Die Tagesmutter unseres Sohnes sagte eines Tages meiner Frau gegenüber diesen verhängnisvollen Satz: Sie könne schon erkennen, an welchem Tag Elias von seinem Vater und nicht der Mutter morgens angezogen und gebracht werde. Schiefe Mütze, Flecken vom Frühstück auf dem Pullover, die zu kurze und wahrscheinlich längst ausgemusterte Hose ausgewählt.
Der Vater, das in Fragen der Kinderfürsorge inkompetente Wesen.
Ich muss zugeben, dieser Satz der Tagesmutter fiel nur einmal. Und wahrscheinlich hatte sie an diesem Tag allen Grund dazu, ihn auszusprechen. Wahrscheinlich musste es morgens schnell gehen. Aber natürlich gibt es Tage, an dem es auch für die Mutter morgens schnell gehen muss – und das Kind nicht in Rosenblütenduft gebadet zur Betreuung gebracht wird. Oder die Mütze nicht gefunden wird, das ist bei uns der Running Gag.
Das ist normal, fällt allerdings bei der Mutter kaum auf. Denn die Erzählung, der Vater als Tollpatsch und – in Kinderangelegenheiten – trotteliger Betreuer, ist uralt und ein „beliebtes“ Motiv, wie man kürzlich wieder einmal der Werbung entnehmen durfte.
Zum Muttertag veröffentlichte die Supermarktkette Edeka ein Werbevideo, das auf YouTube einen veritablen Shitstorm auslöste. Nun ist Aufmerksamkeit in der Werbung gewollt – ob das teils vernichtende Echo allerdings von den Werbestrategen des Unternehmens und der Agentur Jung von Matt eingepreist war, darf bezweifelt werden. Der Film preist den Einsatz für den Nachwuchs, ob im Babyalter oder später bei Teenagern. Gezeigt werden allerdings Schwarz-Weiß-Sequenzen von Vätern, die sich irgendwie bemühen, aber dabei alles versemmeln, was es nur zu versemmeln gibt.
Der Vater vergisst den Deckel auf dem Mixer für Babynahrung. Das Kind schreit, der Brei fliegt dem Überforderten um die Ohren.
Ein anderer Vater kämmt die Tochter, die vor Schmerzen schreit, weil er ihr dabei fast die Haare ausreißt.
Ein weiterer Vater ist nur mit sich selbst beschäftigt und merkt gar nicht, dass das Kind ein wichtiges Anliegen hat.
Die Botschaft ist wenig subtil: Manche Väter wollen vielleicht gute Väter sein, sie können es aber einfach nicht – und echte Fürsorge ist eben Mutterkompetenz. Das Video endet mit der Pointe: „Danke Mama, dass Du nicht Papa bist.“
Der Werbefilm ist natürlich Satire – und deswegen kein Anlass für Shitstorms oder gar irgendwelche Boykottaufrufe gegenüber Edeka. Aber der Film ist wiederum auch nicht augenzwinkernd genug, um eine intelligente Botschaft zu vermitteln, über die jeder Vater lachen kann. Er pflückt die am niedrigsten hängenden Trauben, indem er alte Motive des Väterbashings reaktiviert und zugleich ein antiquiertes Frauenbild transportiert. Der Film ist deshalb vor allem eins: furchtbar spießig.
Aber der Reihe nach: Sexistische Diskriminierung trifft meistens Frauen, aber in Ausnahmefällen eben auch Männer. Sie tritt dabei in asymmetrischen Herrschaftsbeziehungen auf, also dann, wenn sich Menschen in schwächeren Positionen befinden. So wie Schauspielerinnen, die auf die Launen eines berühmten Filmproduzenten angewiesen sind, um eine Rolle zu bekommen. Da solche Berufswelten noch immer arg männerlastig sind, trifft es vor allem Frauen.
