
Mayas Klassenlehrerin möchte zum Ende des Schuljahres zwei Wandertage durchführen. Man sucht Fahrdienstwillige für den einen und Begleiteltern für den anderen Tag. Ich führe ein Zwiegespräch mit meinem Gewissen:
„Du weißt schon, dass du gerade vor den Sommerferien in Arbeit schwimmst und es dir eigentlich nicht leisten kannst, nun auch noch den Ausflug zu begleiten oder Taxi zu spielen?“
„Irgendjemand muss es doch machen, und rein theoretisch geht es ja mit ein bisschen hier und da schieben.“
„Sollen doch die anderen.“
„Aber man kann sich nicht drauf verlassen, dass es andere machen. Du weißt selbst, wie schwierig sich das oft gestaltet.“
„Das kann nicht dein Problem sein. Erinnerst du dich an Mayas letzten Ausflug in der Grundschule? Du musstest sogar die Busfahrkarte selbst bezahlen. Muss ich dich daran erinnern, wie sehr du dich geärgert hast?“
Ja, ich erinnere mich. Die Busfahrkarte war eigentlich nicht das Problem. Sie hat mich nicht arm gemacht. Die Busfahrkarte steht für mich als symbolisches Warnmal, damit ich meine Hilfe nicht allzu leichtfertig anbiete. Ehrenämter sind undankbare Ämter, für die man keinen Dank erwarten kann und auch nicht darf. Dennoch war bei mir irgendwann der Moment erreicht, an dem ich mich ausgenutzt fühlte. An besagtem Grundschulausflug, zu dem ich mich als Begleitperson bereiterklärt hatte, fragte ich Mayas Lehrerin nebenbei, wer denn nun eigentlich die ganzen Koffer am Zielort ausladen würde: Die Abschlussfahrt der vierten Klasse sollte in einer nahegelegenen Jugendherberge stattfinden. Man hatte beschlossen, mit den Kindern in öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen und die Koffer von „bereitwilligen Eltern“ zur Jugendherberge transportieren zu lassen.
„Bereitwillig“ stellte wie üblich ein Problem dar. Mein Mann bot seinen großen Transportwagen an. Da er erst kurz zuvor einen Bandscheibenvorfall erlitten hatte, musste beim Ausladen Hilfe her. Mayas Lehrerin antwortete mir auf meine Frage lapidar, ich solle mich in der Klasse umhören, denn ich wäre sicher gut vernetzt. Anscheinend hatten mein Mann und ich wie selbstverständlich die weitere Organisation gewonnen. In diesem Moment wurde die Busfahrkarte für mich zum Symbol. Nicht einmal 2,10 Euro aus der Klassenkasse oder eine Tasse Kaffee (es war kalt) war mein Einsatz an diesem Tag wert gewesen. Wer am Ende die dreißig Koffer in der Jugendherberge auslud? Mein Mann mit seinem Bandscheibenvorfall, die Klassenlehrerin, ihr Sohn und ich.
Maya und Lara besuchten eine städtische Grundschule, die ich vom sozialen Gefüge her als bunt bezeichnen würde. Besonders die Elternabende von Laras Klasse waren schlecht besuchte Veranstaltungen. Es meldeten sich nur einzelne und immer dieselben Eltern, wenn es mal wieder hieß: „Wir können den Ausflug nur mit Elternhilfe durchführen, sonst muss er ausfallen.“ Ich engagierte mich ehrenamtlich in der Schülerbücherei, half Erstklässlern beim Lesenlernen und trug mich brav ein, wenn für Schulfeste Kaffee- und Kuchenspenden oder Helfer für die Cafeteria gesucht wurden. Ich ging als Elternbegleitung ins Theater. Ich backte Weihnachtsplätzchen, säuberte Tische, verbrannte mir die Finger am Backblech, putzte den dreckigen Boden und hatte danach oft keine Lust mehr, mit meinen eigenen Kindern zu Hause zu backen. Ich blockte mir Vormittage für das Fahrradtraining und die Radfahrprüfung („Wir haben zu wenig bereitwillige Eltern, die das Radfahrtraining und die Prüfung begleiten wollen. Wir müssen es sonst leider komplett ausfallen lassen. Kann denn wirklich niemand?“) um legte mich mit aufmüpfigen, rotzfrechen Grundschulkindern an, die weder das Radtraining noch mich ernstnehmen wollten.
