Reinheitsgebot

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Das Blog zum Bier

Der Bier-Psychologe

Bitburger wird sich nach der Fußball-WM aus dem Sponsoring der Nationalmannschaft zurückziehen. Brauerei-Chef Dahm will statt über Fußball lieber über Hopfen reden. Und er beklagt die Eindimensionalität der Männer. 

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© BitburgerAxel Dahm

Bier, Fußball, Grillen – diese drei gehören zusammen. Keine Halbzeitpause, in der nicht für Bier geworben wird, mit Berufsjugendlichen, die zwischen Grillwürsten und Flachbildschirm auf die ach so verbindende Kraft des Fußballs anstoßen. Bitburger-Chef Axel Dahm hat diese Inszenierung beendet. Zumindest auf der großen Bühne. Die im Sommer anstehende Fußball-Weltmeisterschaft in Russland wird für die Eifeler Brauerei die letzte sein als Sponsor der Nationalmannschaft. Dahm hat die Verträge, die 25 Jahre lang liefen, schon gekündigt. Die Werbepartnerschaft im DFB-Pokal geht noch ein bisschen weiter, dann ist Schluss mit dem großen Aufschlag von Deutschlands größtem Fassbiervermarkter im Fußball. Dahm hat in einer Traditionsbranche mit einer Tradition gebrochen, und noch weiß niemand, ob sich das auszahlt. Als Bitburger noch unbekannt gewesen sei, sei diese Marketingstrategie sinnvoll gewesen, sagt er, aber diese Aufgabe sei nun erfüllt. „Dass Fußball gut zum Bier passt, das wissen die Leute jetzt.“

Der 55 Jahre alte Manager ist angetreten, die Dinge anders zu machen, einer unter Druck geratenen Branche wieder neues Leben einzuhauchen – das Risiko zu scheitern inklusive. Dahm ist kein Brauer, er hat Psychologie studiert, Philosophie und Theaterwissenschaften. Er hat als Therapeut gearbeitet und nebenbei Kinderbücher geschrieben. Eigentlich habe er Philosophieprofessor werden wollen, aber dann sei das erste von fünf Kindern gekommen und das Gehalt eines wissenschaftlichen Mitarbeiters sei eben doch karg, und die Perspektiven seien unsicher gewesen. Als Markenpsychologe ist er deshalb erst zu einer Werbeagentur gegangen und hat später die Seiten gewechselt. Bei Reemtsma hat er „Zigarette gemacht“, später Marketing für den Pharmakonzern Novartis. Zwischenzeitlich unterstützte er seinen kranken Vater in dessen Yachtmaklerei. Auch im Marketing von Hochprozentigem hat er Erfahrung gesammelt. Von 2006 bis 2008 leitete er die Berentzen-Gruppe. Er ging, als die Eigentümerfamilien ihre Aktien zum großen Teil an einen Finanzinvestor verkauften.

© BirtburgerAn der Abfüllanlage

Dahm bringt viele scheinbar unpassende Dinge unter einen Hut. Werbung für Zigaretten und Kinderbücher, Geschäftsführer einer Brauerei und zugleich Extremfaster. Beim Treffen mit der F.A.Z. Anfang März hat er schon seit 60 Tagen keine feste Nahrung mehr zu sich genommen. Diese Rosskur treibt er schon seit 35 Jahren zu Beginn eines Jahres. Das tue ihm eben gut. Das Lieblingsbuch von Axel Dahm ist „Das Unbehagen in der Kultur“. In dem entwirft der Psychoanalytiker Sigmund Freud die These, dass die Kultur zwar die Beziehungen der Menschen untereinander regelt, zugleich aber auch die Triebe des Einzelnen kontrolliert und so dazu beiträgt, dass die Menschen unglücklich und neurotisch werden. Mehr Bier, mehr Glück also? Klar, will Dahm das nicht so stehenlassen. Natürlich biete die Kultivierung Chancen, sagt er. Die Gesellschaft müsse aber aufpassen, dass politische Korrektheit nicht zum Korsett werde. Dass der Bierkonsum seit Jahren zurückgeht, will er nicht kritisieren. Das sei so, auch der Gesundheitswelle geschuldet. Dass sich der Trend kurzfristig wieder umkehre, daran glaube er nicht. Dagegen sprächen schon die Überalterung der Gesellschaft und die Einwanderung meist aus muslimischen Ländern. Bitburger werde aber auch in einem schrumpfenden Markt wachsen.

Eine Blaupause, wie das gehen soll, hat er selbst schon geschaffen, als Geschäftsführer der Bitburger-Tochtergesellschaft Gerolsteiner. Als er dort 2008 angefangen hat, war die Lage ähnlich. Das Geschäft war rückläufig, die Preise fielen, die Markenartikler kamen durch „Billigwasser“ unter Druck, der Wert des Wassers zählte nicht mehr. Dahm hat Gerolsteiner entschlackt, weg von einer breiten Palette, hin zum Kerngeschäft Wasser. Als er kam, hatte Gerolsteiner gerade die Zusammenarbeit mit dem dopingverseuchten Radsport aufgekündigt, auch das ist eine Parallele. Eine, die seine volle Zustimmung gefunden habe, wie er sagt. Mit einer Smartphone-Anwendung über Mineralstoffgehalt aller Mineralwasser hat er die Aufmerksamkeit erfolgreich auf den Inhalt gelegt, höhere Preise durchgesetzt und den Trend tatsächlich umgekehrt.

