In dieser Folge kommentiert Jürgen Dollase das Essverhalten der Studenten aus unserer Videoumfrage, er macht ein Geständnis – und stellt drei Basistipps für die schnelle, gute Studentenküche vor.
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Video: Jürgen Dollase kommentiert unsere Studentenumfrage “Was esst ihr wirklich?”
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Liebe Freunde,
die weit gefächerten Aussagen der Protagonisten in unserem Umfrage-Video bringen mich erst einmal zu einem Bekenntnis. Auch bei mir geht es bisweilen so zu wie im „normalen“ kulinarischen Leben. Ich kenne zwar Unmengen von hervorragenden Restaurants und viele der besten Köche der Welt, fahre aber auch immer wieder zu einem Pizza- und Pasta-Takeaway. Ja, es kommt sogar vor, dass ich eine Imbissstube aufsuche und Pommes Frites mit einer kalten Frikadelle hole (für meine Frau Currywurst mit Pommes Frites). Schon während wir das essen, kommt es dann regelmäßig zu recht ausfallenden Äußerungen und dem Gelöbnis, dieses Mal sei es wirklich das letzte Mal gewesen. Nun gut, das passiert natürlich eher selten und nur in den dringenden Notfällen, in denen ich – auch aus zeitlichen Gründen und aus Mangel an Vorräten – nicht zum Kochen komme. Ganz allgemein gilt aber, dass ich mich als „echter“ Gastronomiekritiker nicht nur in Spitzenrestaurants aufhalte, sondern das ganze Spektrum rund ums Essen kennen möchte und kenne. Alle Ihre Anmerkungen zu den diversen Schwierigkeiten rund um den Willen zu guter Ernährung sind mir also nicht fremd. Es gibt aber drei Punkte, auf die ich in diesem Zusammenhang einmal hinweisen möchte:
1. Geben Sie sich einen kleinen Ruck.
Wenn ich ganz normal zu Hause in meiner Küche bin, koche ich jeden Abend ein gutes Gericht. Das dauert etwa eine Stunde. In dieser Zeit kann man fast alles machen, was man will. Im Prinzip könnte man auch noch eine Vorspeise schaffen, weil man ja manchmal darauf warten muss, dass ein Stück Fleisch o.ä. fertig wird. Ich erreiche die Küche normalerweise in einem eher müden Zustand, weil ich zu dieser Zeit schon 12 Stunden wach bin und davon mindestens 8 gearbeitet habe. Tagsüber denke ich allerdings schon öfter an das, was ich an Produkten im Haus habe und was ich damit machen kann. Wenn ich die Küche betrete, dauert es maximal 2 Minuten und ich bin wieder wach, motiviert und konzentriert. Darauf kann ich mich verlassen, und das war schon immer so. Machen Sie die Arbeit in der Küche am besten zu einer täglichen Routine. Denken Sie über das Essen nach – und nicht so sehr über Ihre Befindlichkeiten. So kommen Sie weiter, und kaum irgendwo macht Weiterkommen so viel Vergnügen wie in der Küche.
2. Schaffen Sie sich ein paar kleine Vorräte und einen „Werkzeugkasten“ an
Ein Teil der Probleme bei der schnellen Realisierung eines Essens hat etwas mit der Produktbeschaffung zu tun. Man muss etwas im Haus haben, ein wenig Pasta, ein paar Dosen, Gläser und Tuben mit gut brauchbaren Zutaten wie Tomaten, Bohnen, Artischockenböden o.ä. (aber natürlich keine Fertiggerichte!). Da kann man dann auch einmal ein Essen ohne ein Sammelsurium frischer Zutaten hinbekommen oder – das eigentliche Ziel – in die Lage kommen, mit einer oder wenigen frischen Zutaten als Basis sinnvoll weiterzukommen. Am besten ist es, sich eine präzise ausgewählte Sammlung effektiver Zutaten von Olivenöl und steirischem Kernöl bis zu Püree von getrockneten Tomaten und ungesalzener Butter zuzulegen, die immer in gutem Zustand im Haus sind. Diesen „Werkzeugkasten“ werde ich demnächst einmal vorstellen. Er kann eine Basisvariante haben, aber natürlich auch in Richtung Mittelklasse und High End gehen. Bis auf den heutigen Tag profitiere ich beim Kochen immer wieder von meiner – allerdings ziemlich beträchtlichen – Sammlung von meist immer im Haus vorhandenen Zutaten. Der Grund dafür findet sich in Punkt drei.
