Mein gelegentlich beschränktes Vaterhirn neigt zu Schwarz-Weiß-Wahrnehmungen. Nicht bei Politik, aber bei Familienthemen. Als ich in meinem Umfeld im vergangenen Jahr erzählte, dass meine kleine Familie – meine Frau, unser damals knapp einjähriger Sohn Elias und ich – eine Fernreise nach Australien und Neuseeland planten, prasselten zwei Reaktionen auf uns ein. Die erste: Das ist eine schöne Idee, endlich mal mehr Zeit für die Familie, das schweißt zusammen, ach, dazu hätten wir früher auch gerne die Möglichkeit gehabt. Zweite Reaktion: Ja, seid ihr denn des Wahnsinns? Neuseeland? Mit einem Baby? Die weite Reise, der lange Flug, die Strahlenbelastung, das ist nicht gut fürs Kind – muss das sein? Wie wäre es denn mit, sagen wir mal, zwei Wochen Kühlungsborn oder Norderney, Chiemsee oder Gardasee, wenn es denn schon weiter weg sein muss? Aber es musste sein, weil wir es wollten.
Okay, das ist ein wenig unfair. Nicht alle Vorbehalte waren Kokolores, einige Kritikpunkte hatten einen wahren Kern, waren aber hoffnungslos übertrieben. Aber dazu später mehr. Auffällig war, dass diejenigen, die vor ihrer Elternschaft kein Interesse an Fernreisen hatten und immer schon lieber nach Spanien ans Meer gefahren waren, dies nun zur allgemeingültigen Regel erhoben. Und ihre kleine Welt zum Maßstab machten, jetzt aber im Dienste des Kinderschutzes. Eine Heuchelei, zum Glück aber die Minderheit. Diejenigen hingegen, die immer schon wussten, was großartig an Reisen in fernere Länder ist, versuchen das als Eltern weiterhin möglich zu machen. Natürlich mit Zugeständnissen und Rücksichtnahme auf die neuen Bedürfnisse und Beschränkungen, die ein Baby mit in die Familie bringt. Jedenfalls wurde aus einem alltäglichen und privaten Thema etwas, was zur Meinungsäußerung einlud.
Das betraf vor allem den langen Flug. Fernflüge treiben offenbar manchen Leuten, die vornehmlich die kleineren Flugzeuge aus dem innereuropäischen Luftverkehr kennen, den Schweiß auf die Stirn. Alles halb so wild, auch wenn es zweifellos angenehmere Tätigkeiten gibt: Wir starteten an einem Mittag im kalten November 2017 von unserem Zuhause und wussten, uns steht eine knapp dreißigstündige Flugodyssee von Berlin-Tegel über London nach Sydney mit einem technischen Tank-Stopp in Dubai bevor. Wenigstens wollten wir uns den Stress mit dem öffentlichen Nahverkehr in Berlin ersparen und nahmen ein Taxi, auch um erst möglichst kurz vor Abflug am Flughafen anzukommen. Unser Sohn Elias kaperte sofort die Sitze am Flugsteig und kletterte zwischen den Wartenden umher, er war entspannt, entspannter als wir. Für uns hielt sich der Spaß zugegebenermaßen etwas in Grenzen. Kinder nehmen das lockerer, vorausgesetzt die Eltern bewahren Ruhe und machen die Kleinen mit ihren projizierten Ängsten nicht verrückt.
Wir waren ja gewappnet, was soll schon passieren? Und in den Flugzeugen sitzen nicht nur ein oder zwei Kinder, sondern zig, die Linien sind natürlich vorbereitet: Ab zwei Jahren benötigen Kleinkinder einen eigenen Platz im Flieger, zuvor können sie auf dem Schoß der Eltern Platz nehmen. Das spart Geld, denn in diesem Fall berechnen die Fluggesellschaften als Daumengröße zwischen zehn und 25 Prozent des normalen Ticketpreises. Wir hatten bei der australischen Fluggesellschaft Qantas ein Babybettchen reserviert, damit Elias gut schlafen konnte. Mit seinem knappen Jahr passte er da noch gerade so hinein. Das Babybettchen ist im Falle der großen A380-Flugzeuge an mehreren Mittelwänden aus- und einklappbar montiert. Sollte das Kind schlafen, wird es darin mit einem Netz vor den Folgen plötzlicher Turbulenzen oder Luftlöcher geschützt.
