Eine Hymne auf Jesus oder auf den Sex? Prince verschmolz alles mit allem. In diesem Song aus dem Film „Purple Rain“ legte er außerdem sein ästhetisches Programm offen.
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Lange bevor er 2016 starb, hatte sich um Prince bereits eine Art der Legendenerzählung herausgebildet, die sich von anderen Popstar-Narrativen unterscheidet. Wenn Prominente wie Kevin Smith, Charly Murphy oder Jimmy Fallon in Interviews von persönlichen Begegnungen mit dem Sänger berichten, folgen ihre Storys stets einer bestimmten Struktur: Prince kommuniziert zunächst über Boten und Mittelsmänner, taucht dann aus dem Nichts auf, spricht ausschließlich in Gleichnissen und verschwindet wie von Geisterhand. Diese Geschichten zeugen von der schieren Freude an dem Spiel, gemeinsam eine überzeichnete Kultfigur zu erschaffen. Dass ausgerechnet Prince zum buchstäblichen „Symbol“ für Verrätselung und Unantastbarkeit wurde, ist selbstverständlich kein Zufall.
Verdichtet wie nirgendwo sonst hat Prince in „I Would Die 4 U“ an dieser Persona gearbeitet. Zunächst klingt der Song, der 1984 als vierte Single des Albums zum gleichnamigen Film „Purple Rain“ veröffentlicht wurde, so eingängig und unproblematisch, dass einem beinahe entgeht, was im Text passiert. Hier bezeichnet sich jemand als „Messias“. Und es wirkt zunächst nicht wie ein staunender Kommentar zur eigenen Popularität, nicht wie ein Kokettieren mit dem Rummel um die eigene Person. Es ist eine selbstbewusste Setzung, zugleich mit einer dominanten Aufforderung an das Gegenüber verbunden: „All I really need is to know that you believe“. Nur noch mit einem Bein steht Prince damit in einer Soul- und Gospel-Tradition, in der es nicht unüblich ist, der christlichen Heilsbotschaft quasi als Medium eine Stimme zu verleihen.
„You’re just a sinner I am told“
Denn hier singt nicht bloß der als Siebenten-Tags-Adventist aufgewachsene Sänger, der sein Publikum wie zum Beispiel auf „Let’s go crazy“ immer wieder en passant mit religiösen Themen versorgt. In erster Linie ist „I Would Die 4 U“ ein Liebeslied. Im Film „Purple Rain“ dient es als fröhlicher Kehraus nach dem emotionalen Titelsong. Es erklingt nachdem „Kid“, wie die von Prince gespielte Figur heißt, sich nach einem Suizidversuch des Vaters bei seinem gesamten Umfeld für seine Egomanie entschuldigt. Mit den Worten „I never meant to cause you any sorrow“ versöhnt er sich mit der Geliebten Apollonia, mit der Band, dem Veranstalter und der Familie. Als der berühmte lila Regen endet, ist es Zeit für eine Hymne auf Apollonia.
Hat man noch den späteren Prince im Kopf, den Zeugen Jehovas, der sich immer häufiger fromm und introspektiv gab, vergisst man leicht, für was er 1984 stand. Seit „Dirty Mind“ hatte er sich einen Namen durch Songs über Inzest und Blowjobs gemacht und sang in Tanga und Highheels über benutzte Kondome. Spätestens wenn er sich während der Performance von „I Would Die 4 U“ gleichzeitig Schritt und Po reibt, wird klar: auch die Jesus-Thematik wird gnadenlos sexualisiert.
Aus seinem Mund drückt die Zeile „You’re just a sinner I am told / Make you fire when you are cold“ vor allem Neugier auf die Liebesbiographie der Adressatin aus, der Verweis auf die sakramentale Gnade Gottes steht im Hintergrund. Bereits auf „Little Red Corvette“ hatte Prince 1982 gesungen: „’Cause I felt a little ill / When I saw all the pictures / Of the jockeys that were there before me“. Hier wie dort weicht die Irritation sofort lustvoller Anziehung. „Make you good when you are bad“ ist ein für Prince typisches Gegensatzpaar, in dem die „Badness“ natürlich guttut, und das, was guttut, in gewisser Weise „bad“ ist.
