Pop-Anthologie

„Me and Bobby McGee“

Bei Kris Kristofferson klang dieser Song noch wie ein Depressionsbeschleuniger erster Güte. Janis Joplin gab ihm Euphorie, Sehnsucht und die Aura der Selbstzerstörung: „Me and Bobby McGee“.

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Janis Joplin

Zehn Worte, wenn man das gekürzte „is“ mitzählt, tun sich zusammen, um einen Begriff zu klären: „Freedom’s just another word for nothin’ left to lose“.

Die Freiheit: Was soll sie sein, worin besteht sie? Neben all den Reden, die zu ihrem Lob gehalten werden, den Büchern und Essays, die sie erläutern, liegt diese lakonische, kieselharte Definition ziemlich unbeachtet am Rand des Diskursraums. Franziskanisch klingt sie: Löse dich von deinem Besitz, nur wer arm ist, ist frei. Aber muss und will denn der Mensch nicht essen und trinken, sich gegen Regen und Kälte schützen, seine Zähne erhalten, Sinn produzieren und auf ein Bröckchen Ewigkeit hoffen? Ist er nicht ein ständig bedürftiges und abhängiges Wesen, unfrei von Kind an zum Erbarmen? Wenn er tatsächlich nichts mehr zu verlieren hat und als Drifter mit Mundharmonika herumzieht – was bleibt ihm dann übrig als andere, arbeitende, also unfreie Menschen zu bitten, ihm einen Lift im Auto zu schenken und ein paar Burger und ein großes, großes Bier? Wie kann das Freiheit sein? Ist er nicht völlig daneben, dieser wunderbare Satz, und trotzdem, als Beschreibung eines Lebensgefühls, vollkommen wahr?

Janis Joplin singt ihn innig, geradezu sanft, und jeder, dessen Ohr noch nicht gänzlich verschorft ist, wird von seiner Wehmut erfasst und durchgerüttelt werden. Freiheit, endlich und ohne Ende, als zielloses On the road durch ein monumentales Land. Nur den Moment auskosten, nicht an Morgen und Übermorgen denken und schon gar nicht an Karriere und Verdienst und Hab und Gut, was den geregelt Lebenden bleischwer an den Fersen hängt. Und findet das Ich ein anderes Ich, das den Blues singt, sind Liebe, Wärme, Musik mit dabei und widerlegen das bittere „nothin’, really nothin’“. Die Ballade beginnt, das Glück siegt übers launische Wetter, Zärtlichkeit und Zuversicht blühen, auch wenn das übliche, trostlose Ende schon zu ahnen ist: Der Moment kann nicht dauern, denn der Eine will irgendwann doch ein Zuhause und stabile Verhältnisse und die Andere will es nicht. Trennung also, Verlassenheit, Reue und der Schwur: Mein ganzes Morgen würde ich geben für einen einzigen Tag unseres Gestern, für Bobbys Körper an meinem.

Kurz ist die Geschichte und bald vorbei, doch ein „La da da“ folgt, das sich ausdehnt und höher schraubt, als ginge der Song erst richtig los,  wenn er die Worte hinter sich lässt und die unverkennbare, immer härter und rauher und rostiger werdende Joplin-Stimme zu sich selbst findet. Dauerte diese Coda doppelt so lang, hätte man auch nichts dagegen. Weiter, weiter! Man glaubt zu hören, wie die Sängerin schwankt und torkelt. Wenn der letzte Akkord abbricht, sieht das innere Auge Janis am Boden, die Flasche Southern Comfort noch in der Hand.

Fred Foster, der an der Entstehung des Textes beteiligt war, zumindest die Anregung dazu gab, hatte die „Monument Records“ aufgebaut, wo der noch unbekannte Kris Kristofferson unter Vertrag stand, der nicht nur sang, sondern auch komponierte. Ihm schlug Foster 1969 das Thema vor („ein Pärchen zieht herum und trennt sich wieder“) und den Namen einer Frau, die er kannte und die ihm vielleicht nicht gleichgültig war: Barbara „Bobby“ McGee, Sekretärin eines bekannten Popmusik-Komponisten. Eigentlich hieß sie McKee, Foster hatte sich verhört, aber das erwies sich als unwichtig, wichtiger und günstiger war, dass der Name auf beide Geschlechter passte. Nachdem Kristofferson über Monate an dem Song herumlaboriert hatte, wurde er schließlich mit dem Country-Sänger Roger Miller aufgenommen und war ein Erfolg. Kristoffersons eigene Version erschien im August 1971 und war ebenfalls erfolgreich. Seit beinahe 50 Jahren hat er „Me and Bobby McGee“ in unzähligen Konzerten gesungen und singt es vielleicht auch, wenn er im Juni für drei Auftritte nach Deutschland kommt.