Die verbreitete Sorge, auch bei einem Fernflug in einem A320 zu sitzen, so wie vielleicht auf der Strecke Hamburg-Wien oder München-Mallorca, ist unbegründet. Auf den Langstrecken setzen die Fluggesellschaften Großraumjets wie den A380 oder die Boeing 777 ein, die sind geräumig, leise, wackeln weniger in der Luft, und bieten zumindest im Falle des A380 viel Platz im Fußraum, den Elias mit seinen Spielsachen zum Kinderbereich umfunktionierte. Er machte sich auch einen Spaß daraus, durchs Flugzeug zu spazieren, zu schauen, wohin die Stewardessen und Stewards verschwunden waren, die Treppe ins Obergeschoss hochzuklettern und mit den anderen Passagieren zu flirten. Kontakte sind garantiert.
Klar, das ist für die Eltern anstrengend: Ein knapp einjähriges Kind muss rund um die Uhr beaufsichtigt werden, Getränkewagen, unachtsame Passagiere, plötzlich auftretende Turbulenzen sind potentielle Gefahrenquellen. Den größten Stress hat uns die Frage bereitet, ob Elias einen längeren Schreianfall bekommen würde, möglicherweise sogar ausgerechnet dann, wenn die Bordlichter gedimmt sind, weil alle schlafen wollen. Wie reagieren die Sitznachbarn? Verständnisvoll? Oder so vorwurfsvoll, wie die etwas durchgeknallte entfernte Verwandte, die zuvor am Telefon behauptet hatte, Fernfliegen mit Kind sei nichts als Belästigung der anderen Passagiere? Zum Glück kam es nicht dazu, der Kleine war bis auf eine ganz kurze Ausnahme die ganze Zeit über bestens gelaunt. Es gab ja so viel zu sehen.
Ein wenig Vorsorge für unliebsame Momente schadet aber nicht. Wir hatten Nasentropfen mit Kochsalzlösung im Gepäck, die wir prophylaktisch gaben, damit Elias‘ Atemwege frei blieben, was beim Start und vor allem der Landung hilfreich ist, wenn es Druck auf die Ohren gibt. Bei Babys erleichtern Schnuller oder Flaschennuckel den Druckausgleich, Stillbabys können im Notfall angelegt werden. Wenn das Flugzeug abhebt oder zur Landung ansetzt, werden die Kinder auf dem Schoß von Vater oder Mutter mit einer Gurtverlängerung gesichert (wobei es hierbei Diskussionen gibt, ob das sicher genug ist).
Für die Versorgung an Bord sind wir auf Nummer sicher gegangen und haben unsere eigene Babynahrung mitgebracht. Zwar bieten die Fluggesellschaften „Baby-Menüs“ an, und die waren teilweise gar nicht schlecht (frische Banane, Früchte im Glas, Cracker), aber zu trinken wurde süßer Saft gereicht – nicht optimal. Einfaches Trinkwasser hält natürlich jede Bordküche bereit, und das Personal wärmt die mitgebrachte Milch mal eben auf, das ist überhaupt kein Problem. Beim Hinflug mit Qantas war der Service etwas unaufmerksam, beim Rückflug hingegen gut – Tagesform. Emirates war in jeder Hinsicht entspannt. Auch Windeln war kein Problem, in den Bordtoiletten, von denen es genügend gibt, befinden sich ausklappbare Wickeltische, alles enger als zuhause, aber man muss ja auch nicht gleich in die Boeing oder den Airbus einziehen.
Was das Ganze unnötig erschwert, ist der Stress, den man sich selbst macht. Und der Schlafmangel. Ich bin so ein Kandidat, der im Flieger eher kein Auge zumacht. Nach gefühlten 5000 Blockbustern und einer Playlist von A wie „Alice in Chains“ bis X wie „The XX“ im bordeigenen Entertainment-System sowie dem einen guten Buch, das ich schon immer lesen wollte („Der Mann ohne Eigenschaften“), fühlte ich mich schon kurz vor Dubai wie ein ausgewrungener Lappen. Und dann wachte Elias natürlich auf und wollte bespaßt werden, putzmunter und fidel. Während des Tank-Stopps mussten wir das Flugzeug für eine Stunde verlassen, das war schon grenzwertig, wenn man zu müde ist, um den richtigen Flugsteig wiederzufinden (zum Glück hält das Personal am Dubaier Flughafen Kinderwagen bereit. Aber dafür bin ich schon zu groß!)