3. Werden Sie unabhängig und lernen Sie das Improvisieren
Kochen können heißt vor allem, mit dem, was man hat, ein gutes Essen zuzubereiten. In unseren Kochvideos geht es deshalb neben dem konkreten Rezept immer auch um ein systematisches Verständnis von Prozessen. So wichtig es ist, anhand guter Beispiele ein Verständnis für kochtechnische Zusammenhänge und Geschmack zu entwickeln, so wichtig ist es, an einen Punkt zu kommen, an dem man die Entscheidung über gut und noch nicht so gut nicht einem Rezept überlässt, sondern sie selber trifft. Meine technisch einfachen, aber genau beschriebenen Rezepte sind eine Basis. Am Ende des Tages ist das Ziel für eine variable Studentenküche (wie für andere Privatküchen, die nicht immer konsequent arbeiten können) nicht, dass es gelingt, Rezepte möglichst fehlerfrei zu reproduzieren, sondern möglichst gut zu improvisieren. Für den einen wird das stressig klingen, ich nehme aber an, dass viele von Ihnen das schon kennen: man bastelt so vor sich hin und sieht in der Nähe des Herdes noch einen Gemüserest liegen oder ein Gewürzglas stehen. Und – zack! – ist es auch schon in Topf oder Pfanne. Auch ich arbeite immer noch teilweise so – selbst dann, wenn ich konzentriert mit neuen Rezeptentwicklungen zum Beispiel für meine Bücher befasst bin. Wenn Sie damit anfangen, wird es immer wieder mal zu schwachen Resultaten führen. In dem Maße aber, in dem Sie an Routine im Umgang mit den Dingen zulegen, wird die ganze Sache immer erfreulicher.
Und so bleibt dann eine Erkenntnis und eine Folgerung übrig, die für die Studentenküche genau so gilt, wie für die von engagierten Hobbyköchen oder Profis: schnell und gut und präzise wird Essen in dem Maße, in dem man über Wissen, geschmackliches Vorstellungsvermögen und Routine verfügt. Und wenn es auch noch besonders kostengünstig sein soll, ist dieser Grundsatz besonders wichtig.
Demnächst dann wieder eine Strecke von Rezepten.
Bis dahin wünsche ich viel Erfolg!
Ihr Jürgen Dollase
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Was der Student nicht kennt, isst er nicht
Lieber Herr Dollhase,
mir kommt immer wieder belebende Freude auf, wenn ich Ihre feingeistige Kolumne lese, die alles andere als bäuerlich daherkommt. Ich selbst habe eine Praxis (für Logopädie) und bin daher stets mit Studenten aus und um Frankfurt in Kontakt. Abgesehen von unschmeichelhaften Redens- und Mundarten beobachte ich genau die Phänomene, die Sie in Ihrem Video aufzeigen – der sich ach so bewusst ernährende Student (fr)isst doch nur das was er kennt. Während er auch noch meist davon ausgeht, dass ihm das die Gesundheit (die er am Wochenende durch Alkohol, Nikotin und Rauschmitteln wohl schon wieder vergessen zu haben scheint) dankbar zurückzahlt.
Bleiben Sie so beherzt kritisch!
Ihr Sven Lenker
Top!
Vielen Dank für Ihre spannende Kolumne, Herr Dollase! Ich bin Student und freue mich sehr über Ihren intuitiven Ansatz :) Eine Frage zu Ihren Kochuniversitäts-Büchern: Auf Ihrer Website steht, dass Sie an diesen arbeiten. Wird es in absehbarer Zeit eine Neuauflage geben oder wie kann ich das interpretieren?
Viele Grüße Peter
Neue Auflage - neues Glück ;)
Lieber Roland,
das ist echt eine gute Frage! Wenn man die ein oder andere Auflage mal erneuert, kann man wichtige Ergänzungen – nicht zuletzt aus der Leserschaft – berücksichtigen und so den Nagel auf den Kopp treffen.
Grüße aus Mainz
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Lieber Peter Roland,
ja, es gibt Neuausgaben. Im Moment ist gerade meine “Geschmacksschule” neu herausgekommen. Im Herbst erscheint die “Kulinarische Intelligenz, zusammengebunden mit der Kochuniversität “Schwein” und dem Sammelband FAZ-Geschmackssache von 2007.
Vielleicht gibt es auch noch weitere Dinge, ich stecke gerade in Planungen.
