Vor fünfzig Jahren vertonte Gil Scott-Heron sein berühmtestes Gedicht zum ersten Mal. Heute gilt die Aufnahme als Geburtsstunde des Rap.
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Nur von ein paar Trommeln lässt sich Gil Scott-Heron auf seinem Debütalbum von 1970 begleiten. Nichts soll von dem ablenken, was der 21 Jahre alte Dichter mit seiner tiefen und kräftigen Stimme zu sagen hat. Denn er hat viel zu sagen: über die Oberflächlichkeit der Massenmedien, über die Opfer rassistischer Polizeigewalt und über den Preis der Mondlandung. Ruhig trägt er auf „Small Talk At 125th And Lenox“ seine 14 Gedichte vor, bringt dazwischen die Leute zum Lachen, die im Studio auf Klappstühlen sitzen – und wird auf der ganzen Welt gehört. Und nicht nur das. Die minimalistische Musik, verbunden mit dem rhythmischen Sprechgesang, wird stilbildend für ein ganzes Genre. Rhythm and Poetry, kurz „Rap“, ist geboren.
Dass er der Erfinder dieser Musik sei, hielt Gil Scott-Heron allerdings für ein Missverständnis. Er bezeichnete sich als „Bluesologist“, als Erforscher der Bluesmusik, mit der er in Jackson, Tennessee, aufgewachsen war. Bis er ein Teenager war, lebte er dort bei seiner Großmutter. Und die kaufte ihm eines Tages für sechs Dollar ein altes Klavier. Sie wollte, dass der kleine Gil ihren Freundinnen Kirchenlieder vorspielen konnte, wenn diese jeden Donnerstag zum Nähen kamen. Doch schon bald begann Gil Scott-Heron im Geheimen die Melodien von den Bluesgrössen John Lee Hooker und Lightnin’ Hopkins zu üben und in die Spirituals einzuflechten, die die alten Damen so gerne mochten.
Seiner Großmutter verdankte Gil Scott-Heron aber nicht nur das Klavier, sondern auch das politische Bewusstsein. Sie war Mitglied bei der NAACP, der National Association for the Advancement of Colored People, die zu den ältesten Bürgerrechtsbewegungen der Vereinigten Staaten gehört. „Ich war mir darüber im Klaren, dass einiges verändert werden musste“, gab er in einem Dokumentarfilm der britischen BBC an. „Das wurde mir in den Nächten klar, in denen meine Großmutter auf der Veranda mit anderen Leuten über Politik redete.“ Dass die Texte, die Gil Scott-Heron schon früh zu schreiben anfing, fast ausnahmslos politische Kommentare sind, erklärt sich von selbst.
Eine Sammlung dieser frühen Lyrik erscheint 1970 praktisch zeitgleich mit dem Album in Buchform. Das berühmteste dieser Gedichte ist zweifellos „The Revolution Will Not Be Televised“, das Gil Scott-Heron für „Small Talk At 125th And Lenox“ zum ersten Mal vertonte. Es ist ein Aufruf an die schwarze Gemeinschaft, sich nicht von den Belanglosigkeiten im Fernsehen einlullen zu lassen. Nein, versichert Gil Scott-Heron darin ironisch, die Revolution wird die überflüssigen Pfunde auf den Hüften nicht zum Verschwinden bringen und auch nichts gegen Mundgeruch ausrichten können. Und Steve McQueen und Natalie Wood werden ganz bestimmt nicht mit auf die Straße kommen. Eines aber würde die Revolution der Schwarzen herbeiführen können: dass sie endlich etwas mitzubestimmen hätten im Land. „The revolution will put you in the driver seat“, ist der einzige Satz im Text, der nicht mit einer Negation beginnt. Er geht bei all den Anspielungen auf Fernsehwerbung und Popkultur ein bisschen unter. So wie die Diskussionen um die Zukunft der Schwarzen in Amerika seit den Morden an Malcolm X und Martin Luther King jr. insgesamt etwas untergegangen waren.
Die Aufnahmen auf „Small Talk At 125th And Lenox“ wurden von der Kritik durchaus mit Beifall aufgenommen. Richtigen Erfolg hatte Gil Scott-Heron aber erst ein Jahr später. In Brian Jackson fand er einen kongenialen Partner, der einen ganz neuen Sound zu seinen Gedichten komponierte. Die beiden sollten bis 1980 neun Alben miteinander aufnehmen, um sich anschließend gründlich zu zerstreiten.