Wer sich das aber zutraut und nicht davor zurückschreckt, morgens um sieben Uhr mit einem hellwachen Kind in Sydney anzukommen, wenn man sich eigentlich am liebsten ins Bett legen möchte, der muss sich wahrlich keine Sorgen machen. Zumal es einem möglichst leicht gemacht wird: Am Londoner Flughafen Heathrow gibt es hervorragende Kinderbereiche mit kleinen Hüpfburgen, Spiel-Gummizellen und unentwegtem Kaffeenachschub für die Eltern. Beim Boarding darf man zusammen mit den Körperbehinderten zuerst ins Flugzeug steigen. Die Freigepäckmengen variieren zwar von Gesellschaft zu Gesellschaft, aber unserer Erfahrung mit Qantas und Emirates nach war es überhaupt kein Problem, einen Kinderwagen und eine sperrige Wandertrage einzuchecken. Und wer nicht permanent über den Atlantik jettet, muss sich keine übersteigerten Sorgen vor Höhenstrahlung machen: Laut dem Bundesamt für Strahlenschutz ist die zusätzliche Strahlenbelastung für Gelegenheitsfluggäste „durch das Fliegen sehr gering und gesundheitlich unbedenklich; das gilt auch für Schwangere und Kleinkinder“.
Also, los geht’s, wer’s mag. Ich fange jetzt nicht damit an, dass eine Autofahrt mit Kind und Kegel von Köln nach Rügen statistisch das risikoreichere Unterfangen ist als ein Flug. Und ja, es gibt umweltfreundlichere Reisevarianten, mit dem Zug in die Alpen zum Beispiel. Aber all den Kritikern sei gesagt, dass die meisten solche Fernreisen auch nicht alle drei Wochen unternehmen, und dass es eine gute Idee speziell für die ersten anderthalb bis zwei Lebensjahre des Kindes ist. Danach wird es teurer und schwieriger, die Kleinen zu bespaßen oder am Sitz zu halten. Sie schlafen auch weniger. Und das bedeutet für die Eltern: noch weniger Schlaf. Spätestens beim Tank-Stopp in Dubai rächt sich das.
Absolut Recht
Die im Text als „etwas durchgeknallte entfernte Verwandte“ betitulierte Person hat absolut Recht. Kinder unter 3 Jahren sollten schon aus Rücksicht auf die anderen Passagiere, die mit ihm in der Kabine eingesperrt sind, nicht auf Fernflüge mitgenommen werden. Woher haben frische Eltern bloß immer diese Idee, dass sie ein Kind haben können, dafür aber keine Einschränkungen in Kauf nehmen müssten?
Entspannt mit Kind auf der Fernreise
Herzlichen Glückwunsch zu diesem Beitrag, aber noch viel mehr zu Ihrer Reise mit Baby.
Auch wir sind seit jeher gern in der Welt unterwegs. Auch wir hörten die Horrorgeschichten über Flugreisen mit Kindern als unsere Tochter geboren war. Mit etwa 3 Monaten hegte sich der Wunsch nach Urlaub und Entspannung, vor allem da ja jetzt unsere Tochter da war.
Uns wurde ebenso abgeraten und wir wurden für verrückt erklärt mit unserer Tochter in die USA zu fliegen. Unser Glück, wir hatten eine der besten Hebammen die man sich vorstellen kann. Sie fragte uns was dagegen sprechen würde, wir wussten nichts, sie auch nicht und so lies die Hebamme unsere Tochter entscheiden. Wenn Sie reisen möchte sollte sie bitte 2 mal lachen, unsere Tochter hat sich für die Reise entschieden.
Mittlerweile ist unsere Tochter 5 Jahre und wir fliegen jedes Jahr in die USA, haben mächtig viel Spaß, egal ob Florida, der Westen oder sonst wo. Sie hat mächtig Spaß dabei. Ruhig bleiben und die geme
Ich bin das erste Mal mit knapp zweieinhalb Jahren geflogen
Über den großen Teich, damals mit einer Super Constellation Turboprop-Maschine. Es ist eine meiner frühesten Erinnerungen, und rundweg positiv. Seitdem liebe ich das Fliegen. Glaube nicht, dass es mir geschadet hat.
Kleine Monster!
Das scheint letztlich die Geistes-Haltung zu sein, die man Kleinkindern oder Babies entgegenbringt.
Vielleicht ein Gendefekt der Deutschen, neben der dussligen Streitsucht oder Rechthaberei.
Wie auch immer, ich habe dagegen so eine Art eingebauter Toleranz gegenüber Kinderlärm, allerdings erwarte ich auch von den Eltern, dass sie sich Ihrer Verantwortung als Erzieher stellen um Belästigungen, Lärm oder
die (noch) schlechten Manieren zu minimieren.
