Schlaflos

Schlaflos

Das Familienblog der F.A.Z.

Homeschooling: Was dieses Mal besser laufen muss

| 8 Lesermeinungen

Erfahrungen aus dem ersten Lockdown: Bei der Gestaltung des Heimunterrichts können Eltern die Kinder mit ins Boot nehmen

Nein, wir Eltern können nicht sagen, wir hätten es nicht kommen sehen. Dafür waren die Corona-Zahlen schon lange vor Weihnachten alarmierend hoch. Aber gehofft haben wir trotzdem. Nun haben wir die Bestätigung: Unsere Kinder müssen bis mindestens Ende Januar zu Hause bleiben. Bedeutet für alle: Homeschooling again. Hoch die Hände …

Das ist reiner Sarkasmus. In meinem Bekanntenkreis gibt es fast niemanden, der nicht mit leichtem Magengrummeln an die Zeit von Mitte März bis Pfingsten zurückdenkt. Drei Monate ohne Schule, ohne Freunde, ohne Pausenhof, ohne Lehrer – dafür pauken mit Papa und Mathe mit Mama. Drei Monate – so lange dauert es dieses Mal hoffentlich nicht.

Nein, Homeschooling war wirklich kein Zuckerschlecken. Ehrlicherweise habe ich es mir und unserem Sohn nicht leicht gemacht. Dabei waren die Voraussetzungen ziemlich gut – besser als bei vielen anderen Familien. Theo war damals in die 2. Klasse. Seine Klassenlehrerin hatte in Windeseile Wochenpläne für zu Hause erstellt – mit täglichen Aufgaben in Mathe, Deutsch und HSU (Sachkunde). Diese bestanden aus Arbeitsblättern, aber auch aus Übungen in digitalen Lernprogrammen wie Zahlenzorro, Anton, Leseludi und Antolin. Das war verhältnismäßig abwechslungsreich.

Die ausgefüllten Arbeitsblätter brachten wir am Wochenende zu ihr nach Hause. Sie wohnt im Nachbarort. Vor ihrer Haustür standen zwei Kisten: Eine für die fertigen Aufgaben, eine mit den neuen Wochenplänen. Klar, das sind paradiesische Bedingungen, von denen Eltern in Frankfurt, Hamburg und Berlin nur träumen können. Bei uns wird es jetzt auch anders. Wir haben seit dem Sommer eine neue Klassenlehrerin. Sie kommuniziert sehr gerne über digitale Medien. Was das für das Homeschooling bedeutet, werden wir sehen.

Unsere Rahmenbedingungen für das Homeschooling waren also gut. Die Schwierigkeiten lagen in der Praxis, in der Disziplin der Beteiligten. Wir wollten um neun Uhr mit dem Heimunterricht starten. Bis dahin mussten alle Beteiligten angezogen am Tisch sitzen und gefrühstückt haben. Klingt vernünftig, hörte sich dann aber um kurz vor neun regelmäßig so an: „Papa, können wir vielleicht später anfangen? Wir spielen gerade so schön.“ Damit war der erste Konflikt schon vor dem Start da.

Mit „wir“ meinte Theo sich selbst und seine Schwester Frieda. Die hatte ich bis jetzt ausgeklammert. Das Mädchen ist zwei Jahre jünger als ihr Bruder und wird im Sommer eingeschult. Mit Start des Unterrichts musste sich Frieda allein beschäftigen. Das kann sie auch ziemlich gut. Allerdings liebt sie Gesellschaft. Oft saß sie puppenspielend direkt neben dem Tisch, an dem ihr Bruder Matheaufgaben löste. „Kann ich eher Pause machen, Papa?“, fragte Theo und blickte neidisch auf seine Schwester. Es war ein Kampf. Dazu kamen die Situationen, in denen er etwas nicht verstand oder verstehen wollte und meine begrenzte Geduld überstrapazierte. Oft gab es Streit, flossen Tränen, und ich fühlte mich heillos überfordert.

