Blogseminar

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Diskutiert werden das Leben der Studierenden, aktuelle Fragen der Hochschulpolitik sowie die Zweiheit von Forschung und Lehre.

Studieren in Tasmanien

In Tasmanien ist das Studentenleben noch einfach. Zumindest, wenn man weiß, wo sich die Kommilitonen abends verstecken. Es herrschen klare Regeln, mit denen man sogar einen Gang in die Wildnis überlebt.

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© dpaHobart: Eine Stadt, die sich zwischen Berge und Meer schmiegt

“Tassie”, wie die Einheimischen ihre herzförmige Heimat nennen, ist ungefähr so groß wie Irland. Mit etwas mehr als fünfhunderttausend Einwohnern ist die Insel aber trotzdem eher klein. Wer mit offenen Augen und einem guten Pullover dorthin fährt, wird feststellen, dass dieser Ort einen nie wieder loslässt.

Wo sind die jungen Leute hin?

Es ist fast unmöglich sich in Hobart, der Haupt- und Universitätsstadt Tasmaniens, zu verlaufen. Oben steht der Mount Wellington, unten liegt das Meer. Dazwischen eine lange Straße. Als eine Freundin einst diese Straße in Richtung Campus entlang lief, traf sie auf eine der vielen internationalen Studierenden aus Asien. Dieses Mädchen fragte mit einer verwirrten und etwas verlorenen Stimme, wo denn die ganzen jungen Leuten seien. In der Tat ziehen die jungen Studierenden in Hobart nicht in Rudeln umher. Partys finden meist Zuhause statt und ansonsten sind die Studierenden normalerweise dort zu finden, wo der Rest der Bevölkerung sich auch aufhält: beim Essen, Lesen, oder Wandern.

In Tasmanien raucht fast niemand mehr, und mit einer offenen Flasche Alkohol in der Öffentlichkeit umherzulaufen, ist eine Ordnungswidrigkeit. So bleiben die Straßen sauber und das soziale Leben auf Pubs, Bars, BBQs und eben Zuhause konzentriert. Bars und Live-Musik findet man in Salamanca, direkt am Hafen.

Blick über den Salamanca Market

Hobart beheimatet sowohl das Antarktis-Forschungszentrum als auch den tiefsten Hafen der Südhalbkugel. Mit etwas Glück sieht man hier nicht nur das Aurora Australis Forschungsschiff, sondern auch die grünen Lichter der echten Aurora Australis. Tasmanien gehört zwar theoretisch zu Australien, aber der Winter hat eher etwas vom Polarkreis, komplett mit Seehunden und Pinguinen. Wenn es am Strand dunkel wird, watscheln diese in Frack gekleideten Zwerge ziemlich flott vom Meer durch die Dünen zu ihren Höhlen.

© dpaSeeelefant mit Haubenpinguinen auf Macquarie Island
© dpaAurora Australis über der Antarktis

In der Stadt sind die Dämmeigenschaften der Häuser leider suboptimal. Seeluft und Kälte sind gesund, aber es gibt einen Grund dafür, dass Merinowolle im Alltag sehr beliebt ist. Das sehen die Wallabys, eine Art Minikänguru, genau so, auch sie meinen, einen kuscheligen Schlafplatz zu verdienen. Spätestens, wenn man einmal vergessen hat, die Tür zu schließen und früh morgens ein Wallaby aus dem Haus davon hoppeln sieht, weiß man, dass man doch in einer anderen Welt lebt. Im übrigen kann es auch vorkommen, dass nicht nur der Nikolaus Geschenke in den Schuhen hinterlässt.

Wallabys

Die klassische Uniform der Tasmanier alter Garde besteht aus Flipflops, einer kurzen Hose, einem Wollpullover, Jacke oder Hoodie und einer Wollmütze. Beim Wandern trägt man unter der kurzen Hose eine Thermo-Leggings und ersetzt die Flipflops durch Bergschuhe und Gamaschen. Gore-Tex und andere Funktionsstoffe werden gleich vom Gras, das im kalten Regenwald Tasmaniens rasiermesserscharf ist, einfach durchschnitten. Wandern heißt bei uns nicht ohne Grund “Bushwalking”. Es gibt viele Büsche und man läuft einfach durch. Nass wird man egal wie.