Machen sie das nicht, dann können die anfangs so süßen, wehrlosen Babies auch schnell uu Terroristen und kleinen Monstern
mutieren.
Nun, ich fliege 2 x Jährlich in die Ferne und habe so manches Mal neben oder zwischen Familien gesessen, das kann hart sein,
aber, wie schon erwähnt, Toleranz hilft die eigene Verärgerung oder gar Wut gar nicht so hoch schwappen zu lassen.
Gelegentliche humorige Anmerkungen (Uiihhh hat aber ein gesunde Stimmbänder der Kleine etc…) helfen dabei,man kommt mit den Eltern ins Gespräch reicht die
Man sollte wissen, daß Kleinkinder im Fall eines Unglücks kaum geschützt sind
Hier wird im Nebensatz darauf hingewiesen, daß Kinder <2 Jahren bei den Eltern auf dem Schoß sitzen sollen.
Das gilt aber nur bei normalem Flugverlauf: bei einer Notlandung dürfen Kinder dort nicht sitzen, weil sie vom nach vorne geschleuderten Oberkörper des Erwachsenen erdrückt würden. Auch die erwähnten Kinderbetten müssen bei Notlandungen eingeklappt werden. Die Lösung der Fluggesellschaften: Eltern sollen ihre Kinder in diesen Fällen einfach auf den Boden legen! Mit der Folge, daß Kleinkinder bei Flugzeugunglücken überdurchschnittlich häufig zu den Todesopfern gehören.
Wer möchte, daß es genauso sicher reist wie er selbst, sollte für sein Kleinkind einen normalen Sitzplatz buchen. Da mit den üblichen Gurten eine Sicherung nicht möglich ist, braucht es allerdings zusätzlich entweder einen Autositz, der für Zweipunktgurte zugelassen ist (selbst gebraucht kaum mehr erhältlich) oder einen Zusatz-Hosenträgergurt (z. B. unter dem Namen "Cares" im
"durchgeknallte Verwandte entfernen"
Dafür habe ich ein gewisses Verständnis, allerdings auch für deren Einstellung zum Thema „Kleinstkinder im Flugzeug“. Wir mussten auf dem Rückflug von den Kanaren ein solches ertragen. Fast drei Stunden Dauergeschrei eines knapp einjährigen Kindes und eine Mutter, die sich bemühte, ein betroffenes Gesicht zu machen. Dies mag für die Eltern und das Kind ein wichtiger Schritt für die eigene Selbstfindung sein, ist aber für die Mitreisenden eine absolute Zumutung. Unsere Kinder waren auf ihrem ersten Flug (von drei Stunden) zweieinhalb bzw. fünf Jahre und wir hatten keinerlei dieser Probleme, weil man den Kindern dieses Alters schon einiges zum Fliegen erklären kann. Im Übrigen ist nicht jeder, der ein krabbelndes Kind im Gang übersieht von vornherein unachtsam. Ich erkenne die Unachtsamkeit eher bei den Eltern.
Absolut recht - hat der Autor
Unsere Enkeltochter ist 2 1/2 Jahre alt und war mit ihren Eltern in Kanada, Japan, Korea, Australien, Singapur. Die Erfahrungen bestätigen exakt die Aussage des Autors. Vorbereitungen und Durchführung der Reisen allerdings werden präzise geplant und an den Bedürfnissen des Kindes ausgerichtet: Bei besonders langen Flugstrecken wird beim Zwischenstop eine Übernachtung in einem Hotel mit Pool eingerichtet. Während der Flüge (im eigenen Kinder-Autositz) schläft das Kind meist, ansonsten sind neben Windeln, kleinen Mahlzeiten und Getränken unterhaltsame Spielsachen im Gepäck: Bilderbuch, magnetisches Puzzle, Köfferchen mit Minimöbeln und Püppchen usw. Die Reisen gehen vollkommen ohne Geschrei oder Wanderungen durchs Flugzeug vonstatten – davon konnte ich mich bei einer Reise Frankfurt-Sydney selbst überzeugen.
Glückwunsch zu diesem knapp einjährigen Wunderkind
Was das Kind schon alles kann, perfekt. Zitat: „Er machte sich auch einen Spaß daraus, durchs Flugzeug zu spazieren, zu schauen, wohin die Stewardessen und Stewards verschwunden waren, die Treppe ins Obergeschoss hochzuklettern und mit den anderen Passagieren zu flirten.“