Ich war nur froh, dass wir nicht mehr in unserer Wohnung in Berlin lebten, sondern ein Haus mit Garten haben, in dem ein Trampolin steht. Hätte uns der Lockdown in Berlin erwischt, hätte ich wahrscheinlich Bekanntschaft mit dem Jugendamt gemacht.

Meine Schwester hat es schwerer. Im vergangenen März hat sie die Leitung einer Kita übernommen und durfte sich gleich zum Start wegen Corona mit Behörden, Verordnungen und wechselnden Regeln auseinandersetzen. Sie und ihr Mann haben systemrelevante Jobs. Ihre Söhne, acht und zwölf, waren während des ersten Lockdowns größtenteils allein zu Hause. Das wird sich auch jetzt nicht ändern. Ich habe für diesen Blogbeitrag mit ihr telefoniert. Ich wollte wissen, welche Übungen wir jetzt mit unserer Tochter machen können, um sie für die Schule vorzubereiten. Sie hatte keine Zeit. Weil Erzieherinnen krank sind, muss sie in der Gruppe aushelfen und nebenbei austüfteln, wie sie die Notbetreuung in den kommenden Wochen organisiert.

Blicken wir nach vorne: Was muss sich beim Homeschooling ändern? Wie kommen Eltern und Kinder besser durch den Heimunterricht? Sicher hängt eine Menge an dem, was an Unterrichtsstoff von der Schule kommt. Aber zu allererst sind wir Eltern gefragt. Auf der einen Seite müssen wir Vorbild sein, in Disziplin und Konsequenz. Aber wir sollten die Erwartungen an uns nicht zu hoch setzen. Wir sind keine Lehrer, auch wenn wir uns beim Korrigieren von Aufsätzen und Rechenaufgaben so fühlen. Das ist mir persönlich ganz bewusst geworden, als ich Theo zum x-ten Mal zur Disziplin ermahnte, obwohl ich selber keine Lust hatte, zum x-ten Mal den Zettel mit den Lernwörtern zu bearbeiten.

Unser größter Vorteil ist: Wir können die Kinder mit ins Boot holen. Denn sie sind beim Homeschooling genauso erfahren wie wir. Sie wissen, was gut lief und was ihnen nicht gefallen hat. Und sie haben gelernt, dass sie und ihre Eltern um den vermaledeiten Heimunterricht nicht herumkommen. Also machen wir gemeinsam das Beste draus. Ich habe Theo gefragt, was er sich für die kommenden Wochen wünscht. Zwei Dinge sind ihm wichtig. Zuallererst: „Du musst ruhiger und geduldiger sein, Papa.“ Außerdem ist ihm ein fester, zeitlicher Ablauf wichtig. „Wir starten um 9 Uhr, und um 15 Uhr ist Schluss.“ Zwei Pausen möchte er machen. Eine kurze um halb elf und eine längere Mittagspause. Meine Erwartung an ihn sind, dass er sich diszipliniert: Keine Diskussionen über den Start des Unterrichts, kein Kopfhängen lassen, wenn etwas nicht gleich klappt, sondern Geduld. Meine Erwartungen an mich: Motivieren statt schimpfen, auch wenn es schwerfällt. Theo und ich haben den Deal per Handschlag besiegelt. Montag geht´s los. Ich bin gespannt.


8 Lesermeinungen

  1. ChristianB7 sagt:

    "Homeschooling" anordnen - aber dann doch "Homeschooling bleibt verboten"?
    Das eigentlich absurde ist doch, dass man heutzutage immer noch Eltern kriminalisiert, die ihre Kinder selbst zu Hause unterrichten wollen.

    Homeschooling, also der private Unterricht zu Hause (sprich: Eltern übernehmen die Ausbildung der allgemeinbildenden Schule), ist in Deutschland verboten.
    Detail am Rande: Dieses Verbot ist ein Relikt aus der Nazi-Zeit: Homeschooling wurde erst 1938 verboten, weil das Regime die Kontrolle über die unterrichteten Inhalte haben wollte.

    In Österreich ist Homeschooling hingegen erlaubt, ebenso in Belgien, Luxemburg, Frankreich oder Großbritannien. Überall dort gibt es ein staatliches Examen – und damit auch einen Schulabschluss für Homeschooler.

