Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Ist die schwanger – oder einfach nur fett?

© Picture AllianceNabelschau, aber von außen: Plötzlich gucken alle auf den Bauch.

Ein kleines blaues Plus auf einem Plastikstäbchen – und für einen Moment steht die Zeit still. Der positive Schwangerschaftstest, wie nah liegen Freude und Unsicherheit zusammen. Der erste Besuch bei der Frauenärztin, das erste Mal das winzige Herz schlagen sehen, und dann das bange Warten auf die 12. Woche, nach der die Schwangerschaft erst richtig „sitzt“, wie die Hebammen sagen. Was für ein Auf und Ab der Gefühle.

Ein Baby zu erwarten, ist eine besondere Zeit. Alles verändert sich. Die Gedanken, die Pläne für die kommenden Monate und Jahre, und ja, natürlich auch der Körper. Und damit beginnt ein merkwürdiger Mechanismus, ich nenne ihn gerne „die Bauchfixierung“.

Als eine Freundin zum ersten Mal mit den Augen auf meinem Bauch verharrte und dann sagte: „Vierter Monat? Man sieht ja noch gar nichts. Du musst mal richtig essen“, war ich noch sehr irritiert. Bislang hatten meine Essgewohnheiten außer mir selbst niemanden interessiert. Plötzlich stand mein Bauch im Fokus des Interesses. Zu klein, zu groß, zu fest, zu schwabbelig – mein Bauch und ich, und wie ich nach und nach bemerken sollte: auch die Bäuche anderer Schwangerer – wurden eine öffentliche Angelegenheit, daran sollte ich mich gewöhnen. Dabei war die erste zaghafte Wölbung unter meinem T-Shirt ja auch für mich selbst ungewohnt. 15 Jahre lang hatte mein Körper – mit einigen kleinen Auf und Abs – doch weitgehend gleich ausgesehen. Auf einmal beobachtete mein Umfeld sehr genau die zentimeterweisen Veränderungen zwischen Hosenbund und Pulloverrand. Aber der Bauch blieb erst mal so, wie er war: quasi nicht vorhanden.

„Bei der Kollegin aus dem dritten Stock sieht man schon richtig viel“, sagte eine Büronachbarin und klang dabei fast vorwurfsvoll. Schließlich sei die nur zwei Wochen weiter als ich. Der Kurstrainer im Sportverein fragte: „Wo ist denn dein Bauch? Das sind doch nur Bauchmuskeln.“ Mitmachen beim Hanteltraining durfte ich trotzdem nicht mehr.

Ruhe bewahren, weite Hosen tragen, den Bauch „einfach mal plumpsen lassen“, riet die Hebamme. Sich nicht verrückt machen lassen. Der Gedanke, ob mit dem Baby alles gut ist, ob es richtig wächst, genug Platz und Nahrung hat, beschäftige nicht nur mich, sondern alle werdenden Mütter, unabhängig vom Bauch. Auch besagte Schwangere aus dem Dritten war die Kommentare leid und sagte irgendwann schon fast vorauseilend: „Ja ich weiß, er ist groß. Ist halt so.“ Wie vorher auch, verändern sich Körper unterschiedlich. Und neun Monate sind eine lange Zeit.

Im Fitnessstudio war die Situation lustigerweise bald umgekehrt: Mitleidige Blicke auf die wachsende Rundung, die doch sehr nach den Folgen exzessiver Pasta- und Kuchengenüsse oder zumindest nach sehr langer Trainingsabstinenz aussah. „Die muss schon noch etwas trainieren“, sagen die Blicke. Und die toptrainierten Instagram-Mädels, die von Kopf bis Fuß gestylt in die Halle kommen, um auf Selfies gut auszusehen, raunten einander schon mal zu: „Ist die schwanger oder einfach nur fett?“ Keine fragte direkt.

Das ist nicht immer so: Meine Schwester wurde einige Monate nach der Geburt ihres Sohnes häufiger gefragt, ob man wieder gratulieren dürfe. „Für die Reste vom ersten Baby, danke nein“, sagte sie dann schlagfertig. Sie hatte noch ein paar Pfunde mehr als vor der Schwangerschaft. Not macht erfinderisch. Und auch ich lerne dazu: Wenn mich ein Satz stört, erinnere ich mich daran, dass mein Körper gerade echte Wunder vollbringt. Dort wächst ein Baby – und es wächst und gedeiht gut, egal wie das von außen aussieht.

„Die Leute wollen nur nett sein“, beschwichtigen mich Freunde. „Es hat ja einen Grund, und der ist wunderschön“, sagt die Kollegin versöhnlich, als mir einmal der Kragen über die Heidi-Klum-Jury der Dickbäuchigen-Sätze platzt. Da hilft nur eins: Geduld. Die Zeit der Pastawampe geht vorbei. Seit dem dritten Trimester ist es auch für Laien eindeutig: Babybauch, nicht böses Bauchfett. Und seit ich Freunde und Kollegen demonstrativ zum Bauchvergleich auffordere, wenn sie wieder über meine Körpermitte diskutieren, hat sich das Thema ganz schnell erledigt.