Männer – das schwache Geschlecht
Bei der Kindererziehung sind Männer das vermeintlich schwache Geschlecht. Sie haben sich den Bereich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erst mühsam erkämpfen müssen – gegen Klischees beim Arbeitgeber, bei der Gesellschaft insgesamt und im eigenen Kopf, der in dieser Frage vor allem ein Produkt der Erziehung ist. Manche Väter zierten sich einst sogar, den Kinderwagen zu schieben oder sich den Säugling umzubinden. Oh Gott, was denken bloß die anderen Passanten?
Das hat sich gewandelt. Kindererziehende Männer sind in meiner Generation (Jahrgang 1979) schlichtweg Realität – ganz anders als in der Generation der Väter. Zwar tragen im Schnitt noch immer mehr Frauen die Hauptlast und -verantwortung, aber die Väter haben aufgeholt. Erziehung und Betreuung werden heute eher aufgeteilt, in meinem Bekanntenkreis gibt es zudem mehr Väter, die den Löwenanteil übernehmen. Unverständnis oder gar dumme Sprüche ernten manche dennoch zur Genüge.
Wer sich darüber wundert, dass manche Väter bei diesem Werbeclip etwas dünnhäutig reagieren: Dünnhäutigkeit ist natürlich kein „Privileg“ von Frauen, die sich angegriffen fühlen. Wer sich seiner Position nicht sicher ist, reagiert sensibel, manchmal auch hypersensibel. Das trifft für Migranten zu, die von manchen angefeindet werden und sich ihren Platz in der Gesellschaft erkämpfen müssen, aber auch für Frauen, die zwar keine Minderheit sind, aber im Berufsleben mitunter so behandelt werden. Und eben für Männer, die ihre Kinder erziehen und die Betreuung übernehmen. Wahrscheinlich ist die Aufregung um den lapidaren Edeka-Clip so zu verstehen, dass sich viele davon eher gesellschaftliche Unterstützung erwarten, als noch verspottet zu werden.
Denn auch Satire ist ja ein Herrschaftsinstrument – aber umgekehrt: Die Schwachen pieksen die Starken, sie karikieren sie, machen sie zum Gespött und legen sie damit ein Stück in ihrer Allmacht frei. Nur: In Sachen Kindererziehung sind die Frauen noch immer die Diskursträger, das Maß aller Dinge. Deshalb ist das Werbevideo so mutlos, weil es die Chance verpasst, die Mutter zum Muttertag (liebevoll) durch den Kakao zu ziehen – und sich stattdessen an den Vätern abarbeitet.
Wer holt die Mutter vom Sockel?
Der Vater als Trottel ist hingegen ein leichtes Opfer, weil er es schon immer war. Von den Paukerfilmen der sechziger Jahre über Al Bundy und Homer Simpson gehört der trottelige Familienvater zum kulturellen Standardrepertoire in der Popkultur. Verständlicherweise, weil der Vater als Instanz in Zeiten autoritativer Hegemonie über die Familie vom Sockel geholt werden sollte. Aber bei der Kindererziehung steht die Mutter auf dem Sockel der Verehrung; wer holt sie einmal – in kluger und nicht diffamierender Weise – herunter?
Apropos Mutter: Mütter bekommen im Werbevideo auch ihr Fett weg, aber anders als erhofft. Die Kehrseite des trotteligen Vaters ist die perfekte Mutterfigur, die alle Wünsche und Bedürfnisse des Kindes schon im Schlaf erschnüffelt und sich im Gegenzug selbst aufgibt. Wer kennt sie nicht, die Mutter, die zwar zwei Stunden das Abendessen kocht, am Schluss aber die abgezählten Schnitzel noch „an die Männer“ verteilt und selbst nur Brokkoli kaut? Das Mutterbild, das dieses Video transportiert, ist, gelinde gesagt, leicht antiquiert.
Ach ja, da würde mir schon was einfallen, wie man ein süffisantes Video zum Muttertag konzipiert. Jung von Matt, übernehmen Sie! Also, für nächstes Jahr.