Ebenfalls neu ist übrigens im Moment “Pur, präzise,sinnlich” der dritte Band einer Trilogie (“Himmel und Erde” und “Kopf und Küche”) und eine ziemliche Kampfschrift (so schrieb ein Rezensent)
mehr mehr noch mehr
Werter Herr Dollase, da Sie sich schon der Weiterbildung von uns Lesern und dem akademischen Nachwuchs im Besonderen widmen, hätte ich eine Bitte um Ergänzung:
Guter Vorrat
für 14 Tage Prüfungsstress, Stromausfall, Geldnot, BlackOut, Krankheit. Als Start werfe ich 1 ganze Salami und 1 Schinken in den Ring. Mehrere kg Zucker und ein paar kg Mehl. Bohnen, Erbsen, Marmelade, Obstkonserven, Zwiebeln, trockene Kräuter, Chili, einige Liter Öl.
100 Liter Trinkwasser und noch ein paar Gefäße Brauchwasser.
gespannt wartend auf Ihren Werkzeugkasten
grüßt ein verfressenes Bärchen
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Lieber Melursus,
I’ll do my very best….
Und wie vermitteln wir das "Wissen, geschmackliches Vorstellungavermögen u.Routine.."?
Sehr geehrter Herr Dollase,
jeden Artikel verfolge ich mittlerweile von Ihnen. Bei allem was Sie schreiben, dürfen wir ein paar Dinge nicht vergessen wie ich finde.
Sie verfügen über einen enormen Erfahrungsschatz sowie über Jahre entwickelten bzw. studierten Geschmackssinn. Moderne Kochtechniken sind Ihnen ebenso bekannt wie das zukünftig immer wichtig werdende “Flavourpairing”. Darüberhinaus spielen Sie mit Konsistenzen, Gargraden sowie den 5 Geschmackssinnen …”Umami” z.B. Ihre “scheinbar” simplifizierten Gerichte bzw. Rezeptvorschläge tragen all diesen Punkten Rechnung inklusiver Regionaler und Deutscher Küchenhistorie. Das beeindruckt und erfreut mich.
Nach Büchern wie z.B. “Modenist Cuisine, Heiko Antoniewicz, Pellaprat und vielen anderen wäre es tatsächlich an der Zeit, dass man mittels simplifizierter Sprache und mit Hilfe einer Art “Duden” für alle Leser genau diese Dinge erklärt und greifbar sowie begreifbar macht.
– kompaktes “Selbstversorgungs” Knowhow
– einmal die Woche im Biologieunterricht 10 Minuten Kochwissen vermitteln
– Koch Literatur die exakt mit Gramm und Temperaturen sowie Säuregraden (essig)und Ausgangs/Temperaturen umgeht und sehr wohl auch Preise angibt sowie Bezugsquellen. Das ganze für einen durchschnittlichen Personen Haushalt a 4 Personen und geringem Einkommen…lassen Sie uns statistische Werte der letzten 10 Jahre als Grund Baustein nehmen um der deutschen Gesellschaft gerecht zu werden…
auf gut deutsch. Ich bin die wischi waschi Koch Literatur von dem ein oder anderen deutschen Sterne Gesicht leid, weil hier eher auf Emotion, Selbstdarstellung alla Visitenkarten – Kochbuch publiziert wird. Und das Wort “Visitenkarten Koch Buch” für die gourmet Vitrine trifft es glänzend wie ich finde.
Auf der anderen Seite kann man nicht verlangen dass jeder “Modernist cuisine’ daheim stehen hat. Aber ein Werk alla Duden, Pellaprat mit App Anbindung und bezahlter Aktualisierung sollte möglich sein.
Ich hoffe sehr Herr Dollase, dass Sie Ihr Know How und Know Who einsetzen um genau in dieser Richtung weiter zu denken und so etwas in der Art dem Leser entgeltlich bereitstellen können und wollen.
Als ich Ihnen meine Küche anbot, meinte ich dies tatsächlich ernst und tue es weiterhin. Es geht nicht um mich oder um Sie. Es geht um die Liebe zur Esskultur und diese entscheidend positiv mit zu prägen.
Natürlich dürfen Sie meinen Ansatz komplett auseinander pflücken und meine Gedanken gerade rücken. Vielleicht stehe ich ja alleine mit dieser Meinung da oder Sie sind auch diesen Gedankengängen bereits erhaben und gedanklich viel weiter.
Ich grüße Sie herzlichst und wehre mich weiter gegen den Staabmixer in Verbindung mit Tomaten.
Ihr Herr Fitzek
Improvisationskoch
Mit einer Auswahl stets vorhandener Gewürze und einem elementaren “Baukasten” ggf. zu verwendender Zutaten zähle ich mich zu den sog. Improvisationsköchen. Auspropieren, mal so, mal so. Auch ohne Stern kommen die Gerichte bei den Geladenen oder zufällig Hereingeschneiten immer gut an.