Im Kindergarten habe ich noch voller Elan und Enthusiasmus „Hier“ gerufen. Ich fand es schön, wenn für meine Kinder und ihre Gruppe die Waldwoche anstand. Es ist für die Kinder, habe ich in Momenten des Zögerns gedacht und mich in die Fahrdienstliste eingetragen. Es hatte wenig Zweck zu hoffen, dass sich die Liste von alleine füllt, um dann „Och, jetzt fahren ja schon so viele, dann werde ich nicht mehr gebraucht„, zu sagen.
Ich lud meinen Wagen mit einer Horde quirliger Kindergartenkinder voll, chauffierte sie in den Wald und holte sie wieder ab. Die Kinder stiegen nachmittags müde und zufrieden in mein Auto ein und strampelten mit den matschigen Gummistiefeln gegen meine Sitze. Die Waldwoche wurde bei jeder Witterung durchgezogen. Härtet ab, da war ich ganz dabei! Nur einmal, als sich morgens ein Unwetter ankündigte und der Himmel sich bereits dunkel zuzog, fragte ich, ob es nicht vielleicht Sinn hätte, den Tag abzublasen. „Ach was, das wird schon“, beruhigte die Erzieherin, um keine zwei Stunden später den Notstand auszurufen. Ein Unwetter hatte sich zusammengebraut, es regnete Hunde, und die Kindergartengruppe steckte völlig durchnässt im Wald fest. „Wie gut, dass wir Sie erreichen. Können Sie kommen und so viele Kinder wie möglich abholen? Und bringen sie Handtücher und große Müllbeutel für die matschigen Klamotten mit!“
Ich ließ alles stehen und liegen und eilte zur Hilfe. Ich zog den Kindern im Auto die matschigen Hosen aus, stopfte das nasse Zeug in die Müllbeutel und versuchte mit Handtüchern, die völlig durchnässten und durchgefrorenen Körper warm zu bekommen. Mein Scheibenwischer kämpfte gegen die Sintflut. Mit Herzklopfen und ohne Sicht fuhr ich die überflutete Straße entlang. Was würden die Eltern sagen, wenn ich nun einen Unfall bauen würde? Sicher nicht: „Ach, das macht doch nichts, dass Karl jetzt im Krankenhaus liegt. Der Unfall war ja nicht Ihre Schuld. Sie sind doch haftpflichtversichert? Kommen Sie, ich helfe Ihnen heute Nachmittag noch schnell den Wagen von innen sauberzumachen.“ Als wäre das nicht schlimm genug, jammerte plötzlich ein Mädchen von der Rückbank: „Ich muss so nötig Pipi.“ Meine Frage, ob sie es wirklich nicht aushalten könne, verneinte sie vehement und heulte, dass sie gleich in die Hose machen müsste. Da bei Kindern solche Aussagen selten leere Drohungen, sondern nackten Fakten sind, hielt ich an und wagte mich in den Monsun. Ich nahm das Mädchen, das sich schon vorher bis auf die Unterwäsche ausgezogen hatte, auf den Arm und hielt sie am Seitenstreifen schwebend über dem Boden ab. Anschließend setzte ich klatschnass meine Fahrt fort und lieferte die Fracht im Kindergarten ab. Dort kassierte ich ein herzlich und ehrlich gemeintes Dankeschön von den Erziehern und fuhr mit meiner eigenen Tochter nach Hause, um sie in die heiße Badewanne zu stecken.
Die meisten Einsätze im Kindergarten (außer die Fahr- und Einkaufsdienste) verbinde ich heute dennoch mit schönen Erinnerungen: Weihnachtsbasteln auf viel zu kleinen Kindergartenstühlen, mit einer befreundeten Mutter angeschickert den Glühweinausschank beim Martinszumzug übernehmen, Spaß auf dem Osterbasar mit den anderen Eltern haben, die im Kindergarten – zumindest bei den schönen Aktionen – noch kräftig mithalfen. In unserer Grundschule suchte man diese Elterngattung mit der Lupe. Es waren immer dieselben wenigen Leute, die sich angesprochen fühlten, Schichten im Büro umlegten, extra Urlaub nahmen oder sich mit ihrem Neugeborenen in die Schulbücherei hockten, um nicht nur für das eigene Kind, sondern auch für fremde Kinder da zu sein. Für die Kinder „der anderen“.
Um es nicht zu vergessen: Lara hatte eine phantastische Klassenlehrerin, die unsere Elternarbeit sehr wertgeschätzt hat. Und ich verstehe gleichzeitig den Frust, den Mayas Lehrerin sicher oft schob. Es ist ermüdend und frustrierend, immer und immer wieder um Hilfe betteln zu müssen. Auf dem Gymnasium meiner Töchter halten sich die ehrenamtlichen Tätigkeiten in Grenzen, aber die Elternabende sind gut besucht – ein Gradmesser. Es haben sich schon einige Freiwillige gefunden, zumindest für den Fahrdienst. Und irgendwie werden mein Mann oder ich ebenfalls eine Tour hinkriegen.
