Pop-Anthologie

Dire Straits: „Sultans of Swing“

Berufs-Jazzer, ausgelacht von jungen Rockern: Der Dire-Straits-Klassiker „Sultans of Swing“ beschreibt mit viel Selbstironie einen grauen Musiker-Alltag, nur um dann in ein Gitarrensolo für die Ewigkeit zu münden.

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Mark Knopfler

Wenn der Song beginnt, geht es nicht los, sondern weiter, als rattere ein Zug heran, der schon lange fährt und gleichmäßig Tempo hält. Spring auf, fordert er, hier wird weder gerast noch plötzlich gebremst, du hast nichts zu fürchten. Der Rhythmus treibt, erhöht den Puls und schärft die Ohren, alles maßvoll und sehr angenehm. Vielleicht hast du schon Lust zu tanzen, wenn der Sprechgesang einsetzt, ebenfalls unaufgeregt, ohne Drama oder Gebrüll. Wer singt? Heute eine dumme Frage, doch als der Zug 1978 startete, wurde sie durchaus und irritiert gestellt. Die Stimme und mehr noch die Art, wie sie sang, klangen vertraut. War es etwa Dylan himself mit einem Nachklapp von „Blonde on Blonde“, dem Doppelalbum von 1966, forever the best? Wer sonst betonte und dehnte denn einzelne Silben so eigenwillig? „Oohh, Maama, is this reahl-ly the eeennnd…“ Nun, ein Dutzend Jahre später, heißt der Sänger Mark Knopfler, ist gänzlich unbekannt und die Musik klingt auch ungewohnt. „You get a shiver in the daark, it’s raining in the paark …“  Dem großen Bob verwandt, zweifellos, trotzdem eigen.

„Sultans of Swing“ war die erste Single von Dire Straits, ausgekoppelt aus ihrem ersten Album, beim ersten Release ein Mittelfeld-Steckenbleiber, beim zweiten, nach einem Umweg über Amerika, ein gigantischer Hit auch in Europa. In geradezu epischem Zeitmaß hatte sich die Produktion hingezogen, so dass es zum Gipfelsturm nicht nur Mark Knopfler und die Gruppe brauchte, sondern auch die Geduld, den Glauben und das Gespür vieler Bewohner der Ebene, vom ersten Hörer des Demo-Bands (DJ Charlie Gillett, der den Song viele Male in seiner Radio-Show laufen ließ) über den Produzenten (Muff Winwood, Steves Bruder) bis zu den Leuten beim Grafikatelier Hothouse, wo Art Director Alan Schmidt sich mitten in buntesten ABBA-Zeiten für ein minimalistisches  Cover in sanften Farben nach einem Bild von Chuck Loyola entschied. Viel Enthusiasmus also und geballter Trotz, um dem Mainstream eins auf die Locken zu geben.

Wofür? Was wird erzählt? Eine irgendwie sensationelle Story? Nichts da. Wahr im Sinne von „selbst erlebt“ ist sie, aber eigentlich bloß eine Situationsbeschreibung. An einem dunklen Abend rettet sich der Erzähler, der niemals „I“ sagt, sondern „you“, als könne, was folgt, jedem passieren, vor dem Londoner Nieselregen in einen halbleeren Pub, wo eine Dixie-Band spielt, deren Musik keiner hören will, vor allem nicht die Jugendlichen in ihren Hosen mit Schlag und den Stiefeln mit Plateau-Sohlen. Sie wollen Rock’n’Roll, schon der Klang der Blechbläser nervt sie. Nur der hereingeschneite Hörer mag den Sound und natürlich die, die ihn produzieren, eifrige Amateure, die sich trotz Misserfolg mit einem bombastischen Namen schmücken: „Sultans of Swing“ heißen sie, und das ist dann die Pointe.

Sehr leicht und erfolgversprechend wäre es, sich über die vermutlich schon reiferen Jazz-Liebhaber lustig zu machen und Partei für die Rock-Anhänger zu ergreifen. Doch die Einschränkung „what they call Rock and Roll“ (die Betonung liegt auf „they“) funktioniert als Distanz-Marker in ihre Richtung: die herausgeputzten Jungs sind mindestens ebenso lächerlich wie die Dixieland-Fans. Der zufällige Zeuge erkennt die Komik, die jedem Leben innewohnt und die Vergeblichkeit des Bemühens, andere mit der eigenen Kunst zu erfreuen. Er reagiert mit Empathie, nicht mit Hohn.

Die Szene wirkt wie ein Vorgriff auf Jim Jarmuschs „Down by Law“ von 1983. Sie zeigt einen schwarz-weißen, schäbigen Alltag, der auch denen vertraut ist, die es besser getroffen haben. Als Knopfler einen Song daraus zu machen versuchte, hielt er die erste Version für „dull“. Zu langweilig, ohne Panik-Potential, Erotik, Aggression und Feuer. Reflektiert wurden die eigenen Lebensumstände: auch die Dire Straits-Musiker brauchten „daytime jobs“, um sich am Leben zu halten. Gerade erst hatten sie die Gruppe gegründet und schienen so chancenlos wie die Sultans. Ihr Song klagt nicht darüber, sondern überreicht eine Packung freundlichen Spotts, in den sie  selbst einbezogen sind. Ob das jemand hören will?

Laut Youtube wollten es über hundert Millionen hören, oder zehn Millionen zehn mal. Macht geradezu Hoffnung. Andererseits und deutlich gefragt: Ist es der Text? Er ist vorzüglich, aber steht doch an zweiter Stelle. It’s the music, stupid. Mark Knopfler hat nicht nur die Lyrics geschrieben und die Musik komponiert und singt. Er spielt Gitarre. Mark Knopfler spielt Gitarre. Spielt Gitarre. Was sind da Worte! Schluss damit.

Dire Straits – Sultans of Swing

„Sultans of Swing“

You get a shiver in the dark
It’s raining in the park but meantime
South of the river you stop and you hold everything
A band is blowing Dixie double four time
You feel alright when you hear that music ring

You step inside but you don’t see too many faces
Coming in out of the rain to hear the jazz go down
Too much competition too many other places
But not too many horns can make that sound
Way on downsouth way on downsouth London town

You check out Guitar George – he knows all the chords
Mind he’s strictly rhythm, he doesn’t want to make it cry or sing
And an old guitar is all he can afford
When he gets up under the lights to play his thing

And Harry doesn’t mind if he doesn’t make the scene
He’s got a daytime job, he’s doing alright
He can play honky tonk just like anything
Saving it up for Friday night
With the Sultans
With the Sultans of Swing

And a crowd of young boys they’re fooling around in the corner
Drunk and dressed in their best brown baggies and their platform soles
The don’t give a damn about any trumpet playing band
It ain’t what they call rock and roll
And the Sultans played Creole

And then the man he steps right up to the microphone
And says at last just as the time bell rings
„Thank you goodnight, now it’s time to go home“
And he makes it fast whith one more thing
„We are the Sultans of Swing“