Ein leichter Drang zur Gotik

Tasmanische Ausgehuniform

Der Trick ist, dabei warm zu bleiben. Es ist wichtig, die Füße schnell abtrocknen zu können, und, wenn die Sonne nach halbstündiger Abwesenheit wieder scheint, schnell etwas auszuziehen zu können. Dabei das Nach-oben-Schauen nicht vergessen! Tasmanien hat unglaublich viele Regenbogen.

So ist diese Insel. Sie lässt einen wissen, dass man letztendlich der Natur untergeordnet ist.

Kein Wunder, dass es hier einen leichten Drang zur Gotik gibt. Im Sommer treffen sich die Zombies für den jährlichen Zombie-Marsch und im Winter vertreibt man die bösen Geister mit Feuer bei dem Dark-Mofo-Festival.

 

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Weg vom Meer, die lange Straße hoch und leicht links befindet sich The New Sydney mit exzellentem Pubessen und mittwochs auch klassischem Live Pubrock. In derselben Straße gibt es sonntags den “Farmers Market”, berühmt unter anderem für seinen Halloumi-Kürbis-Burger, für den allein sich der Flug von Deutschland herüber schon lohnt. Etwas weiter bergauf gibt es andere Möglichkeiten, sich mit Freunden zu verabreden, zum Beispiel das Klub Kino mit Dachleinwand, sehr geeignet für Zweibeiner, oder das Hobart Cat Café für diejenigen, die lieber mit Vierbeinern abhängen.

Egal was für Freunde man bevorzugt, man wird festzustellen, dass eines der wenigen australischen Klischees, welches auf Tasmanien zutrifft, die Offenheit und Freundlichkeit der Menschen ist. Freundliche Gesichter und Hilfe findet man überall. Enge Freunde muss man suchen. Die beste Möglichkeit, schnell Anschluss an der Uni zu finden, ist die sogenannte O-Week (O für Orientation). Hier gibt es vieles, auch Bier, umsonst und die Möglichkeit den StuRa und andere Studierende zu treffen. An einem Tag stellen sich dann noch die verschiedensten Vereine der Uni vor. Es gibt für jeden etwas: von der Anime-Society (welche die jährliche AICon organisiert) bis hin zum Wildwasser Kajak Club und Ultimate Frizbee.

Eltern in Australien haben keine Unterhaltspflicht für ihre volljährige Kinder, und das Leben in Tasmanien ist teuer. Die gute Nachricht ist, dass der Stundenlohn im Supermarkt oder beim Bäcker nicht bedeutend niedriger ist als bei einer Anstellung im Öffentlichen Dienst. Jobben lohnt sich. Zählt man die Lebenshaltungskosten und ausreichend Taschengeld zusammen, ist man schnell bei 2000 Euro im Monat angelangt. Wer nebenbei jobben geht, sollte wissen, dass der Arbeitgeberanteil an der Rente mindestens neun Prozent des Gehalts beträgt. Mit der Abgabe der Steuererklärung und dieses Formulars hier wird das Geld beim Verlassen des Landes an den Arbeitnehmer ausgezahlt. Wenn man nicht zu viel schwarz gearbeitet hat, bedeutet das in der Regel ein hübsches Sümmchen.

TÜV auf Tasmanisch

Bei der Einrichtung der Studentenwohnung muss man in Tasmanien ohne Ikea auskommen. Sogenannte Op-Shops, wie Vinnes sind eine bessere und sparsamere Alternative. Hier werden Sachen gespendet und für wenig Geld verkauft. Der Erlös geht an die Bedürftigen.

In Hobart ist alles innerhalb einer Dreiviertelstunde zu Fuß erreichbar. Für Lauffaule gibt es öffentlichen Verkehr, sprich den Bus. Da er die einzige Alternative zum Auto bietet, verdienen Busfahrer in Tasmanien ein “Thanks” beim Verlassen des Fahrzeugs. Um die Insel unmotorisiert erleben zu können, braucht man ein freundliches Gesicht und viel Zeit fürs Trampen in den dünnbesiedelten Gebieten. Bei uns gibt es noch Dörfer, die nicht einmal auf Google Maps zu finden sind. Mit einem  deutschen Führerschein (und beigefügter Übersetzung) oder einem internationalen Führerschein bietet der Mietwagen eine zuverlässige Alternative zum “Daumen raus”. Oder man kauft sich einfach ein altes Fahrzeug. Ein Auto in Tasmanien hat TÜV bis es abgemeldet wird, das heißt bis es auseinanderfällt.

