Pop-Anthologie

Frank Zappa: „Bobby Brown“

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Dieses erstaunliche Lied wird seit Jahren unerschrocken von deutschen Rentner-Radiosendern gespielt. Dafür gibt es nur eine einzige logische Erklärung, und sie lautet: Die haben nie auf den Text gehört.

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© Picture AllianceFrank Zappa 1968

Bobby Brown

Hey, there people I’m Bobby Brown
They say I’m the cutest boy in town
My car is fast, my teeth are shiny
I tell all the girls they can kiss my heiny
Here I am at a famous school
I present sharp and I’m acting cool
I’ve got a cheerleader here wants to help with my paper
Let her do all the work and maybe later I rape her
Oh God, I am the American dream
I do not think I’m too extreme
And I’m a handsome son of a bitch
I’m gonna get a good job and be real rich
(Get a good, get a good, get a good, get a good)

Women’s liberation
Came creeping all across the nation
I tell you people I was not ready
When I fucked this dyke by the name of Freddie
She made a little speech then
Oh she tried to make me say when
She had my balls in a vice but she left the dick,
I guess it’s still hooked on but now it shoots to quick
Oh God, I am the American dream
But now I smell like vaseline
And I’m a miserable son of a bitch
Am I a boy or a lady? I don’t know which
(I wonder, wonder, wonder, wonder)

So I went out and bought me a leisure suit
I jingle my change, but I’m still kinda cute
Got a job doing radio promo,
And none of the jocks can even tell I’m a homo
Eventually me and a friend,
Sort of drifted along into S&M
I can take about an hour on the tower of power
As long as I gets a little golden shower
Oh God, I am the American dream
With a spindle up my butt till it makes me scream
And I’ll do anything to get ahead
I lay awake nights saying „Thank you, Fred“
Oh God, oh God, I’m so fantastic
Thanks to Freddie, I’m a sexual spastic
And my name is Bobby Brown
Watch me now; I’m goin‘ down,
And my name is Bobby Brown
Watch me now; I’m goin‘ down,
And my name is Bobby Brown,
Watch me now, I’m going down

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Welch Ironie der Musikgeschichte, dass ein Lied mit einem derart anstößigen Text von allen europäischen und skandinavischen Radiosendern unbekümmert gespielt wurde und bis heute wird. „Bobby Brown“ von 1979 klingt beim oberflächlichen Zuhören harmlos-rustikal, doch die  amerikanischen Radiostationen weigerten sich sofort, es zu spielen. Dort verstand man offenbar zumindest einen Großteil des Textes und beschloss den Boykott, der das Lied tatsächlich an einem Eintritt in die Charts hinderte. Hierzulande allerdings konnte fast nichts seinen Erfolg bremsen.

Aber was ist eigentlich so schlimm an dem Lied? Zappa war ein großer Provokateur und verfolgte dabei zwei gegensätzliche Strategien. Erstens: etwas obszön klingen und dann harmlos ausgehen lassen, so geschehen bei seinem Song „Harder Than Your Husband“. Darin geht es zwar tatsächlich um eine mögliche Affäre, wie der Titel vermuten lässt, doch die Zeile heißt im Ganzen: „I’ll be harder than your husband to get along with“, also in etwa: „Mit mir auszukommen, wird schwieriger sein als mit deinem Mann.“ Die zweite Variante wendete er in „Bobby Brown“ an: Darin klingen die Worte harmloser, als sie sind. „I’ll do anything to get ahead“ etwa könnte man als „Ich tu alles, um voranzukommen“ verstehen – aber eben auch als „I’ll do anything to get a head“, und schon geht es um den Wunsch nach Oralsex, was zum Rest des Textes tatsächlich besser passt. Am Ende wiederholt er „Watch me now; I’m going down“, wobei „going down“ zahlreiche Bedeutungen haben kann, darunter Untergehen, Heruntergehen, aber eben auch: an jemandem Oralsex vollziehen.