Im Sommer 1971 gab es darauf aber noch keine Hinweise. „Pieces Of A Man“ enthielt eine zweite Version von „The Revolution Will Not Be Televised“. Der Bassist von Miles Davis und der Schlagzeuger von Aretha Franklin hatten eine Menge Einflüsse von Jazz, Funk und Soul mitgebracht und das engagierte Gedicht so in einen Hit für die Disco verwandelt. Überhaupt war auf dieser neuen LP der nachdenkliche Ton etwas in den Hintergrund gerückt und einer zugänglicheren, oft hoffnungsvollen Stimmung gewichen. Die politische Botschaft erreichte dadurch auf einmal ein viel breiteres Publikum, und Gil Scott-Heron wurde zur Galionsfigur der Bürgerrechtsbewegung und zum Aushängeschild afroamerikanischer Kultur.
Die Verbindung von tanzbarer Musik und pointierten politischen Texten begründete auch seinen Einfluss auf die Rapper der achtziger Jahre. Es waren seine musikalischen Ideen, die Gruppen wie Grandmaster Flash and The Furious Five, Eric B. and Rakim oder Public Enemy übernahmen: Sie richteten sich an ein explizit schwarzes Publikum und sprachen auch heikle Themen an. In „White Lines“ warnt Rapper Melle Mel etwa vor Kokain: “Every time you gethigh you mess with your mind / So the very next time you wanna taste / You can get a little hit of this suicide.”
Für Gil Scott-Heron selber, der das Vorbild dieser jungen Musiker gewesen war, kam die Warnung vor den Drogen allerdings zu spät. Ab 1982 gab er zwar noch Konzerte, schrieb aber kaum noch neue Musik. Nach 13 Studioalben, zwei Romanen und einem Gedichtband hatte er den Zenit seiner Produktivität erreicht, begann Crack zu rauchen und infizierte sich irgendwann mit dem HI-Virus. Nur noch zwei Alben sollten zu Lebzeiten von ihm erscheinen: eines 1994 und eines 2010, ein Jahr vor seinem Tod. Sein Erbe hingegen lebt weiter – in Form einer Musikrichtung, die er nicht mitbegründet haben will.
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You will not be able to stay home, brother.
You will not be able to plug in, turn on and cop out. You will not be able to lose yourself on skag and skip out for beer during commercials,
Because the revolution will not be televised.
The revolution will not be televised.
The revolution will not be brought to you by Xerox In 4 parts without commercial interruptions.
The revolution will not show you pictures of Nixon blowing a bugle and leading a charge by John Mitchell, General Abrams and Spiro Agnew to eat hog maws confiscated from a Harlem sanctuary.
The revolution will not be televised.
The revolution will not be brought to you by the
Schaefer Award Theatre and will not star Natalie
Wood and Steve McQueen or Bullwinkle and Julia.
The revolution will not give your mouth sex appeal.
The revolution will not get rid of the nubs.
The revolution will not make you look five pounds
thinner, because the revolution will not be televised, Brother.
There will be no pictures of you and Willie May
pushing that shopping cart down the block on the dead run,
or trying to slide that color television into a stolen ambulance. NBC will not be able predict the winner at 8:32
or report from 29 districts.
The revolution will not be televised.
There will be no pictures of pigs shooting down brothers in the instant replay.
There will be no pictures of pigs shooting down brothers in the instant replay.
There will be no pictures of Whitney Young being run out of Harlem on a rail with a brand new process. There will be no slow motion or still life of Roy Wilkens strolling through Watts in a Red, Black and Green liberation jumpsuit that he had been saving For just the proper occasion.
Green Acres, The Beverly Hillbillies and Hooterville Junction will no longer be so damned relevant, and women will not care if Dick finally gets down with Jane on Search for Tomorrow because Black people will be in the street looking for a brighter day.
The revolution will not be televised.
There will be no highlights on the eleven o’clock
news and no pictures of hairy armed women
liberationists and Jackie Onassis blowing her nose.
The theme song will not be written by Jim Webb,
Francis Scott Key, nor sung by Glen Campbell, Tom
Jones, Johnny Cash, Engelbert Humperdinck, or the Rare Earth. The revolution will not be televised.
The revolution will not be right back
after a message about a white tornado, white lightning, or white people. You will not have to worry about a dove in your
bedroom, a tiger in your tank, or the giant in your toilet bowl.
The revolution will not go better with Coke.
The revolution will not fight the germs that may cause bad breath. The revolution will put you in the driver’s seat.
The revolution will not be televised, will not be televised, will not be televised, will not be televised.
The revolution will be no re-run brothers;
The revolution will be live.