Die Abschlüsse von Universität und Fachhochschule sind formal gleich und trotzdem wechseln nur wenige nach dem Bachelor die Hochschulform. Für wen ist ein Wechsel sinnvoll und wie durchlässig ist das System?
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„Ein Bachelorabschluss ist ein Bachelorabschluss“, sagt Anna Scheer. Als Studienberaterin an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena entscheidet sie mit, wer zum Master zugelassen wird und wer nicht. Woher die Bewerber kommen, spielt ihr zufolge keine Rolle: „Wer die Voraussetzungen erfüllt, wird zugelassen. Dann ist es egal, ob der Bachelor an einer FH oder einer Uni eingeschrieben war.“
Die alte Regel – Universität theoretisch, Fachhochschule praktisch – gilt prinzipiell bis heute. Die FH war zu ihrer Einführung Ende der 1960er eine Revolution im Bildungswesen. Studieren ging nun auch ohne Abitur. Eine Berufsausbildung oder Fach-Abi reichten aus. Statt Hausarbeiten gibt es Projekte, der Anwendungsbezug steht im Vordergrund. Mit der Bologna-Reform wurden vor zwanzig Jahren alle Bachelor- und Master-Abschlüsse formal gleichgestellt. Auf den Zusatz (FH) hinter dem akademischen Grad können die Fachhochschulen seitdem verzichten. Viele nutzen heute auch gerne den englischen Namen University of Applied Sciences und bieten forschungsorientierte Master an. Auf der anderen Seite haben auch manche Unis mittlerweile anwendungsbezogene Bachelor. Die Grenzen verschwimmen.
Formeln und ihre Herleitung
Für Wechsler sind die Zulassungsvoraussetzungen trotzdem oft eine Herausforderung. Für den BWL-Master setzt die Uni Jena beispielsweise jeweils sechs Credit Points in den Bereichen Statistik und Mathematik voraus – eine Vorgabe, die die eigenen Absolventen natürlich mitbringen. In Jena gibt es mit der Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) aber auch eine Fachhochschule, an der man BWL studieren kann. Dort umfasst das Modul Mathematik und Statistik insgesamt nur sechs Credit Points, für Studienwechsler also eigentlich zu wenig.
BWL-Student Marcel erhielt den Masterplatz an der Uni trotzdem. Nach seinem Bachelor an der EAH wurde er mit der Auflage zugelassen, ein Modul nachzuholen. An den fehlenden mathematisch-statistischen Voraussetzungen wird für ihn ein wesentlicher Unterschied der Hochschulformen deutlich: „Wir hatten Formeln und haben damit gerechnet. An der Uni hingegen wird gefragt: Wie leitet man die her?“ Da ihm diese Arbeitsweise gefiel, bewarb er sich. Anfangs waren die vollen Hörsäle und der abstraktere Stoff für ihn ungewohnt: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so theoretisch wird.“ Auch der Kontakt zu den Dozenten sei weniger persönlich als an der Fachhochschule. Mittlerweile hat Marcel sich jedoch gut eingelebt und steht kurz vor der Masterarbeit.
Andersherum funktioniert ein Wechsel auch, bringt aber andere Probleme mit sich. So fehlen Studierenden der Friedrich-Schiller-Universität, die zur Jenaer Fachhochschule wechseln, ebenfalls Punkte, denn der BWL-Bachelor hat dort 210 statt 180 Credit Points. „Dafür bieten wir einen Sonderstudienplan an“, sagt Hans Klaus, Dekan des Fachbereichs Betriebswirtschaft an der Fachhochschule. Die Studierenden holen entweder neben den regulären Kursen oder in einem vorgeschalteten Semester einfach die Punkte nach.
Prestige oder Praxis?
Bologna hat neue Möglichkeiten geschaffen. „Ich kenne noch Zeiten, da musste man mit einem FH-Studium an der Uni im ersten Semester anfangen“, sagt Dekan Klaus. Auch Studienberaterin Scheer von der Uni sieht in der Mobilität große Vorteile: „Ich finde es toll, dass man nach einem Bachelor nochmal die Vertiefung, den Studienort und sogar von der FH an die Uni wechseln kann.“ Dass die Masterstudierenden dann alle unterschiedliche Voraussetzungen hätten, sei eine Herausforderung, aber auch eine Chance: „Es kann total bereichernd sein, wenn im Unterricht Theorie und Praxis gegenübergestellt werden.“
Bisher nehmen noch nicht viele Studierende diese Wechselmöglichkeit wahr, zeigen Befragungen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Die Mehrheit der Absolventen (41 Prozent an der FH, 78 Prozent an der Uni) bleibt nach dem Bachelor einfach weiter an ihrer Hochschule. 16 Prozent der FH-Absolventen wechseln an die Uni und nur zwei Prozent der Uni-Absolventen wechseln an die FH. Der Rest beendet sein Studium nach dem Bachelor.
Dass bei einem Wechsel der Hochschulform auch die soziale Herkunft eine Rolle spielt, haben die Bildungsforscher Markus Lörz und Martin Neugebauer herausgefunden. „Wir beobachten, dass insbesondere Studierende mit akademischem Familienhintergrund die Durchlässigkeit zwischen den Hochschultypen nutzen. Studierende aus einem nicht-akademischen Elternhaus machen von dieser Möglichkeit sehr viel seltener Gebrauch“, erklärt Lörz. Aus den unterschiedlichen Wechselströmen, die eher hin zur Universität zeigen, lasse sich zudem feststellen, „dass ein Universitätsmaster weiterhin für viele eine attraktivere Option darstellt“, schreiben die beiden Forscher in einem 2019 veröffentlichten Aufsatz. Mehr Prestige sowie die Aussicht auf mehr Gehalt und eine Promotion sind dabei wichtige Motivationsfaktoren.
Sinnvoll zusammenarbeiten
Die Hochschulrektorenkonferenz wünscht sich, dass die Möglichkeiten des zweistufigen Studiensystems noch stärker genutzt werden. Die Bachelorprogramme seien teilweise so spezialisiert, dass sie lediglich ein Studium in einem direkt anknüpfenden Masterprogramm ermöglichen. Daran müssten die Hochschulen noch arbeiten. In Jena hat man erkannt, dass die Stärken der beiden Hochschulformen auch gemeinsam genutzt werden können. Seit 2014 bieten Uni und EAH einen gemeinsamen Studiengang im Bereich Wirtschaftsinformatik an. Studierende im BWL-Master an der Uni können außerdem seit Kurzem die Vertiefung “Personal” wählen. Die Kurse dazu werden an der nahen Fachhochschule gehalten.
Wer vorhat, nach dem Bachelor nicht nur die Hochschule, sondern auch die Hochschulform zu wechseln, sollte sich frühzeitig über die Zulassungsvoraussetzungen der Masterstudiengänge informieren. Die Beratungsangebote der jeweiligen Hochschulen sind dafür gute Anlaufstellen. In Jena versuche man, „so wenig Steine wie möglich in den Weg zu legen“, sagt Studienberaterin Scheer. „Es muss aber auch umgekehrt seitens der Studierenden die Bereitschaft da sein, sich darauf einzulassen.“ Ein Wechsel ist nicht unkompliziert, er kann sich aber lohnen.