Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Familien in Sozialen Medien: Stolz und Vorurteil

© Picture AllianceSuper Bild, direkt auf Facebook damit! Oder doch nicht?

Neulich hat unser Dreijähriger Fahrradfahren gelernt. Meinen Mann inspirierte das zu folgendem Eintrag bei Facebook: „Immer diese stolzen Eltern, die Bilder von ihren Kindern und ihren tollen Taten posten. Aber habe ich erwähnt, dass mein Sohn jetzt Radfahren kann?“ Dazu das obligatorische Bild von Kind auf Fahrrad (mit Helm, von Weitem aufgenommen, Gesicht nicht erkennbar).

Für uns mag das ein Tag größter Freude gewesen sein, weil Meisterleistung des Kindes etc. (hatte Ben nicht gestern noch unkontrolliert in meinem Bauch vor sich hingetreten?, nun strampelte er mir einfach davon). Für die meisten Leser auf Facebook war es aber nur wieder ein netter Schnipsel aus irgendeinem Familienalltag. Und das ist auch völlig legitim. Mich interessiert auch nicht alles, was meine Kontakte erleben. Es hat mir nur wieder vor Augen geführt: Facebook und ich haben uns auseinandergelebt, seit ich Mutter bin. Früher habe ich dort ständig etwas gepostet, am liebsten Anekdoten oder Kalauer aus dem Alltag: Der Handwerker, der drei Mal zur Reparatur der Wasseruhr kommt und drei Mal das falsche Werkzeug dabei hat. Der Putz, der von der Decke bröckelt, seit sie oben das Dachgeschoss ausbauen. Der niedliche Hund am Straßenrand auf dem Weg zur Arbeit.

Das war natürlich für keinen meiner Facebook-Kontakte von Bedeutung, aber das war nicht schlimm, für mich war es das ja auch nicht. Bei Facebook und Co. geht es, seien wir ehrlich, fast nie um Relevanz. Bei den wichtigeren Dingen des Lebens ist man indes vorsichtiger, was man postet: Berufliches, insbesondere Eigenwerbung, ist nicht allzu gern gesehen (in der Regel zu Recht, wie ich finde). Negatives, insbesondere aus dem Privatleben, behalten viele lieber ebenfalls für sich – schließlich lesen das auch Kollegen, Nachbarn, Schulfreunde von früher, und letztere wollte man eigentlich ohnehin längst entfreunden.

In anderen Worten: Viele Facetten des echten Lebens lassen sich – wegen des Inhaltes selbst oder wegen der Leserschaft – nicht in ein Social-Media-Posting pressen. Bei der eigenen Familie potenziert sich das. Denn da wird auf einmal alles bedeutsam: Die Schwangerschaft. Die Geburt. Die Angst. Die Freude. Der erste Schritt, die erste Kotze. Und immer und immer wieder: die Sorge um diesen kleinen Menschen. Für uns selbst bedeutet das alles die Welt, aber für andere eben nicht.

Es mag Leute geben, die für all das irgendwie Worte finden und sie gerne unter Klarnamen in den sozialen Medien teilen, ich verurteile das nicht und ich lese es mitunter sogar sehr gerne. Aber diese ganze Eltern-Sache hat mich verändert. Ich habe natürlich auch noch ein Leben jenseits meiner Familie – aber ich bin eben auch ein solches Muttertier (und mein Mann ist genau das Gleiche, in der männlichen Variante), dass es mich selbst manchmal erschreckt. Meine Liebe zu diesem kleinen Kerl macht mich schwach. Sie lässt mich heulend auf dem Sofa sitzen, während er fröhlich seine erste Übernachtungsparty in der Kita feiert. Sie lässt mich auch nach drei Jahren noch nachts horchen, ob er atmet, und ständig überlegen, ob ich alles richtig mache.

Das sind Dinge, die gerade bedeutsam für mich sind, die mich jeden Tag beschäftigen. Es hilft, sie im echten Leben zu teilen. Mit Menschen, die es interessiert. Es ist mir nicht peinlich – aber andererseits möchte ich auch nicht, dass meine gesamte virtuelle Freundesliste mich so kennt. Denn wenn ich mir meine Kontakte und meinen Newsfeed so anschaue, wird mir klar: Facebook und Co. sind zu einem nicht geringen Anteil ein Abbild meines früheren Lebens. Der Kommentar eines reizenden Ex-Kollegen auf meine Nachricht (zugegebenermaßen per Whatsapp, aber das ist in diesem Fall vergleichbar), dass ich wieder schwanger sei, lautete: „Wiewaswo? Wie weit biste? Und wieso könnt ihr immer noch nicht verhüten?“ Ich habe einfach keine Lust mehr, auf so einen sicher nicht böse gemeinten, aber geschmacklosen Quatsch eine launige Antwort zu suchen.

Für mich sind die sozialen Medien deshalb nicht die richtige Plattform, um mit Menschen, die mir wirklich wichtig sind, Dinge zu teilen, die mir wirklich wichtig sind. Deshalb gibt es weiterhin Kalauer und Anekdoten auf meinem Facebook-Account (es gibt ja auch wirklich viele niedliche Tiere). Und auch einen Eintrag, wenn das zweite Kind da ist. Aber ohne Details. Ohne den Versuch, das in Worte zu fassen, was man da erlebt hat. Und ohne Babyfüße. Die waren schon bei unserem ersten Kind nicht besonders fotogen.