An dieser Stelle möchte ich allen Eltern und Großeltern, die sich für Kinder engagieren, sei es im Kindergarten, privat, in der Schule oder in einem wohltätigen Verein, für ihren Einsatz und die vielen geschenkten Stunden Lebenszeit danken, falls es sonst keiner honoriert. Schön, dass Sie nicht denken: „Sollen doch die anderen“.
viel wahres
Mir ging es ähnlich wie Ihnen, habe jahrelang alle Aktionen meiner Kinder in den Klassen unterstützt, daneben noch Förderverein, Elternbeirat, Kioskverein (teilweise parallel) ehrenamtlich geleitet – und bin dabei im Prinzip jahrelang immer auf die selben engagierten und interessierten Eltern getroffen. Irgendwann gibt man auf, andere Eltern zu bitten, sich auch zu engagieren. Aber den Spaß, den wir hatten, und die witzigen Erinnerungen und dass ich meine Kinder mit ihren Freunden in der Schule erleben konnte (Schnappschüsse, die man sonst nicht hat) , das sind Einblicke, die gibt es sonst nicht, das muss reichen als Dank (ist auch völlig ok), den erwarte ich schon lange nicht mehr, da ärgert man sich nur, dass er nicht kommt. Die Kinder selbst und die Schulgemeinde zeigen dafür ihren Dank meist umso mehr.
Luxus
Meine Frau und ich arbeiten beide vollzeit. Leider lassen sich da an Werktagen ehrenamtliche Einsätze nur auf Kosten von Urlaubstagen unterbringen – von spontanen Einsätzen ganz zu schweigen. Ich freue mich jedoch für die, deren Einkommen oder Beschäftigung es erlauben, sich in der Schule kostenlos und unter Einsatz ihrer Freizeit zu engagieren.
Opa sagte immer
Kannnich liecht aufem Friedhoff und Willnich liecht daneben.
Auch wer Montag bis Freitag arbeitet, kann am Martinsumzug oder bei dem Fest am Samstag helfen.
Mal abgesehen davon, dass auch Freiberufler einen Ferientag nehmen (gar nicht von den Wackeren Menschen zu sprechen die vor oder nach der Schicht gekommen sind)
Worin der Luxus besteht, das ist die Frage
Ich kenne ja Ihre genauen Lebensumstände nicht.
Jedoch habe ich in meinem Umfeld den Eindruck, dass die Doppelt-Vollzeitverdiener nicht wegen der Miete für die Zweizimmerwohnung und der Brille fürs jüngste Kind schuften, sondern weil sie sich sonst nicht erfüllt, nicht bestätigt genug fühlen.
Der Luxus besteht in solchen Fällen darin, dass man es anderen Eltern überlässt, Sorge für die Allgemeinheit der Klassengemeinschaft zu tragen.
Elternsein kann schlecht in den Randstunden vor 8 und nach 17h komplett erfüllt werden. Jemand anders muss dann her.
Bestimmte Zeitschriften und „die Wirtschaft“ erzählen uns seit Jahren, dass es nicht so sei, dass wir unemanzipiert sind, wenn wir für unsere Kinder in Teilzeit gehen.
Das ist eine perfide Lüge. Es geht ihnen um unsere wertvollste Ressource, um unsere Zeit.
Man zieht Kinder mit Geld, mit Essen, mit Erziehung und Gesundheitsvorsorge groß, aber vor allem: mit Zeit, z. B. einem gelegentlichen Urlaubstag.
Was also ist
Ehrenamt
Hallo, ein wenig Sarkasmus, oder irre ich mich da?
Freundliche Grüße
Jeder braucht ein Ehrenamt...
Wir haben an unserer Grundschule eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht.
Ja, natürlich ist es eine zusätzliche Portion an Arbeit, die zu erledigen ist. Aber wenn man merkt und spürt, wie mehr oder weniger alle Eltern mitziehen und wie die Kinder dann Freude an den Angeboten haben, dann motiviert das den Ehrenamtler umso mehr. Ein Ehrenamt ist ja nichts, das man aus monetären Gründen macht, sondern, weil man einen Sinn darin sieht.
Also, ein Ehrenamt steht jedem gut… nicht jammern und auf eine Einladung warten, sondern einfach machen!
