Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Keinen Fussbreit Mietwohnung dem Rassismus

Man kann die Philosophie nicht mit “Ich“ anfangen.
Lenin

Ich finde ja, einer der interessantesten Aspekte bei sog. Machtergreifung der Nazis ist die sozialistische Komponente der Bewegung. Wie heute auch, behaupteten Linksextreme und offene Rassisten, dass es keine Gemeinsamkeiten gäbe, aber tatsächlich gab es Plattformen, auf denen man bestens kooperierte. 1932 etwa wurde in München der “Kampfbund gegen Mietwucher“ gegründet, in dem Nazis und Kommunisten den gemeinsamen Feind zu bekämpfen– die angeblich prekäre Existenzen ausbeutende Klasse der Hausbesitzer, die nicht selten jüdischer Herkunft war. Angefeuert wurden solche Bündnisse durch die Parteipresse: Die Nazis waren ohnehin antisemitisch, die KPD hatte sich als Arm Moskaus und in Abgrenzung von Trotzki ebenfalls einen judenfeindlichen Ton angewöhnt. In den jeweiligen Parteiorganen wurden passende Sozialreportagen verbreitet, und im gerechten Gefühl seiner früheren Ausbeutung wähnte sich der Volksgenosse später berechtigt, sich bei Familien Rosenberg den Bechstein zu “borgen“, wo sie ihn doch nicht nach Palästina oder Theresienstadt mitnehmen konnten.

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Die Zeit der Weltwirtschaftskrise war für Mieter wenig erbaulich, es gab fraglos den ein oder anderen unangenehmen Kapitalisten jüdischer Herkunft, und an den hängte man es damals als ideologietreuer Journalist auf, und übertrug die Vorwürfe auf alle anderen: Vermieter boten sich an, sie hatten das Vermögen, das die totalitären Regimes für den Aufbau ihrer Armeen und Unterdrückungsapparate brauchten. Was dem Stalinisten seine Wohnungskommission war, war dem Nazi seine Arisierung – beide versprachen dem Volk mit der Abschaffung des “Plutokraten“ billigeres Wohnen. und natürlich zahlt kaum jemand gern Miete. Bei mir ist das übrigens anders, denn entgegen meiner hausbesitzenden Gewohnheiten habe ich gerade wieder meine übliche Wohnung im schönen Mantua gemietet. Es ist, weil ich nicht dauerhaft dort lebe, einfach praktischer so, und meine Vermieterin hier ist, wie ihre Kollegin in Siena, ein echtes Goldstück. Heiraten kommt mir nach ein paar Wochen mit solchen tatkräftigen Frauen gar nicht mehr so widersinnig vor wie daheim. Deshalb zahle ich auch gern Miete, als Anerkennung ihrer Freundlichkeit.

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Andere Deutsche machten das früher nicht gern, und das hat sich auch nicht geändert. Auch strukturellen Rassismus gibt es auch heute noch: Jüngst etwa hat die Aktivistin Margrete Stokowski bei Spiegel Online über deutsche, männliche Gewalt geschrieben und eine Massenschlägerei zwischen nicht gerade höflichen, afrikanischstämmigen Strassenhändlern und einer Gruppe Betrunkener aus der Schweiz auf Mallorca deutschen Männern in die Schuhe geschoben. Wer derbste Vorurteile bei der Arbeit sehen will, bitteschön, bei Spiegel Online fliegt man für solche Falschdarstellungen nicht, man liest darunter eine metaironische Entschuldigung Marke “Das ist so nicht gemeint, nehmt es nicht so ernst“. Man kennt diese Strategie auch von der AfD, die gerade wieder wegen Herrn Gaulands Aussagen mit Blick auf einen Fussballer im Kreuzfeuer der Kritik steht – und in der Folge stellt sich nun exakt wieder jene Frau Stokowski hin und macht das, was unsereins, Vermieter seit drei Jahrhunderten, inzwischen sattsam bekannt vorkommt – sie unterstellt bei SPON, belegt mit ein paar Anekdoten mit Quelle Internet, dass Rassismus unter den Vermietern vollkommen üblich sei.

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Dabei ist sie doch gar keine Vermie

Aber es ist wie immer kompliziert. Es gibt wie immer solche und solche. Speziell in den Orten, in denen ich lebe, ist es wirklich nicht leicht, Wohnraum zu finden, und Vermieter können sich ihre Mieter nach Lust und Laune heraussuchen. Das mache ich übrigens ganz genauso – als ich das vorletzte Mal eine Wohnung im Klenzeviertel vermietet habe, meldete sich unter vielen Gentrifizierungsgewinnern auch ein junger, schwuler Tanzlehrer. Den habe ich sofort genommen, denn das Klenzeviertel wurde wegen der schwulen Paradiesvögel toll und begehrt, und ich möchte nicht, dass mein altes Ausgehviertel von Brautmodengeschäften und Kinderwägen überschwemmt wird. Ich finde es gut, wenn das Klenzeviertel so weit wie möglich verrückt und anders bleibt, denn München ist eh zu langweilig.

