schnell eingeäschert. Dafür kleidet Isabel sie nur in einen Talar und bringt sie in einem einfachen Sarg ins Krematorium. Wenn der oder die Verstorbene aufgebahrt werden soll, kümmert sich Isabel auch ums Waschen, Haare machen und Schminken. Die Aufgabenteilung im Unternehmen ist eigentlich recht simpel: „Die einen machen das ‚Körperliche‘, die anderen beraten die Angehörigen und erledigen die Formalitäten.“ Derzeit wird Isabel jedoch auch für die Bürotätigkeiten angelernt, um Beratungsgespräche zu führen und auch diese Seite des Bestattungswesens kennenzulernen.

Der Job passe zu ihrer von Arthur Schopenhauers pessimistischer Grundhaltung geprägten Einstellung zu Leben und Tod, meint Isabel. Der Tod gehöre zum Leben dazu. Der respektvolle Umgang mit den Toten ist ihr wichtig, was sie auch mit ihrem Interesse an naturreligiösen und heidnischen Weltanschauungen begründet.

Ein guter Plan B

Beeinflusst wurde Isabel auch von ihrem Lieblingsmusikgenre, Funeral Doom Metal, einer Spielart des Metals, in der sich intensiv mit Verzweiflung und Tod auseinandergesetzt wird. Die Musik ist eher langsam und von einer melancholischen Grundstimmung geprägt. „Mich entspannt die Musik, sie macht mich glücklich“, sagt Isabel, die sich selbst nicht als traurigen Menschen bezeichnet.

Obwohl natürlich niemand weiß, wann die Menschen sterben, ist der Job mit Isabels Studium gut vereinbar. Zurzeit hat sie sowieso nur Onlinekurse und erledigt viel von zu Hause. „Das Bestattungsunternehmen richte sich auch nach ihrem Stundenplan, sagt Isabel. Falls sie gerade Uni habe, werde eine andere Pauschalkraft angerufen.

Trotz der Begeisterung für ihren neuen Nebenjob will Isabel nach ihrem Master am liebsten im Marketing oder Vertrieb arbeiten. „Ich möchte organisieren, hinter den Kulissen tätig sein und wirtschaftlich steuern, aber auch nicht den ganzen Tag im Büro sitzen“, so beschreibt sie ihren Traumjob. Dabei kann sie sich gut vorstellen, weiter nebenbei als Bestatterin zu arbeiten. „Das wäre eine gute Abwechslung“, findet Isabel. Die Branche ist für sie auch ein guter Plan B, schließlich sei nichts so sicher wie der Tod.