Fred Foster machte Geld, eroberte sich einen Platz in der „Country Music Hall of Fame“, zeugte fünf Kinder und starb im Alter von 87 Jahren im vergangenen Februar. Kris Kristofferson, 82, gelernter Hubschrauber-Pilot, hielt sein rechtschaffenes Country-Image aufrecht, drehte Filme, war eine Zeit lang ein Star und zeugte acht Kinder. Als er auf seiner ersten LP von Bobby sang („she“), klang der Song nachtschwarz, ein Depressionsbeschleuniger erster Güte. Im Laufe der Jahre verwandelte er das Lied in ein wohlklingendes Memoir, und so kann man es ja auch verstehen: „Feelin’ good was good enough for me“, heißt ein Vers. Zwar vorbei, aber erlebt und dankbar erinnert.

Doch eigentlich gehört der Song Janis Joplin. Joplin schaffte nur 27 Jahre, hatte keine Kinder und wurde erst 1995, also ein Vierteljahrhundert nach ihrem Tod, in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen (ist es zu fassen?). Noch später, 2013 (hat sich niemand geschämt?), erhielt sie einen Stern auf Hollywoods Walk of Fame. Kris Kristofferson war dabei und spielte den Song, der sie mit ihm verbindet. Denn obwohl es Dutzende Cover-Versionen gibt, denkt jeder an Janis, wenn von „Me and Bobby McGee“ die Rede ist.

Wie sie singt? Herzzerreißend. Sie hat gelebt, was der Song erzählt und ausdrückt. Sie kennt die Euphorie des Anfangs, die Ruhelosigkeit, den Schmerz, die Betäubung, die Sehnsucht, die Selbstzerstörung. Ihr glaubt man, dass sie auf jede Zukunft verzichten würde, könnte sie Bobby („he was my man“) nur noch einmal einen Tag lang im Arm halten. Sie, die auf manchen Fotos so kindlich aussieht wie eine Fünfzehnjährige, auf anderen aber, als habe sie bereits ein langes, wehes Leben durchlebt, singt sich die Seele aus dem Leib, wie man so sagt, was aber in ihrem Fall bedeutete: den Löffel abzugeben. Im September 1970 begannen im Sunset Sound Recorders Studio in Los Angeles die Aufnahmen für die neue LP „Pearl“, die ihre beiden bekanntesten Lieder enthält: die a cappella gesungene, ironische Bitte um einen „Mercedes Benz“ („Mörcidies Bänz“) und eben die Ballade von der Liebe zu Bobby McGee. Am 4. Oktober dann wurde Janis Joplin tot im Hotel aufgefunden.

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Me and Bobby Mc Gee

Busted flat in Baton Rouge, waitin’ for a train

And I’s feelin’ near as faded as my jeans

Bobby thumbed a diesel down, just before it rained

It rode us all the way to New Orleans

I pulled my harpoon out of my dirty red bandanna

I was playin’ soft while Bobby sang the blues, yeah

Windshield wispers slappin’ time, I was holdin’ Bobby’s hand in mine

We sang every song the driver knew

Freedom’s just another word for nothin’ left to lose

Nothin’, don’t mean nothin’ hon if it ain’t free, no no

And feelin’ good was easy, Lord, when he sang the blues

You know, feelin’ good was good enough for me

Good enough for me and my Bobby McGee

From the Kentucky coal mine to the California sun

There Bobby shared the secrets of my soul

Through all kinds of weather, through everything we done

Yeah, Bobby baby kept me from the cold

One day up near Salinas, Lord, I let him slip away

He’s lookin’ for that home, and I hope he finds it

But, I’d trade all of my tomorrows, for a single yesterday

To be holdin’ Bobby’s body next to mine

Freedom’s just another word…

 La da da, la da da da…

Well, I call him my lover, call him my man

I said, I call him my lover did the best I can, c’mon…

(Kris Kristofferson / Fred Foster)