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Damit diskriminiere ich natürlich weisse, alleinstehende Karrierefrauen aus dem mittleren Management und transnationale Patentanwälte, die alle paar Wochen in München sein müssen, und sich ebenfalls beworben haben. Es gibt keine passenden Umschreibung für die Diskriminierung vermögender Menschen, solange man sie nicht wie im Stalinismus summarisch exekutiert, aber natürlich gibt es auch Bereiche des Lebens, in denen Reichere klar ausgegrenzt werden: Fahren Sie mal mit Ihrer S-Klasse mit Starnberger Kennzeichen und Kleidung von Armani durch Kreuzberg, lassen Sie “Feminism is Cancer“ auf die Tür schreiben und versuchen Sie, damit eine Lesung der der von bekannten Feministinnen gefeierten Israelfeindin Laurie Penny zu besuchen, dann wissen Sie, was ich meine. Man ist reich, weil dann vieles einfacher ist, aber das heisst entgegen landläufiger Vorstellung nicht, dass danach alles von selbst geht.

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Oder anders gesagt: Entscheidungen für oder gegen Personen werden nie aufgrund eines einzigen Kriteriums getroffen. Als Vermieter kann ich das nicht eindeutig festmachen: Wir sind vom alten Schlag, man merkt einfach, wenn es passt. Mieter müssen zum Haus und seinen Vor- und Nachteilen passen, zur Hausgemeinschaft und – in einer gewissen Breite – auch zur Sozialstruktur. Wenn man im dritten Stock eine junge Familie mit aktuell lautem Kind hat, wird man im Stuck drunter vielleicht doch eher eine Wochenendheimfahrerin bevorzugen. Leute, die alte Dielen abschätzig anschauen, sind einfach nichts für Altbau. Ausserdem ist Mieten immer eine Sache auf Zeit: Kein Vermieter mag allzu flexible Leute, die einen zur schnellen Neuvermietung zwingen. Da ist einem der Deutschlibanese, der hier drei Jahre studiert, ohne jedes Regionalvorurteil wirklich näher als die Hannoveranerin, die bei Facebook ihren Freunden gegenüber zugibt, dass sie nur 6 Wochen zu bleiben gedenkt, weil sie hier nicht länger auf Station ist. Ich habe nichts gegen Hannoveraner, aber so geht es nicht.

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Vermieter, das ist nun mal generell immer so, wenn es um Dienstleistungen geht, bevorzugen solvente Kunden. Das ist in den besseren Lagen mit Auswahlmöglichkeit oft, aber nicht immer ein K.O.-Kriterium für viele Gruppen von Menschen. Ich bin da anders, ich habe noch nie eine Vermögensauskunft sehen wollen, und wenn man aus meiner Schicht stammt, erkennt man ohnehin nach 10, 15 Minuten, ob jemand dazu gehört oder nicht. Aber auch das garantiert nicht, dass derjenige dann die Miete zahlt – da kann es genauso sein, dass der Betreffende wegen einer eigentlich bekannten Lappalie die Miete mindert. Generell bieten deutsche Gesetze nur sehr enge Spielräume, in denen sich beide Parteien verhalten müssten: Wichtig ist es, Leute zu finden, mit denen man flexibel in einem guten Verhältnis sein kann. Das gute Auskommen ist das absolut wichtigste Kriterium.

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Deshalb gibt es auch eine Diskriminierung von Männern. Frauen bekommen nicht leichter eine Wohnung, weil sie etwa Bein zeigen, sondern weil sich unter Vermietern hartknäckig die Einschätzung hält, sie seien insgesamt sauberer, höflicher, weniger anfällig für Alkoholexzesse und zuverlässiger. Sie nutzen, das ist biologisch aufgrund des geringeren Gewichts nicht zu bestreiten, den Boden nicht so schnell ab. Ein Mann, der sich nur von Lieferpizza ernährt, verursacht einen Haufen Papiermüll und zieht mehr Werbung im Briefkasten als eine mülltrennende Köchin nach sich. Gleichwohl kenne ich keinen genderistischen Beitrag, der versucht, diese Vorurteile gegenüber Männern aufzuklären und Chancengleichheit ohne sexistische Mythen einzufordern – was übrigens leicht wäre, würde man mal Bilder aus Wohnungen von Berliner Genderistinnen veröffentlichen.