„I’m not a woman / I’m not a man / I am something that you’ll never understand“
Die Auflösung aller Kontraste bewirkt aber noch mehr. In wenigen Worten breitet Prince sein ganzes künstlerisches Programm aus. In den Widmungen von „Purple Rain“ wünscht er seinen Hörern nicht ohne Grund „may you live 2 see the Dawn“. Denn sie ist das Herzstück seiner Ästhetik: die Dämmerung. Für den schwarzen Rocksänger, den funky Joni-Mitchell-Fan, den zierlichen Womanizer mit üppigem Brusthaar und rasierten Beinen, den Bewunderer von Sly & the Family Stone ist die Stunde dann gekommen: wenn Tag und Nacht sich angleichen, männliche und weibliche Identität sich aufheben, rot und blau zu „purple“ wird – und alles Offensichtliche sich im Halbverborgenen versteckt.
Mitte der achtziger Jahre verband zudem kein anderer Mainstream-Künstler den organischen Charakter einer eingespielten Funkband so souverän mit elektronischer Avanciertheit. Den Mitgliedern seiner Band The Revolution präsentierte Prince eine Rohfassung von „I Would Die 4 U“ wohl zum ersten Mal 1981 während der Tour zum Album „Controversy“. In der Folge jammte man immer wieder mit dem Material. Eine etwa zehnminütige Variante des Songs, die ebenfalls veröffentlicht wurde, zeigt sehr schön seine Wurzeln in der Improvisation. Die Albumversion schließlich wurde am 3. August 1983 live im First Avenue Club in Minneapolis aufgenommen. Nicht nur das Schlagzeug wurde hierfür im Vorfeld programmiert. Auch den Bass spielte man zunächst auf einem Keyboard ein. Die Bass-Sequenz und die Drums wurden danach mit Hilfe eines MIDI-Kabels synchronisiert, das man über ein Interface an die Drum-Machine der Marke Linn anbrachte. Verschiedene elektronische Klangerzeuger so aufeinander abzustimmen, war zu diesem Zeitpunkt noch keine Selbstverständlichkeit.
Dem für den Bass zuständigen Keyboarder Dr. Fink ermöglichte das Vorgehen, die Akkorde seiner Kollegin Lisa Coleman zusätzlich zu grundieren, was dem Song mehr Schwere gibt. Abgefedert wird das durch filigrane Sechzehntel-Hi-Hats und die eigentlich untypische Platzierung der Bassdrum auf dem zweiten statt auf dem ersten Schlag. Es waren Programmierungen wie diese, die Prince in den Achtzigern auch zu einem Idol der noch jungen Techno-Szene werden ließen. Die frühen Pioniere des Detroit-Techno etwa, die „Belleville Three“ Juan Atkins, Derrick May und Kevin Saunderson, rühmen bis heute die außerordentliche Bedeutung der Prince’schen Drums für ihre Musik.
„No need to worry / No need to cry / I’m your messiah, and you’re the reason why“
Während der überdrehten Tanzperformance kurz vor Schluss gibt es einen Moment, in dem Prince von sich selbst amüsiert zu sein scheint: Noch im Spagat blitzt in seinem Gesicht ein Lächeln auf, er signalisiert Distanz zu seiner Rolle. „I would Die 4 U“ – nur ein Laune? Dass in Prince sogar ein komödiantisches Talent steckt, hat vielleicht am frühesten Miles Davis bemerkt. Er sei eine Mischung aus James Brown, Jimi Hendrix, Marvin Gaye und Charlie Chaplin. Letzteren erkenne man wieder, wenn Prince sich auf der Bühne bewege. Aber es ist nicht nur die präzise Beherrschung von Körper und Gestik, die den Chaplin-Vergleich naheliegender macht, als man zunächst denken mag. Wie er war Prince jemand, der alles wie ein Spiel aussehen lassen konnte, ein Virtuose der Kindlichkeit.
I’m not a woman
I’m not a man
I am something that you’ll never understand
I’ll never beat you
I never lie
And if you’re evil I’ll forgive you by and by, ’cause…
You – I would die for you, yeah
Darling if you want me to
You – I would die for you
I’m not your lover
I’m not your friend
I am something that you’ll never comprehend
No need to worry
No need to cry
I’m your messiah, and you’re the reason why, ’cause…
You – I would die for you, yeah
Darling if you want me to
You – I would die for you!
You’re just a sinner I am told
Be your fire when you’re cold
Make you happy when you’re sad
Make you good when you are bad
I’m not a human
I am a dove
I’m your conscience
I am love
All I really need is to know that you believe
Yeah, I would die for you, yeah
Darling if you want me to
You – I would die for you
Yeah, say one more time
You – I would die for you
Darling if you want me to
You – I would die for you
2, 3, 4, you!
I would, die for, you
I would, die for, you
You – I would, die for, you
You – I would, die for, you