Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Homeschooling: Was dieses Mal besser laufen muss

Erfahrungen aus dem ersten Lockdown: Bei der Gestaltung des Heimunterrichts können Eltern die Kinder mit ins Boot nehmen

Nein, wir Eltern können nicht sagen, wir hätten es nicht kommen sehen. Dafür waren die Corona-Zahlen schon lange vor Weihnachten alarmierend hoch. Aber gehofft haben wir trotzdem. Nun haben wir die Bestätigung: Unsere Kinder müssen bis mindestens Ende Januar zu Hause bleiben. Bedeutet für alle: Homeschooling again. Hoch die Hände …

Das ist reiner Sarkasmus. In meinem Bekanntenkreis gibt es fast niemanden, der nicht mit leichtem Magengrummeln an die Zeit von Mitte März bis Pfingsten zurückdenkt. Drei Monate ohne Schule, ohne Freunde, ohne Pausenhof, ohne Lehrer – dafür pauken mit Papa und Mathe mit Mama. Drei Monate – so lange dauert es dieses Mal hoffentlich nicht.

Nein, Homeschooling war wirklich kein Zuckerschlecken. Ehrlicherweise habe ich es mir und unserem Sohn nicht leicht gemacht. Dabei waren die Voraussetzungen ziemlich gut – besser als bei vielen anderen Familien. Theo war damals in die 2. Klasse. Seine Klassenlehrerin hatte in Windeseile Wochenpläne für zu Hause erstellt – mit täglichen Aufgaben in Mathe, Deutsch und HSU (Sachkunde). Diese bestanden aus Arbeitsblättern, aber auch aus Übungen in digitalen Lernprogrammen wie Zahlenzorro, Anton, Leseludi und Antolin. Das war verhältnismäßig abwechslungsreich.

Die ausgefüllten Arbeitsblätter brachten wir am Wochenende zu ihr nach Hause. Sie wohnt im Nachbarort. Vor ihrer Haustür standen zwei Kisten: Eine für die fertigen Aufgaben, eine mit den neuen Wochenplänen. Klar, das sind paradiesische Bedingungen, von denen Eltern in Frankfurt, Hamburg und Berlin nur träumen können. Bei uns wird es jetzt auch anders. Wir haben seit dem Sommer eine neue Klassenlehrerin. Sie kommuniziert sehr gerne über digitale Medien. Was das für das Homeschooling bedeutet, werden wir sehen.

Unsere Rahmenbedingungen für das Homeschooling waren also gut. Die Schwierigkeiten lagen in der Praxis, in der Disziplin der Beteiligten. Wir wollten um neun Uhr mit dem Heimunterricht starten. Bis dahin mussten alle Beteiligten angezogen am Tisch sitzen und gefrühstückt haben. Klingt vernünftig, hörte sich dann aber um kurz vor neun regelmäßig so an: „Papa, können wir vielleicht später anfangen? Wir spielen gerade so schön.“ Damit war der erste Konflikt schon vor dem Start da.

Mit „wir“ meinte Theo sich selbst und seine Schwester Frieda. Die hatte ich bis jetzt ausgeklammert. Das Mädchen ist zwei Jahre jünger als ihr Bruder und wird im Sommer eingeschult. Mit Start des Unterrichts musste sich Frieda allein beschäftigen. Das kann sie auch ziemlich gut. Allerdings liebt sie Gesellschaft. Oft saß sie puppenspielend direkt neben dem Tisch, an dem ihr Bruder Matheaufgaben löste. „Kann ich eher Pause machen, Papa?“, fragte Theo und blickte neidisch auf seine Schwester. Es war ein Kampf. Dazu kamen die Situationen, in denen er etwas nicht verstand oder verstehen wollte und meine begrenzte Geduld überstrapazierte. Oft gab es Streit, flossen Tränen, und ich fühlte mich heillos überfordert.

Ich war nur froh, dass wir nicht mehr in unserer Wohnung in Berlin lebten, sondern ein Haus mit Garten haben, in dem ein Trampolin steht. Hätte uns der Lockdown in Berlin erwischt, hätte ich wahrscheinlich Bekanntschaft mit dem Jugendamt gemacht.

Meine Schwester hat es schwerer. Im vergangenen März hat sie die Leitung einer Kita übernommen und durfte sich gleich zum Start wegen Corona mit Behörden, Verordnungen und wechselnden Regeln auseinandersetzen. Sie und ihr Mann haben systemrelevante Jobs. Ihre Söhne, acht und zwölf, waren während des ersten Lockdowns größtenteils allein zu Hause. Das wird sich auch jetzt nicht ändern. Ich habe für diesen Blogbeitrag mit ihr telefoniert. Ich wollte wissen, welche Übungen wir jetzt mit unserer Tochter machen können, um sie für die Schule vorzubereiten. Sie hatte keine Zeit. Weil Erzieherinnen krank sind, muss sie in der Gruppe aushelfen und nebenbei austüfteln, wie sie die Notbetreuung in den kommenden Wochen organisiert.

Blicken wir nach vorne: Was muss sich beim Homeschooling ändern? Wie kommen Eltern und Kinder besser durch den Heimunterricht? Sicher hängt eine Menge an dem, was an Unterrichtsstoff von der Schule kommt. Aber zu allererst sind wir Eltern gefragt. Auf der einen Seite müssen wir Vorbild sein, in Disziplin und Konsequenz. Aber wir sollten die Erwartungen an uns nicht zu hoch setzen. Wir sind keine Lehrer, auch wenn wir uns beim Korrigieren von Aufsätzen und Rechenaufgaben so fühlen. Das ist mir persönlich ganz bewusst geworden, als ich Theo zum x-ten Mal zur Disziplin ermahnte, obwohl ich selber keine Lust hatte, zum x-ten Mal den Zettel mit den Lernwörtern zu bearbeiten.

Unser größter Vorteil ist: Wir können die Kinder mit ins Boot holen. Denn sie sind beim Homeschooling genauso erfahren wie wir. Sie wissen, was gut lief und was ihnen nicht gefallen hat. Und sie haben gelernt, dass sie und ihre Eltern um den vermaledeiten Heimunterricht nicht herumkommen. Also machen wir gemeinsam das Beste draus. Ich habe Theo gefragt, was er sich für die kommenden Wochen wünscht. Zwei Dinge sind ihm wichtig. Zuallererst: „Du musst ruhiger und geduldiger sein, Papa.“ Außerdem ist ihm ein fester, zeitlicher Ablauf wichtig. „Wir starten um 9 Uhr, und um 15 Uhr ist Schluss.“ Zwei Pausen möchte er machen. Eine kurze um halb elf und eine längere Mittagspause. Meine Erwartung an ihn sind, dass er sich diszipliniert: Keine Diskussionen über den Start des Unterrichts, kein Kopfhängen lassen, wenn etwas nicht gleich klappt, sondern Geduld. Meine Erwartungen an mich: Motivieren statt schimpfen, auch wenn es schwerfällt. Theo und ich haben den Deal per Handschlag besiegelt. Montag geht´s los. Ich bin gespannt.