„Bobby Brown“ ist eine hundsgemeine Satire auf reiche Jungs in Eliteschulen, die als selbstverliebt und frauenverachtend dargestellt werden. Der Protagonist wird von der Frauenrechtsbewegung überrascht und hat Sex mit „this dyke by the name of Freddie“ („dyke“ ist ein abwertendes Wort für Lesbe). Freddie hält dabei seine „balls in a vice“, hat also seine Hoden fest im Griff, seitdem leidet Bobby unter ejaculatio praecox. Später wird er selbst homosexuell und begeistert sich für Sadomaso. Die folgenden Zeilen erklärte Frank Zappa 1980 einem schwedischen Radiomoderator, der offenbar ebenso wenig wie Thomas Gottschalk ahnte, womit er es gleich zu tun bekäme. In Kürze: Beim „Tower of Power“ handelt es sich um einen Stuhl, aus dessen Sitzfläche ein Dildo ragt. Eine SM-Vorrichtung, die Zappa in einem Laden in Los Angeles sah und mit seinem Song sozusagen unterschwellig berühmt machte. Auch die „golden shower“ erläuterte Zappa im Radio: als „eine Sexpraktik, bei der eine Person die andere anpinkelt“, im Deutschen als „Natursekt“ bekannt.

„Bobby Brown“ ist also recht ungewöhnliches Material für all die Rentnersender, die das Lied regelmäßig spielen. Frank Zappa sagte dem schwedischen Moderator, er müsse immer lachen, wenn Leute in der Disco dazu tanzten. Wenn er nicht 1993 gestorben wäre, hätte er noch heute viel zu lachen. „Bobby Brown“ war der Testballon zur Frage, was man sich alles erlauben kann, wenn man darauf setzt, dass die Leute nicht ganz so genau hinhören. Ergebnis: ungefähr alles. Und wer weiß, ob die amerikanischen Radiosender nicht in punkto Obszönität ein Auge zugedrückt hätten, wenn er nicht auch noch den amerikanischen Traum beleidigt hätte.


52 Lesermeinungen

  1. Mike sagt:

    Woman liberations....
    Im Grunde meinte dieser großartige Mann sicher die verspiesste, amerikanische Gesellschaft und wenn ich sehe, was heute ihre Spitze darstellt, weiß ich: der große Mann hatte Recht!
    Ich habe immer bedauert, dass Zappa nicht mehr unter uns weilt. Was was würde dieser unangepasste, intelligente Mann zur heutigen Situation wohl sagen? Sicher wäre es derb, zynisch und treffend….

  2. Gast sagt:

    Titel eingeben
    Ob wohl ich mich nie als Gebildet bezeichnen, würde habe ich sowie viele meiner Freunde, und Bekannten den Text schon Damals verstanden! Und den Leuten die Ihn nicht verstanden mit „besserwisserischem“ Vergnügen die Bedeutung erklärt. Aber ich finde eigentlich ist es Egal ob man den Text versteht oder nicht. 🙂 Ich finde das F. Zappa mit diesem Lied (Zumindest in den Länder in dehnen das Lied von den Radiosendern nicht boykottiert wurde?) der Erfolg beschieden wurde, der diesem genialen Musiker gebührt. Mein Fazit da ich diesen Song (was ich leider von vielen nicht sagen kann) noch heute gerne höre, finde ich das sich für mich Frank Zappa gerade mit diesem Stück, eine Platz im Musiker Olymp verdient hat. Denn er hat mit seiner „Behandlung bzw. Umgang “ der Musik völlig neue Wege aufgezeigt,abgesehen wie humorvoll er (zumindest einem Teil) der Gesellschaft einen Spiegel vorhält oder einen realen Blick auf Zitat:B.B.“ ist eine hundsgemeine Satire auf reiche Jungs in Elite

  3. Lauretta-Sofia sagt:

    Keine Neuigkeit
    Wie ich studiert habe, kamen 1993 die Zappa Songs noch mal ins Radio. Schon damals war vielen klar, dass der durchschnittliche Hörer den Text anscheinend nicht versteht, auch ohne die speziellen Details. Das hier ist nichts Neues.
    Trotzdem nochmal Danke für diese Details.

    Rentnersender fand ich unpassend, ich bin leider noch weit entfernt von der Rente. Vielleicht könnte ja jemand das Rentenalter vorverlegen für mich ? Ich höre dann gerne noch ein bisschen rentnerradio von meiner Gartenliege aus.