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Manche Diskriminierung wird staatlich von genau denjenigen erzwungen, die angeblich mit der Mietpreisbremse helfen und Frauen fördern wollen: Demnächst will das Familienministerium Sexarbeitende erpressen, sich behördlich registrieren zu lassen. Es ist absehbar, dass dieses Kontrollwahngesetz viele Frauen privat dazu bringen wird, ihre Vermieter in Bezug auf ihre dann amtlich festgestellte Tätigkeit anzulügen, um überhaupt eine Chance auf einen privaten Mietvertrag zu haben. Das ist mietrechtlich für sie hochgradig problematisch und setzt sie aufgrund der Gesetzeslage der Gefahr aus, bei einer Aufdeckung aus der Wohnung zu fliegen. Die Politik der grossen Koalition läuft auf eine krasse Diskriminierung eines legalen Berufsstandes hinaus. Über diese Folgen liest man vom quasi amtlichen Feminismus zumeist kein Wort – Schwesigs Haus macht auch Anne Wizorek zur Sachverständigen und bezahlt Parties. Frauenrechte sind im Lobbyismus immer eine Frage der passenden Loyalität.

An diese Stelle zum International Sexworkers’ Day meine Verehrung und Hochachtung für alle Hübschlerinnen, meine Mitstützen der Gesellschaft.

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Natürlich gibt es ethnische Probleme. Man versuche, aus einer Japanerin direkt heraus zu bekommen, dass die Heizung nicht anspringt. In Deutschland wäre das ein Satz, in Japan ist da wohl eine Gefahr, dass der Vermieter sein Gesicht verlieren könnte, und deshalb dauert es lang. Dass ich hier in Italien als Mieter doch recht gut ankomme, gern gesehen und auch postalisch das ganze Jahr erreichbar bin, liegt nicht am Geld, sondern an meinem Bemühen, mich einzufügen und anzupassen. Gerade ist Mittag. Ich stolpere nicht durch das glutheisse Mantua und stürme im letzten Moment Geschäfte, die schliessen wollen, ich beleidige italienisches Stilempfinden nicht mit der Sportsandale, ich sitze daheim und schreibe still meinen Beitrag, ohne die ausruhende Nachbarin zu stören. Ich lasse den Sportwagen stehen, wenn ich nicht ein Nachbarskind um den Block fahre, und strample wie alle anderen mit einem Stadtrad in die Stadt hinein. Ich gebe mir Mühe. Alle sind nett zu mir. Italiener können auch rassistisch sein. Es gibt hier Parteien, die über Ausländer, ganz gleich ob afrikanische “Clandestini“ oder besserwisserische Deutsche angesichts der Wirtschaftskrise so reden, wie bei diversen Meddien heute über weisse Männer geschrieben wird. Es gibt Rassismus, aber die meisten wollen einfach, dass es passt. Und sie freuen sich, wenn man ihre Lebensweise annimmt und deutsche Marotten zurückstellt.

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Nicht jede Entscheidung, die da getroffen wird, muss allen gefallen. Es gibt Bevorzugte und Benachteiligte, und ich kenne Vermieter, die nach schlechten Erfahrungen einfach sagen, dass sie keine Ausländer und sozial Benachteiligten mehr nehmen, weil sie keine Lust haben, sich bei Konflikten von einem Mob als Menschenfeinde beschimpfen zu lassen – insofern tragen einseitige Medien klar zur Verhärtung der Fronten bei. Die Typus der maulenden, hassenden, die Schuld bei anderen suchenden Journalistin ist als Mieterin wohl nicht ganz selten, er ist fraglos unbeliebt und wir alle hätten einfach gern unsere Ruhe. Es ist ein Geschäft, es ist eine Dienstleistung, man will gut auskommen, und wer das nicht will und Vermietern einseitig Rassismus unterstellt: Unter den Brücken gibt es öffentlichen, kostenlosen und rassismusfreien Raum – das BGE unter den Mietverhältnissen. Eigentum verpflichtet – uns nicht, jede fehlende Erziehung und schlechtes Benehmen zu akzeptieren.

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Denn natürlich gerät zwischen Klassen und Ethnien ab und zu etwas aus den Fugen. Natürlich gibt es Konflikte und Vorurteile, die manchmal auch einfach bestehen bleiben werden. Gegensätze kann man im Internet aushalten, aber innerhalb eines Hauses ist es schwierig, speziell angesichts des deutschen Mietrechts, das Mieter klar bevorzugt, und einer Öffentlichkeit, in der Vermieter gern von Leuten ohne jede Reflektion diffamiert werden, wie Anno 1932. Gerade diese Persönlichkeiten wären aufgrund ihrer Selbstherrlichkeit eigentlich ideale Besitzer alteuropäischer Schlösser und Palazzi, und ich kann hier nur freundlich raten, vielleicht ein wenig zu sparen, die Zinsen zu bedenken und sich der Mühe zu unterziehen, eine Immobilie zu erwerben. Dann ist nicht nur das Mieterelend vorbei, und man versteht dann auch Standpunkte der besitzenden Klasse.