Selber Schuld
Der werten Klassenlehrerin, die meinte, dass man sich selbst um das Abladen kümmern soll, hätte man an dem Punkt nur klar sagen müssen, dass krankheitsbedingt der Koffertransport gar nicht passiert, wenn sie nicht der Meinung ist zuständig zu sein. Ende und Aus. Das ist nämlich ein Thema der Schule und der Kita, und dass es natürlich bequem ist, die Organisation auf Dritte abzuschieben.
Das Schmarotzertum nimmt überhand
Ich habe da vielleicht eine etwas andere Erziehung genossen, aber Elternhilfe ist für mich kein „Ehrenamt“, sondern eine Ehrenschuld. Natürlich gibt es da immer Leute die gerne viel machen oder organisieren, aber Jeder hat dabei seinen Betrag zu leisten. Insbesondere, wenn man gar einen Einfluss auf die Veranstaltung hat. Das mit der erigenen Arbeit ist nur eine faule Ausrede. Jeder der Eltern muss im Zweifelsfall parat stehen, wenn irgendwas mit seinem Kind ist. Und wer an einem Event nicht aktiv teilnehmen kann, der kann irgendeine Unterstützungsleistung bieten oder auch einfach die Busfahrkarte bezahlen. Seine Hilfe anzubieten ist das mindeste. Leider breitet sich immer mehr eine reine Nehmerhaltung in unserer Gesellschaft aus, bei der die Mehrleistung der Anderen als deren Freizeitvergnügen umdefiniert wird. So stirbt das soziale Engagement, weil immer weniger Personen immer mehr Lasten stemmen müssen. Der Spaß ist da schon lange vorbei.
Beiträge sind immer möglich
An unserer Grundschule ist es erfreulich ausgewogen.
Es gibt Veranstaltungen, die ohne Unterstützung der Eltern nicht möglich wären. Die Termine werden zeitig genannt. Es ist für mich selbstverständlich, dass ich mir ein kleines Kontingent aus meinem gesetzlichen Urlaubsanspruch dafür reserviere. Es macht mir Freude, die Kinder zu begleiten. Ich bin der Ansicht, das kann sich fast jeder Arbeitnehmer einrichten, wenn er will.
Ohne Zweifel gibt es Chefinnen und Chefs, die in solchen Momenten keinen Urlaub geben. Und es gibt Eltern, die mit fremden Kindern so gar nicht können, die nicht wollen oder was auch immer. Dafür gibt es seitens der Schule auch Spendenaufrufe für Materialien, Honorarkräfte und Projekte.
Es gibt Lehrer, die können Veranstaltungen besser planen. Ich finde es unsinnig, mit Öffentlichen zu fahren und die Koffer mit dem Auto bringen zu lassen.
Meine Einsatzbereitschaft hat Grenzen. Mein Auto gebe ich nicht zum Vermatschen her, wenn niemand bei
Ist doch schön...
Ist doch schön, anderen Eltern das Doppel-Selbstverwirklichungs-Karrieren-Gutverdiener-Konzept quer zu subventionieren. Wir hatten auch auch die drei-Kinder-plus-Hund-perfekte-Familie-Akademiker-Ehepaare, die im Cayenne vorfuhren, aber keine Zeit hatten, sich mal an einem Sommerfest zu beteiligen, geschweige denn einen Ausflug zu begleiten. Und das damit begründeten, dass sie so wahnsinnig viel arbeiten mussten; dabei ist da ja recht offensichtlich, dass man nicht so viel arbeiten MUSS. Aber: so ist’s Leben!
Wo bleibt die Flexibilität?
Wenn schon alles so typisch eingezwängt in Ämter, Pläne und Vereine ist kann ich es gut verstehen, wenn da viele keine Lust mehr haben mitzumachen! Eine gewisse Flexibilität und bewusste Unorganisiertheit könnte da für Abhilfe sorgen und warum wenn ein Vater mal keine Zeit hat, kann nicht der Onkel einspringen? Weil den vermutlich keiner kennt, könnte man aber wenn man ihn teilhaben liesse genauso wie die erweiterte Grossfamilie. Ein anderer Aspekt ist der, dass sich viele Lehrer zu sehr auf die Unterstützung der Eltern verlassen, wo steht es denn geschrieben dass man die Kinder bereits im schulalter mit ständigen Highlights bespassen muss. Bei uns in der Schweiz heisst es immer noch Kolonie wenn die Kinder (alles staatlich organisiert) ins Schullandheim fahren, und sonst gibts nix, ist auch nicht nötig wenn die Kinder eine gute Großfamilie zuhause haben