  4. Gast sagt:

    Titel eingeben
    Ich denke, viele ‚Renter‘ können sehr wohl englisch und haben den Text schon immer verstanden.
    Von dem Aufstand der damals herrschte kann sich die Jugend mit ihrer grösstenteils angepassten Konsumhaltung ruhig mal was abschauen.

    Es gibt da noch nen andern geilen Text:
    ‚Lord, have mercy on the people in england,
    For the terrible food these people must eat.
    (errrr, excuse me)
    And may the lord have mercy on the fate of this movie
    And God bless the mind of the man in the street.
    Chorus:
    Help all the rednecks and the flatfoot policemen
    Through the terrible functions they all must perform.
    God help the winos, the junkies, and the weirdos…‘

  5. GünterM sagt:

    Wozu die Abfälligkeit?
    Nichts und Niemand wird jünger, auch nicht Musiktitel und ihre Hörer (m/w). Was soll also der Begriff „Rentnersender“, nur weil etwas/jemand alt ist?

  6. Till-Ulrich Hepp sagt:

    Provokatuer oder eher das Gegenteil?
    Im Prinzip hat Zappa mit seinem Besingen vermeintlicher Tabus eigentlich nur aufgezählt was ziemlich normal ist – S&M Praktiken und Homo- oder Bi-Sexualität sowie diverse Fetische sind letztlich bei mehr Leuten hoch im Kurs als man denkt (Fäkalien involvierende Geschlechtsakte einmal ausgenommen) und die angebliche Verdammung der „Eliten“ ist im Prinzip nur das Bedienen typisch Europäischer Abneigung gegen die USA (welche Zappa stets deutlich geteilt hat) und hat nun wenig Innovatives, sondern ist eher zum Gähne bzw. Kopf schütteln.
    Hätte er mal wirklich individuelle Freiheit besungen, wäre wohl etwas anderes bei heraus bekommen. Sofern es die von ihm ins Visier genommenen Eliten gibt, hat er ihnen höchstens eine Steilvorlage zu ihrem weiteren bestehen gegeben (wenn diese meritokratisch an ihrer Position sind, dann ist das ohnehin alles müßig).

  7. Johann Maier sagt:

    Mehr Zappa bitte
    Soweit ich mich erinnere, hat FZ die Doppel-LP „You Are What You Is“ gemacht, weil jemand behauptet hat, er könne keine Hits schreiben. Leider wird hier im Radio anscheinend ausschließlich „Bobby Brown“ gespielt und leider mittlerweile zu oft, dabei gibt es unendlich viel radiotaugliches Material von FZ.
    Als Teenager haben wir seinerzeit, glaube ich, schon verstanden, worum es in dem Lied geht – so ungefähr.
    Auch wenn man das Stück nicht mehr hören kann, man freut sich trotzdem jedesmal, wenn man FZ und seine großartige(n) Band(s) hört.

  8. Martin Giring sagt:

    Der Bruder von Bobby B.
    Bobby Brown wurde häufig gespielt, weil das kurz später veröffentlichte Stick it out boykottiert wurde.

  9. Catweazle sagt:

    Doch, das stimmt!
    Im Englischunterricht lernte man damals garantiert nicht, was „to give head“, „dyke“, „golden shower“ etc. bedeuten (und heute wahrscheinlich auch nicht). Insofern bin ich mir ziemlich sicher, dass die meisten Deutschen den Text bis heute nicht verstehen. Ist halt ’ne eingängige Melodie, das reicht anscheinend.
    Was Thomas Gottschalk angeht: der war schon immer zu dumm und zu faul, sich auf Interviews richtig vorzubereiten, und Englisch konnte er auch nicht besser als die meisten Quartaner. Mein Lieblingszitat aus einem Interview mit Freddie Mercury von 1978, in dem es um Queens Bühnenklamotten ging: „We fired Zandra Rhodes (englische Modedesignerin) – she wasn’t good anymore.“ Übersetzung Gottschalk: „Wir haben sie (die Bühnenklamotten) auf der Straße weggeschmissen – sie waren nicht mehr gut genug.“ Rhodes – roads, get it? Gottschalk hatte den Namen offensichtlich noch nie gehört.

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