Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Alle in einem Bett

© Picture AllianceSüße kleine Füße, ja – aber sie werden schnell groß und landen nachts auch mal in den Gesichtern der Eltern.

„Nimm bitte den Fuß aus meinem Gesicht und leg dich richtig rum!“ – „Menno, ich hab‘ gar keinen Platz, Papa, rutsch mal!“ – „Wie denn? Mein Hintern hängt doch schon in der Luft!“ So lief das gestern Abend vor dem Einschlafen, und so oder so ähnlich am Abend davor, und am Abend davor. Meistens habe ich auf „meiner“ Bettseite (die es in Wirklichkeit natürlich nicht gibt) auch noch ein mehr oder weniger schläfriges Baby an der Brust und muss aufpassen, dass der Vierjährige ihm nicht aus Versehen mit dem Bein oder einem anderen Körperteil eins über die Rübe zieht, während er sich durchs Bett wühlt. Gottlob, der Schlaf kriegt sie irgendwann alle…

Sie merken: Bei uns kommt im Bett keine Langeweile auf. Wir haben uns nie Gedanken gemacht darüber, ob wir nun „Team Familienbett“ sind oder nicht. Fakt ist: Wir sind eine Familie, und wir haben ein Bett. Der Rest hat sich ergeben. Dabei haben wir uns, als unser erster großer Sohn geboren wurde, noch viele Gedanken übers Schlafen als Familie gemacht. Schließlich steht in jedem Handbuch für junge Eltern: Babys sollen in ihrem eigenen Bett schlafen, vor allem aus Sicherheitsgründen. Das leuchtete ein. Aber wie das eben mit solchen Büchern ist: Die Kapitel übers eigene Kind fehlen. Baby Ben schlief am besten in unserer unmittelbaren Nähe ein, am liebsten auf meinem oder Papas Bauch liegend – ja ja, ich weiß, um Gottes Willen!

Auch als er größer wurde, fand er nur in den Schlaf, wenn jemand bei ihm war. Mein Mann und ich haben auch nie versucht, ihm das abzugewöhnen, warum auch? Die lange Zeit verbreitete Auffassung, man müsse Kinder nur lang genug allein schreien lassen, bis sie „schlafen lernen“ (das unsägliche Standardwerk dazu ist bis heute im Umlauf), halte ich nicht nur für Quatsch, sondern geradezu für Kindesmisshandlung. Gemeinsam einschlafen war für uns immer wunderbar kuschelig, und es gibt für mich kaum etwas, das mehr Ruhe und Frieden bringt, als sein schlafendes Kind neben sich atmen zu hören. Mit etwa drei Jahren fand Ben dann aber sein Kinderbett auf einmal ziemlich cool und schlief nach der obligatorischen Vorlesegeschichte am Abend gut darin ein. Mein Mann und ich waren zwar ein bisschen wehmütig („Er ist schon so groß und will bestimmt nie wieder kuscheln!“), aber auch ein bisschen froh. Spätestens, wenn der Morgen graute, war ohnehin irgendwann ein leises Rumpeln, dann ein Tapsen aus dem Kinderzimmer zu hören. Ben kletterte schlaftrunken zu uns unter die Decke und schlief noch eine Weile weiter.

Als ich mit Lukas schwanger war, fand Ben es dann plötzlich wieder doof, allein zu schlafen. Und weil wir ihm nicht das Gefühl geben wollten, dass er wegen des Babys ausquartiert wird, schläft er nun eben wieder im Schlafzimmer. Nach der Geburt von Lukas vor sieben Monaten mussten wir deshalb eine ganze Menge experimentieren: Am Anfang haben das Baby und ich auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen, dann auf der Gästecouch im Kinderzimmer, dann allein im Schlafzimmer (und Ben und sein Vater im Kinderzimmer). Schließlich waren wir zu viert im Elternbett: die beiden großen Männer „richtig rum“, ich quer am Fußende, mit Lukas neben mir und dem Stillkissen als Schutzwall gegen Querschläger. Man wird kreativ, und irgendwann tut der Rücken auch nicht mehr ganz so weh.

Mittlerweile schläft Lukas im Gegensatz zu seinem Bruder glücklicherweise ganz hervorragend in seinem Bettchen ein, wenn er mit Milch abgefüllt und auch sonst zufrieden ist. Das erleichtert das Ganze ungemein. Ich hole ihn nachts zum Stillen zu mir und kann ihn danach wieder ablegen (bisher zumindest – drücken Sie uns die Daumen). Dazwischen gibt’s Kuscheleinheiten vom großen Sohn. „Mama, ich LIEBE deine kalte Haut!“, sagt er fast jeden Abend und streicht mir dabei über den nackten Arm, und dann lächeln mein müder Mann und ich uns im Schein des Nachtlichts über einen zerzausten kleinen Kopf hinweg an und wissen, wir haben alles richtig gemacht.

Ja, wir sind Schlaf-Chaoten. Ja, es ist anstrengend. Nicht alle Eltern können oder wollen so etwas mitmachen, und ich kann es verstehen. Eine Bekannte hat ihre Tochter ins Kinderzimmer ausquartiert, als die gerade sechs Wochen alt war, und beide haben es augenscheinlich gut verkraftet. Sie hat sie ja trotzdem gefüttert und getröstet – sie hatte nur einen längeren Weg. Auch unsere Kita-Erzieherin sagt, sie hätte neben ihrer Tochter niemals schlafen können – die Kleine rotierte nachts durch das ganze Bett, und ihre Mutter brauchte einfach ein paar Stunden Schlaf, um durch den nächsten Tag zu kommen. Mein früherer Chef wiederum hatte die Maxime: Wenn das Baby nach drei Uhr nachts noch auf die Pauke haut, darf er raus auf die Couch – ob die Mutter auch so eine Exit-Option hatte, ist allerdings nicht überliefert.

Jede Familie muss selbst entscheiden bzw. herausfinden, was für sie am besten funktioniert. Idealerweise richtet sich das zuallererst nach den Bedürfnissen der Kinder. Ich weiß, es gibt Familien, die finden, das Kind müsse sich an das Leben seiner Eltern anpassen, nicht umgekehrt. Das geht mir persönlich etwas zu weit. Unsere Kinder haben unsere Tage und unsere Nächte auf den Kopf gestellt, und das ist für uns in Ordnung. Wir haben gelernt: So ein Bett ändert über die Stadien einer Beziehung eben seine Funktion. Für Zweisamkeit braucht es in Zeiten des Familienbetts andere Orte. Und andere Zeiten. Zum Ausruhen dient das Bett heute jedenfalls (wortwörtlich) nur noch am Rande. Aber wer Wert auf einen langen und erholsamen Schlaf legt, sollte sich das mit dem Kinderkriegen ohnehin lieber noch mal überlegen. Einer Studie zufolge schlafen Mütter und Väter nach der Geburt ihres ersten Kindes bis zu sechs Jahre lang schlechter und weniger als davor. Ich fürchte, das ist in unserem Fall noch ziemlich optimistisch.