© dpaTasmanischer Teufel

Mit einem Auto sind die Wombats, Tasmanian Devils, und Wallabys im Bonorong Wildlife Park endlich in Kuschelreichweite. Gegen Studienstress helfen auch leichte Tages- und Wochenendwanderungen sowie  der Bay of Fires oder der Wineglass Bay. Also regelmäßig Bücher zu, Handy weg und ab in die Natur!

© dpaDer Bay of Fire gilt als einer der schönsten Strände der Welt.

Die Tasmanische Wildnis bietet noch ganz andere Herausforderungen. Hier lernt man eine andere Welt und auch sich selbst ein wenig besser kennen. Circa vierzig Prozent der Insel bestehen aus hart gewonnenen und immer noch hart umkämpften Nationalparks. Wobei es eine sonderbare Ironie der Geschichte darstellt, dass gerade die so hochgeschätzte einzigartige Natur Tasmaniens ihr Bestehen einer der dunkleren Seiten unserer Geschichte zu verdanken hat. Als eine der ersten britischen Siedlungen war Tasmanien von Anfang an sowohl das Versprechen eines neuen Edens für Auswanderer als auch eine Strafkolonie, eine Hölle auf Erden. Gefängnisse wie Sarah Island oder Port Arthur brauchten keine Mauern, denn sie waren vom Meer, der Wildnis und dem sicheren Tod umzingelt.

© dpaDer Hafen von Hobart mit Häusern im viktorianischen Stil

Heute finden gut vorbereitete Wanderer in dieser Hölle vielleicht aber doch ein Stück Himmel. Die Geschichte und der Geist Tasmaniens bestehen genau darin – das Weggeworfene und Verpönte zum eigenen Wunder zu machen.

Die Tiere haben Vorfahrt

Wanderhütten bieten Unterschlupf mit Wasser, Toiletten, Lagerbetten und Gasheizungen, die den Raum bis zu kuscheligen zehn Grad aufheizen. Matratze, Schlafsack, warme Klamotten (unbedingt Wolle), Essen und ein Notzelt sind dabei stets mitzubringen – auch im Sommer. Ein Satellitennotrufsender ist empfehlenswert. Nichts erfreut die Einheimischen so sehr, wie halberfrorene Teilzeitalpinisten in überteuerten Wanderklamotten mit dem Hubschrauber abholen zu dürfen.

© dpaWombat

Die Tiere stört das alles nicht. Die Wombats sehen nur immer etwas verblüfft aus, wenn man sie dabei erwischt, wie sie ihre kleinen dreieckigen Päckchen direkt auf dem Weg hinterlassen. Sie wissen ganz genau, dass sie hier Vorfahrt haben. Dreister und klüger noch sind die Currawongs. Diese Vögel bekommen alle Reißverschlüsse auf, die nicht durch ein Schloss oder einen Knoten gesichert sind. Der Wochenvorrat an Schokolade ist dann schnell weg. Die verstreute Unterwäsche wieder einzusammeln, sorgt für allgemeine Erheiterung. Ein schnabelförmiges Loch im Klopapier finden aber wirklich nur die Vögel lustig. Ja, die Tiere in Tasmanien haben durchaus Sinn für Humor.

Mit gesundem Menschenverstand und der ehrenen Regel “erst schauen, dann setzen” kommt man selbst mit den giftigen Tieren gut zurecht. Die Schlangen wollen auch nur ein warmes Zuhause und für ihre Kinder Ruhe. Die Haie bleiben einsam im Meer, wo nur Rammstein ihre Tränen bemerkt. Die Huntsman Spider sieht zwar erschreckend aus, ist aber ein fleißiges Haustier und hält die wirklich gefährlichen Spinnen fern.

Nächstenliebe auch für Ungeheuer, Bush Pepper, Lemon Myrtle und gute Gesellschaft würzen den BBQ am besten – bis man heil zurück ins Vaterland fliegt.

 

Alle Folgen unserer Serie Feldforschung.