Die Bitburger-Eigner haben daran Gefallen gefunden und ihn Ende 2016 an die Spitze der Braugruppe geholt. 200 Jahre schon gibt es die Brauerei, neben Bitburger braut sie Licher, Wernesgrüner, König Pilsener, Königsbacher und Köstritzer. Mit 1800 Mitarbeitern setzte die Gruppe im Vorjahr 790 Millionen Euro um und brachte 680 Millionen Liter Bier unter die Leute. Gemessen an amerikanischen Dimensionen, sei Bitburger kaum mehr als ein Craft-Bier-Brauer, sagt er. In Deutschland ist Bitburger nicht nur der größte Fassbiervermarkter, sondern nach Krombacher auch der führende Pils-Brauer.

„Das Problem fast aller Brauereien ist der Wert und damit auch der Preis“, sagt Dahm. Die leidige 10-Euro-Schwelle – daran habe sich viel zu lange fast gar nichts geändert. Vor zwanzig Jahren habe eine Kiste Bier 20 Mark gekostet, heute sind es 10 Euro. „Es gab nur eine Preiserhöhung in den vergangenen zehn Jahren.“ Die Ursachen seien vielfältig, eine davon jedoch ist nach Dahms Worten die Eindimensionalität der Männer. Bis heute sei der Preis für einen Kasten Bier einer der wenigen Preise, die Männer überhaupt wüssten. Entsprechend sensibel reagiere der Handel. Und die Preis-Frage ist heikel: 2014 hatte das Bundeskartellamt mehrere Brauereien, darunter Bitburger, zu einer Gesamtstrafe von 107 Millionen Euro verdonnert. Nach Erkenntnis der Kartellbehörden hatten sie zuvor eine Preiserhöhung abgesprochen, die zu einer Verteuerung des 20-Flaschen-Kastens von einem Euro führen sollte. Seither wird jedes öffentliche Wort über Preise auf die Goldwaage gelegt, womöglich als verklausulierte Absprache gewertet. Dahm ist entsprechend zurückhaltend. Dass die Wertschätzung aber steigen müsse, das könne jeder hören. Winzer und Köche hätten vorgemacht, wie es geht: gezeigt, dass ein Stück Kulturgut auch seinen Wert habe, die Qualität in den Vordergrund gestellt, das Besondere vor Augen geführt. Die Brauer hätten sich dagegen lange unter Wert verkauft.

Seine Maßzahl ist die Bittereinheit

Die Craft-Bier-Szene ist für Dahm deshalb ein Glücksfall. So skeptisch er manchen Versuch der Kleinbrauer bewertet, so froh ist er darüber, dass endlich wieder neu über Bier geredet werde. Es gebe eine Rückbesinnung, eine Diskussion über Produktionsbedingungen, über Braukunst und Zutaten, sagt er. Daran will Bitburger anknüpfen und die Kommunikation ändern. Statt über Fußball über Siegelhopfen reden. Nicht über anonyme Massenware, wie Dahm sagt, sondern über den Eifeler Hopfenbauern Dick, der seit Jahrzehnten fast 20 Hektar Hopfen nur für Bitburger anbaue. Oder über die Tatsache, dass Bitburger anders als andere Brauereien keine Lizenzen vergebe, sondern ausschließlich vor Ort mit heimischen Quellen braue.

 

© BitburgerNeues Bitburger Kellerbier

Vehement weist er den Einwand zurück, Bier unterscheide sich nur durchs Marketing, und nur das werde jetzt neu ausgerichtet. Er rate dringend zu einer Blindprobe, sagt er. Seine Maßzahl ist dabei die Bittereinheit, mit der Brauer bestimmen, wie herb ein Bier ist. Mit einem Wert zwischen 36 und 38 gilt Jever als besonders herb. Kölsch ist mit 22 indes besonders mild. Der gesamte Biermarkt rückt laut Dahm seit Jahren in die milde Richtung. Marktführer Krombacher mache es mit einer Bittereinheit von 25 vor, und viele No-Name-Biere würden dem Marktführer folgen. Das sei eine Chance für Bitburger: Mit einer Bittereinheit zwischen 33 bis 34 soll es ein „kantiges“ Bier bleiben und dem Trend trotzen. Um dennoch alle Kunden zu bedienen, hat Dahm jetzt zum ersten Mal seit 25 Jahren das Sortiment von Bitburger um ein Bier abseits des Pils-Spektrums erweitert: Ein milderes Kellerbier wird kommen, dazu ein naturtrübes Radler. Weitere Neuerungen kann er sich vorstellen, ein Lager vielleicht, ein India Pale Ale, möglich sei so manches. Auf jeden Fall brauche Bier wieder mehr Respekt, sagt er, „auch abseits vom Fußball“.