Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Der größte Handwerker aller Zeiten

© DPA Picture AllianceIt’s so easy? Ja, wenn man’s kann.

Vorvergangene Woche war ich in der Autowerkstatt. Das ist zugegebenermaßen kein Knallereinstiegssatz, aber in diesem Fall hatte dieser an sich lapidare Vorgang den gewichtigen Nebeneffekt, dass mein zweieinhalbjähriger Sohn Elias seitdem aus dem Autoreparaturfieber gar nicht mehr herauskommt. Er bockt nun öfter sein rotes Bobbycar auf seiner kleinen Werkbank auf, nestelt mit seinen Spielzeugzangen und -schraubenziehern an den Rädern herum, setzt andeutungsweise neue Scheibenwischerblätter ein und baut seine Holzklötze als neue Bremsklötze ein, also, er schiebt sie irgendwie zwischen Plastikkarosserie und Radaufhängung. Er hatte während meines Werkstattgesprächs aufgeschnappt: Bremsbeläge abgefahren. Aus seinem Kindermund höre ich seitdem zigfach am Tag: Bremsen kaputt.

Aber natürlich waren nicht nur die Bremsbeläge am Ende, und jetzt stoßen wir zum Kern des Problems: Die Bremsscheiben waren ebenfalls hinüber, weil ich zu lange gewartet hatte mit dem Werkstattgang. Technik interessiert mich eben meist nur auf Aufforderung, selbst bei Autos, die mich an sich schon ansprechen, aber eben meist nur ihr Design. Als guter Daddy im Baumarktland Deutschland ist man mit diesem freimütigen Bekenntnis natürlich schon so gut wie ausgemustert. Nun ist es ja nicht so, dass ich beim Schraubeneindrehen oder dem Nagel-in-die-Wand-Schlagen gleich die Handwerker bestelle. Aber sobald ein Dübel gebohrt werden muss, bin ich schon nah dran. 

Übersetzt in eine stereotype Mutterwelt heißt das: Wer sich fürs Essen, aber nicht fürs Kochen interessiert, hat es im Geschlechterklischeeland schwer. Beim Kochen bin ich fein raus. An Väter wird hingegen die Erwartung herangetragen, irgendwie handwerklich nicht komplett hinterm Toom zu leben. Aber was soll man als Mann schon machen, wenn man sich für Bücher interessiert, aber nicht fürs Regalaufbauen, um die Dinger fachgerecht abzulegen? Nimmt sich der Kleine ein Buch, so versuche ich natürlich, das nicht zu unterbinden, selbst wenn der Einband danach nicht mehr taufrisch aussieht – er soll nicht das Gefühl bekommen, dass Bücher für ihn irgendwie verboten sind, im Gegenteil. Aber natürlich können wir aufs Handwerkliche nicht verzichten: In seinem Alter und mit seiner spielerischer Lernbegeisterung macht er nichts lieber als: Schrauben, Drehen, Aufreißen, Ineinanderstecken, Auseinanderbauen.

Und deshalb werde ich als Vater natürlich die Illusion für ihn so lange wie nur irgendwie möglich aufrechterhalten, dass ich der größte Handwerker aller Zeiten bin. Jawoll, der größte! Ich werde ihm zeigen, was ich draufhabe, ihm von mir aus auch assistieren, aber vor allem: die Dinge zeigen. Schneiden, Sägen, Schrauben, Kleben. Es ist so wie im Matheunterricht in den ersten Grundschuljahren – da komme ich selbstredend noch fachmännisch mit. Aber wehe die ersten Kurvendiskussionen stehen an. Oder Wahrscheinlichkeitsrechnung. Ich will ja das von Elias erwünschte Vorbild sein, an das er glauben kann, selbst wenn es sich um Geschlechterklischees handelt, die ich eigentlich ansonsten gerne links oder sonstwo liegenlasse. Die Metaebene kommt dann später, die anderen Interessen auch.

Und dann? Tja, dann wird das Kompetenzteam erweitert. 

Der Schwager zum Beispiel ist handwerklich hoch begabt. Er schnitzt und leimt wie ein Weltmeister, und er hat schon als Teenager irgendwelche Elektrogeräte und Fahrräder auseinandergebaut, wie man so hört. Gut, das habe ich auch. Vielleicht. Allerdings habe ich die Dinger nicht mehr zusammenbekommen, das ist der Unterschied. Es gibt ja dieses afrikanische Sprichwort, wonach man zur Erziehung eines Kindes am besten das ganze Dorf einspannt. Überträgt man diese Daumenregel auf die Familie, so kommt der Schwager hoffentlich zum Zuge, sobald Elias etwas älter ist und sein Interesse am Handwerk über das Bobbycar hinausgeht. Das muss natürlich nicht nur der männliche Schwager sein, sondern kann genauso gut die Schwägerin sein, das ist wahrhaftig keine Geschlechterfrage.

Was zählt: Solche Arbeitsteilung kann selbst bei der Kindererziehung die Produktivität erhöhen. Und vielleicht kann Elias dann mir etwas beibringen. Ist ja nicht auszuschließen, dass der Sohn eines Tages mehr weiß als der Vater.