Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Wider den Erstausstattungswahn!

© GettyHer mit den Babysachen! Irgendwann braucht man das bestimmt alles mal.

„Ich bin Minimalist“, sagte die Hebamme – und ich strahlte. Ich nämlich auch. Das war vor zwölf Wochen. Ich wollte keinen Kinderwagen anschaffen, keinen Wickeltisch, keine Wärmelampe, keine Babywanne und keinen Kinderkleiderschrank, der größer ist als mein eigener. „Ein Baby kommt absichtlich klein“, sagte ich immer. „Das hat einen Grund.“ Außer einem Tragetuch und ein paar Bodys wollte ich all das einfach auf mich zukommen lassen.

Doch heute muss ich gestehen: Ich habe es nicht geschafft. Der Sog der Babyerstausstattung hat mich erfasst und mit sich gerissen. In einer Mischung aus Verantwortungsgefühl, Nicht-nein-sagen-Können und Das-ist-jetzt-aber-wirklich-einmal-besonders-niedlich-oder-absolut-praktisch-und-das-müssen-wir-einfach-haben stapeln sich im künftigen Kinderzimmer jetzt Reisebett und Babybay, Kinderwagen mit Sportsitz, Wanne und Maxi-Cosi, eine Wiege samt Himmel, Tragetücher und eine komplette Garderobe in Größe 50 bis 68 – genug für die ersten drei Monate im Leben eines Würmchens, das momentan die Größe einer Ananas hat und sich nicht für Wolle-Seide-Bodys, Nestchen, erste Stofftiere oder Wickelaccessoires interessiert. Mein Mann sagt: „Reicht bis zum Abitur.“

Das Schlimmste daran: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich am Ende bin. Mal fällt mir mitten in der Nacht ein, dass ich noch kein Mobile für über den Wickeltisch habe („aber womit soll das Kind sich denn dann zehnmal am Tag beschäftigen?“), dann erzählt mir eine Freundin, dass das Wichtigste am Kinderwagen das Sonnensegel ist – denn schnöde abgehängt mit einem Tuch könne die Luft im Wagen nicht zirkulieren. Schon sehe ich mein armes Baby wild gestikulierend, schwitzend und schreiend unter einer Stoffwindel im Kinderwagen liegen, nur weil ich in einem Anflug von Übermut glaubte, abwarten zu können, welche Anschaffungen wirklich sinnvoll sind. Ich will später nicht schuld sein, wenn mein Baby eine Aversion gegen den Kinderwagen entwickelt. Also kaufe ich nicht nur Sonnendach, sondern die passende, originale Regenhülle direkt mit. Könnte sein, dass das No-Name-Produkt für unseren Kinderwagen zu groß ist, sagt die Verkäuferin im Babyladen, die inzwischen zu meiner Vertrauten geworden ist. Kein Problem, wenn es doppelt so viel kostet wie im Drogeriemarkt. Nur das Beste für das Kind.

Das mag sich nun alles sehr lustig anhören. Die Wahrheit ist: Es ist verdammt schwierig, sich dem Erstaustattungswahn zu widersetzen. Gerade beim ersten Kind. Denn bei vielen Produkten schwingt mit, dass sie vor allem aus Sicherheitsgründen unentbehrlich sind – oder dass eben alle sie haben. Auch Gespräche mit Freundinnen sind nicht immer zielführend. Die eine Freundin rät dringend zum Wickeleimer, die andere sagt, das sei nicht sooo wichtig, aber man solle auf jeden Fall in Nachtlichter und gute Babyphones investieren, am besten mit Kamera, dann könne man später auch schauen, ob das Kleinkind sich beim Legospielen verschluckt oder die Wickelkommode ausräumt, wenn es wieder einmal verdächtig still ist.

Ich schaue mir Youtube-Videos über die größten Fehlkäufe an und denke: Okay, es geht immer noch verrückter. Ein Kopf-Anschlagsschutz für die Wickeltischkante, ein Cooler für Prenahrung, eine Schildkrötenlampe, die Sterne an die Zimmerdecke projiziert, oder ein Schirmchen für den Kinderwagen, das vor allem dem Kind im Gesicht baumelt – immerhin habe ich das nicht angeschafft. Zumindest noch nicht.

Nun ist unsere Wohnung nicht besonders groß, und tatsächlich habe ich viele Anschaffungen weniger für mich als für die Menschen getätigt, deren Hilfe ich brauchen werde, wenn ich bald auch wieder ein bisschen Zeit für mich haben möchte. Oder kann ich ernsthaft von meinen Schwiegereltern verlangen, dass sie sich bei 30 Grad einen transpirierenden Säugling um den Bauch binden oder bei Glatteis einen Maxi-Cosi über den eisigen Bordstein bugsieren, nur weil ich keinen Kinderwagen will? Wickelt mein Mann genauso gerne im Sitzen wie ich? Vielleicht noch animiert von dem Hinweis, dass die meisten Unfälle von Babys Stürze vom Wickeltisch sind? Vielleicht sind die Anschaffungen doch nicht so überflüssig, wie ich anfangs dachte. Und außerdem ist vieles ohnehin geliehen oder geschenkt.

Ich hoffe nur eins: Dass ich den Absprung finde, wenn ich feststelle, dass Windeleimer oder Tragehilfe, Beistellbettchen oder Wickeltisch doch nicht zu uns passen. Denn wie sagte die Hebamme: Sie kaufen das ja alles für sich, nicht für mich. Stimmt nicht ganz: Ich kaufe es für mein Baby, für mich, aber eben auch ein bisschen für die anderen.