Und manchmal bin ich ein erziehungstechnischer Rohrkrepierer: Warum man als Alleinerziehende mit Teenager im Haus immer wieder über Adoption nachdenkt.
Als meine Tochter und ich das erste Mal zusammen alte Folgen der Gilmore Girls sahen, fiel uns fast das Popcorn zwischen die Wollmäuse. Das waren ja wir! Eine fabelhaft aussehende, schlagfertige, jung gebliebene Mutter, und ein übersmartes, sehr hübsches (die Gene!) Kind. Wir lachten und lästerten gemeinsam mit Lorelai und Rory und fühlten uns dem unwiderstehlichen Mutter-Tochter-Duo sehr verbunden. Bei näherer Betrachtung haben wir jedoch mit beiden nur die übergroße Leidenschaft für Kaffee gemein. (Deren schlechteste Eigenschaft, ich weiß.) Ich würde niemals in Lorelais Jeans passen, und mein Kind ist nicht die Klassenbeste. Wir reißen auch nicht den ganzen Tag Witze. Leider.
Vor allem aber: mein Teenager und ich, wir lieben uns nicht jede Minute des Tages. Ich möchte das als Mutter öfter mal laut sagen dürfen, ohne mich postwendend dafür entschuldigen zu müssen. Dem pubertierenden Kind lässt man das unfairerweise als altersgemäß durchgehen, bei Müttern sind solche Aussagen jedoch verpönt. Niemand widerspricht mir, aber das danach regelmäßig eintretende Schweigen ist beredt. So was kann man doch nicht sagen. Doch es ist nun mal so: manchmal fühle ich mich, als wäre ich in der falschen WG eingezogen. Und kann mich einfach nicht erinnern, wann ich – offenbar von Sinnen – einen lebenslangen Mietvertrag unterschrieben habe.
Jetzt müssen wir uns irgendwie arrangieren. Zoffen uns über leere Gläser und Klamotten, die nie den Weg in Spül- oder Waschmaschine finden, über Smartphone-Zeiten und vergessene Hausaufgaben, Whatsapp-Gruppen und zu viele liegend verbrachte Stunden. Neuerdings sind auch Haarfarben und Netzstrümpfe ins Repertoire mit aufgenommen worden. Wir basteln Kalender mit genau verteilten Aufgaben, die nach kürzester Zeit ungefähr so viel Wirkung entfalten wie jene vielversprechenden Gutscheine, die ich von meiner Tochter zu meinem jüngsten Geburtstag erhalten habe.
Die besten Routinen, die alle Erziehungsratgeber so dringend empfehlen, sind so flüchtig wie Neujahrsvorsätze. Ob sie in Familien, in denen zwei Erwachsene das Sagen haben, einfacher einzuhalten sind? An trüben Tagen stelle ich mir das so vor. Aber ist es wirklich so?
Wenn ich hier von laxen Erziehungsmethoden beichte, soll das auch ein offenes Zeugnis der Zwänge und Nöte eines erwachsenen Menschen werden, der manchmal einfach seine Ruhe haben und den Weg des geringsten Widerstandes gehen möchte. Dürfen das Eltern überhaupt noch?
Oder tun sie es ständig, reden aber nicht darüber?
Okay, dann fange ich eben an. Bekenntnis 1: Wir frühstücken in unserem Haushalt nicht. Nicht allein, nicht zusammen. Kein lebensverlängerndes Müsli, kein vitaminreicher Smoothie hat bei uns morgens eine Chance. Ich benötige nur Kaffee, mein Kind einen Kakao. Allerdings zu unterschiedlichen Zeiten. Das liegt daran, dass eine 13-Jährige morgens im Bad am liebsten ungestört ist und danach das Ganze wahrscheinlich noch in Ruhe verarbeiten muss. Jedenfalls ist nach dem Bad Rückzug ins Zimmer angesagt. Für das ganze Ritual steht sie jeden Morgen freiwillig um 6 Uhr auf. An der Stelle der Geschichte ernte ich von anderen Eltern immer (!) neidische Blicke, weil deren Brut nie aus dem Bett kommt.
Wenn ich dann um 7 Uhr aufstehe, ist das Bad frei, die Kaffeemaschine schon eingeschaltet (okay, zweimal bisher) und ich kann mich in aller Ruhe fertig machen. Radio hören, Kaffee im Bett trinken. Klares asoziales Verhalten, oder? Wir üben weder Konversation, noch gesunde Nahrungsaufnahme, noch fördern wir den Familienzusammenhalt.
Aber wir lieben unseren stressfreien, stillen Start in den Tag so sehr! Unser ganz eigenes Schweige-Ritual, das so in keinem Erziehungsratgeber zu finden ist, aber ideal für uns ist. Und geht es bei friedlicher familiärer Koexistenz nicht genau darum: Rituale zu finden, die zur eigenen Familie passen?
Ich würde mich freuen, von Ihren ganz anderen Ritualen zu hören.