In unserem fünfköpfigen Haushalt fallen drei Geburtstage auf den November, einer auf den Juni und einer auf den September. Da ich gerne backe und auch gerne Gastgeberin bin, bedeutete dies lange Zeit für mich, dass ich mich komplett austoben kann.
Mit der freundlichen Unterstützung von Pinterest und Instagram habe ich je nach Alter und individueller Präferenz Dinosaurier-, Piraten-, Starwars- und auch Eisköniginnen-Feiern ausgerichtet. Dabei haben Samra, Malik und Amir ihre Einladungen für die Freundinnen und Freunde selbst gebastelt und auch die Mitgebsel gepackt.
Unser erstgeborener Amir feiert seinen Geburtstag mit der Familie, mit seinen Freunden und im Turnen, Malik feiert seinen Geburtstag mit der Familie, mit seinen Klassenkameraden und dann noch mal mit der Fußballmannschaft. Und was die großen Jungs können, kann das Nesthäkchen Samra schon lange. Sie nimmt Kuchen mit in den Kindergarten, mit zu ihrer Turngruppe und auch für ihre Feier mit ihren Freundinnen wird gebacken. Um es auf den Punkt zu bringen, im November komme ich gefühlt aus dem Backen, Dekorieren und Verpacken nicht raus.
Während ich mich glücklich in meiner Perfect-Mom-Bubble von einer Feier zur anderen hangele, hat mein Mann Basti dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Sein Beitrag zu der Partyorganisation beschränkt sich auf das Benennen verschiedener Optimierungsmöglichkeiten und die Last-Minute-Besorgungen.
Hätte er mal lieber Klartext gesprochen, welche Geister ich da herbeibeschwöre.
Denn jetzt liegt die Messlatte für Geburtstage doch leider ziemlich hoch und die Anzahl der Feiern pro Kind lässt sich nur schwer reduzieren. Gleichzeitig gab es bei mir aber durch die coronabedingte Feierpause einen Reality-Check. Braucht es wirklich drei Feiern pro Kind und: muss ich drei Mal pro Kind backen?
Der Oktober hat mich dieses Jahr ziemlich gebeutelt. Jedes Kind schien über Wochen krank, viele bei der Arbeit waren es auch, so dass meine (Work)load – sowohl die mentale als auch physische – mir meine Grenzen verdeutlichte. So ausgelaugt konnte ich unmöglich meine Standards, was die Kindergeburtstage angeht, aufrechterhalten.
Im Familienrat, – den kann jedes Familienmitglied bei uns donnerstags einberufen, – will ich die Kinder schonend auf Low-Key-Geburtstage einstellen. Optimierungs-King Basti hatte ich mich schon anvertraut. „Kauf doch einfach einen Kuchen, kann ja auch so was Eingefrorenes sein. Oder wir fragen Dr. Oetker, der hat doch etliche Backmischungen“, witzelt er, während ich – natürlich aus beruflichen Gründen – auf TikTok-Clips schaue. „Meinste?“, raune ich abwesend.
Mein Kopf gibt ihm recht und sieht zehn gesparte Stunden auf der Habenseite. Mein Bauch zieht sich zusammen, in meiner privilegierten und elitären Blase fühlt es sich an, als ob seine Vorschläge der Untergang meiner so hart erarbeiteten Familienkultur sind. Worte wie überangepasst, Akkulturation und kompensieren schwirren durch meinen Kopf. Meine Gedanken verirren sich kurz wieder in meine Kindheit. Ich wische Trevor Noah auf einer Bühne, schwarze Frauen beim Work-out und eine Frau mit Kopftuch und riesigem Messer beim Zubereiten eines göttlich aussehenden Eintopfs nach oben.
Gefährliche Challenges, wie sie uns auf den Elternabenden genannt worden sind, ploppen auf meiner Für-Dich-Seite auf TikTok nicht auf. Ich war das Kind, das eine noch halb gefrorene Torte mit in die Schule gebracht hat. Sudanesische Süßigkeiten seien nichts für die Schule, war der Konsens damals in unsrer Community. Am Wochenende haben wir mit der gesamten Familie gefeiert. Alle Tanten und Onkel, die wir meist schon aus dem ersten Flüchtlingsheim oder noch von der Flucht kannten, waren natürlich dabei. Bei dem Geburtstag mit den Kindern aus der Klasse, wussten wir nicht so recht, wie das gehen soll. Wir haben einfach versucht, die Geburtstage, auf denen ich eingeladen war, zu imitieren.
TikTok lässt mich nicht in einen Blues verfallen. Ich bleibe bei einem sudanesischen Model hängen, dass ein Lied aus meiner Kindheit als Hintergrundmusik nutzt und gebe in die Suche „Birthday Cake“ ein. „Ja meine ich“, höre ich meinen Mann aus dem Off bestimmt sagen. Ich schaue auf und werde von seinem fragenden Blick zur Konversation aufgefordert. „Ja, wir können ja mal eine Backmischung oder einen gefrorenen Kuchen testen“, versuche ich das Gespräch schnell zu beenden, um mich weiter von der App ablenken zu lassen. „So geht’s wohl auch unseren Kindern“, denke ich, während ich dieses eine Video tatsächlich zum dritten Mal anschaue.
Das ist der Livehack für alle Super-Moms und Super-Dads, die ohne viel Aufwand mit einer schicken Torte beeindrucken wollen. Der Trick: Zwei Benjamin-Blümchen-Torten auftauen und aufeinander legen. Vorher die obere Creme in einer Schüssel verrühren. Den Doppeldecker mit Zuckerstreuseln und allem, was das Herz begehrt dekorieren. Fertig.
Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Den Familienrat sage ich ab. Ich eröffne sowohl meinem kleinen als auch dem großen Mitbewohner, dass es im November genau eine Familienfeier geben wird und wir da alle Geburtstage feiern werden. Das Backwerk für die verschiedenen Einrichtungen und Nachmittagsaktivitäten wird mit den Kindern und der Hilfe von Dr. Oetker und Co. erstellt. Und weil ich meinen Kopf derart entlastet habe, freue ich mich tatsächlich auf die Kuchen, die ich für die Geburtstage mit ihren Freunden backe.