Bei steigenden Mieten erregen Semestertickets zunehmend die Phantasie von Studenten. Die einen suchen Möglichkeiten, um sich von der Ticketpflicht zu befreien, die anderen erfinden neue Lebensentwürfe.
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Er studiert Wirtschaftsinformatik in Darmstadt, sie Lehramt in Heidelberg. Gemeinsam sind Lara und Tobias vor einigen Wochen nach Bickenbach gezogen – eine Kompromisslösung, mit der beide leben können. Die Gemeinde an der hessischen Grenze liegt etwa auf halbem Weg zwischen Darmstadt und Heidelberg. „Von hier aus pendeln wir täglich mit dem Zug. Mit den Studententickets lohnt sich das“, erklärt die zukünftige Lehrerin. Mit dem Darmstädter Semesterticket kann man mit Regionalzügen, S-, U-, Straßenbahnen und Bussen fast durch ganz Hessen und sogar ein Stück über die Landesgrenze hinausfahren. Mit dem Studententicket aus Heidelberg kommt man immerhin bis nach Zwingenberg, wenige Autominuten von Bickenbach entfernt.
Studententickets laden nicht nur zu Ausflügen in die nähere Umgebung ein, sondern ermöglichen es trotz Studium und Nebenjob in der Großstadt, die hohen Mieten dort zu meiden und stattdessen ins günstigere Umland zu ziehen.
Das Pendeln lohnt sich
Auch Phuc hatte zu Beginn seines Studiums vor, nach Darmstadt zu ziehen. Die Idee verwarf er jedoch schnell wieder. Auch ihm sind die Mieten in der Stadt zu teuer: „Seit Beginn meines Studiums pendle ich von Raunheim nach Darmstadt“, sagt er. Das Studententicket ist in seinem Semesterbeitrag inbegriffen, daher entstehen ihm durch die Pendelei keine zusätzlichen Kosten. Eine Menge Zeit beansprucht sie trotzdem: „Im Schnitt brauche ich für die Strecke eine bis anderthalb Stunden.“ Schlimm findet er das aber nicht: „Die Zeit im Zug nutze ich einfach, um zu lernen.“ Pendel-Studierende wie Tobias, Lara und Phuc gibt es immer mehr im Rhein-Main-Gebiet. Schließlich sind nur in München die Mieten noch teurer als in Frankfurt; Darmstadt steht derzeit auf Platz vier der Städte mit den höchsten Mietpreisen Deutschlands.
Lara zahlt für ihr Semesterticket in Heidelberg halbjährlich 205 Euro, Tobias und Phuc mit 125 Euro noch weniger. Zum Vergleich: Nicht-Studierende zahlen im Rhein-Main-Gebiet monatlich 280 Euro, im Halbjahr also rund 1680 Euro.
Diese Differenz weckt Begehrlichkeiten. „Woher soll ich denn plötzlich soviel Geld für ein Ticket nehmen?“, fragte sich Sophie, als sie vor einem Jahr aufhörte zu studieren und seither im sozialen Bereich tätig ist. Für ihr Problem fand sie eine schnelle Lösung – ein Scheinstudium. Auf dem Papier studiert sie also weiter, zu Beginn jedes Semesters überweist sie ihren Semesterbeitrag. Nur zu den Vorlesungen erscheint sie nicht. Ganze 1309 Euro spart sie damit jedes Halbjahr. Und Sophie ist kein Einzelfall, die Dunkelziffer der Scheinstudenten ist hoch.
Schlupfloch für lehrwillige Studenten
Unter einigen echten Studenten ist das Semesterticket aus einem anderen Grund umstritten. An den meisten deutschen Hochschulen muss das Ticket von allen Studenten bezahlt werden – ob man es nutzt oder nicht. Für Studierende, die auf dem Campus wohnen oder mit dem Fahrrad zur Uni fahren, ist das ärgerlich. Nur unter einigen wenigen Bedingungen kann man sich die Kosten für das Semesterticket zurückerstatten lassen, etwa im Falle eines Auslandssemesters oder eines Praktikums in einer anderen Stadt. Auch aus gesundheitlichen Gründen oder wenn man promoviert und keiner Präsenzpflicht mehr unterliegt, können die Kosten erstattet werden.
Und auch eine Art Schlupfloch für die Rückerstattung des Semestertickets gibt es im Bundesland Hessen. Studenten, die gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, können dort als Vertretungskräfte von Schulen engagiert werden. Der Clou dabei: Als Mitarbeiter des Landes Hessen erhalten die externen Lehrkräfte ein hessenweit gültiges Landesticket, das bereits vom ersten Einsatz im Klassenzimmer an gültig ist und mit dem man am Wochenende sogar jemanden mitnehmen kann. Möglich wird dies durch das hessische Programm „Verlässliche Schulen“, das den Eltern feste Betreuungszeiten garantieren soll. Studenten, die daran teilnehmen möchten, können sich direkt bei den Schulen bewerben. Dabei sollte natürlich das Wohl der zu unterrichtenden Kinder und Jugendlichen die größte Motivationsquelle sein.
Jede Uni bietet unterschiedliche Zusatzleistungen
Mit gut 220 Euro pro Semester teilen sich Frankfurt und Hannover Platz eins der teuersten Studententickets an deutschen Hochschulen. Damit zahlen die Frankfurter Studierenden fast 100 Euro mehr als ihre hessischen Kommilitonen in Darmstadt, dürfen allerdings auch die öffentlichen Verkehrsmittel in Nordhessen kostenlos nutzen. Am günstigsten bewegen sich Studierende in Augsburg fort, knapp 63 Euro zahlen sie im Halbjahr. Ihr Ticket gilt allerdings auch nur für den Innenstadtraum.
Grundsätzlich gilt: Jede Hochschule hat unterschiedlich hohe Semestergebühren, somit variieren die Kosten für das Semesterticket. Von Hochschule zu Hochschule gibt es unterschiedliche Geltungsbereiche und Zusatzleistungen. Vielerorts gilt der Studentenausweis nicht nur als Fahrkarte für Bus und Bahn, sondern auch als Eintrittskarte: In Frankfurt bekommen die Studierenden beispielsweise kostenlosen Eintritt in städtische Museen und in den Palmengarten. Die Darmstädter Studierenden können kostenlos das Staatstheater besuchen. Es lohnt sich, den Geltungsbereich des eigenen Semestertickets genauer unter die Lupe zu nehmen.
Anmerkung des Blogseminars: Bei dem Preisvergleich im Text bezieht sich die Autorin ausschließlich auf Semestertickets, deren Kosten vollständig in den Semesterbeitrag inkludiert und somit für alle Studierenden verpflichtet sind. An einigen Universitäten wie beispielsweise in Erlangen-Nürnberg und München, auf die in den Leserkommentaren hingewiesen wurde, ist jedoch nur ein Solidarbeitrag des Tickets inbegriffen. Studierende können somit entscheiden, ob sie freiwillig ein zusätzliches Semesterticket erwerben oder nicht.