    Jetzt zwingt uns Corona zum einer Art „Homeschooling“. Das wäre doch die Zeit, das grundsätzliche Verbot des eigentlich Homeschoolings dringend zu überdenken.

  2. H.Bauernfeind sagt:

    Homeschooling ist eigentlich etwas anderes
    Schon vor Corona galt in NRW: Die Eltern sind für den Schulerfolg verantwortlich. Ein Haken bei den Hausaufgaben bedeutet nur, dass die Lehrerin die Arbeit zur Kenntnis genommen hat. Ob da jetzt Fehler drin sind oder nicht, wird höchstens stichprobenartig über alle Kinder überprüft. Genauso obligt es den Eltern, den Stoff zu vertiefen und Fragen zu klären. Seine Kinder bei der Schule abgeben und dann fertig gebacken wiederzubekommen, gibt es nur im Märchen. Wer an Märchen glaubt, der wird sein böses Erwachen erleben. Wenn sich z.B. kurz vor der Klausur herausstellt, das das Kind schon mehrere Wochen auf dem Zahnfleisch geht, aber dabei irgendwie durchgerutscht ist. Der Unterschied bei dieser Art des Homeschooling ist nur, dass die Eltern jetzt die ganze Arbeit, also auch die Erstvermittlung, machen. Das Unterrichtsmaterial ist aber so gut, dass man den Lehrkörper auch in die Wüste schicken kann, denn selbst die Lösungen gibt es vorgekaut. Die Lehrer sollen endlich ihren Job

  3. JBBecher sagt:

    Again...
    Trotz Dorf war es ernüchternd… Wochenarbeitsblatt ohne Tageseinteilung. Keinerlei Korrekturen, kein nix. Nicht einmal nach dem Lockdown wurde irgendwas angesehen. Kein Treffen, einmal eine Stunde online… Wird diesmal nicht besser werden, so wie sich die Schule selber gelobt hat bei der Einschulung der Erstklässler, wie gut es doch gelaufen sei. Betrifft alle Lehrer der Schule…

    Tja, Lehrer der Schule mit passender Arbeitsmoral müsste man sein…

    Komplette Gegenteile gibt es auch wie oben genannte… Die sind in Arbeit ersoffen im ersten Lockdown. Arbeitsblätter erstellen und korrigieren, mehr Aufwand wie im Präsenzunterricht

    Ich freu mich schon auf Montag.

  4. feurle sagt:

    da muss noch einiges mehr besser werden!
    schön, wenn der Autor von 9 bis 15 h Zeit hat, sich um seinen Sohn zu kümmern und das Unterrichten zu übernehmen, und in den Pausen noch das Mittagessen kochen kann …. dann sind die Nerven, Geduld und Disziplin von Eltern und Kindern vielleicht wirklich die einzigen Dinge, die sich noch bessern sollten. Wirklich? Sollen wir damit den Verantwortlichen in Ministerien, Schulbehörden und Schulen signalisieten: „Alles gut, Ihr habt Euren Job gemacht, jetzt arbeiten Schüler und Eltern noch ein bißchen an ihrer Einstellung und dann läuft es?“. Solange es die Schulen nicht schaffen, selber „Unterricht“ in Distanz zu erteilen, ohne dass die Eltern den Hauslehrer spielen müssen (und die Lehrer lediglich die Arbeitsblätter dafür als pdf in die Schulcloud stellen), solange liegen die dringenden Defizite woanders!

  5. ralowa sagt:

    Wo bleibt die Arbeit?
    In all der Diskussion vermisse ich die realitätsnahe Betrachtung von Homeschooling bei denen beide Elternteile voll berufstätig sind. Auch im Home Office läuft dann das Home Schooling parallel zur Konzentrationsarbeit oder Telefonkonferenz bei gleichem oder sogar höherem Termin- und Leistungsdruck . In der Realität beginn der Arbeitstag dann um 5 und endet um 23 Uhr.
    In den Randzeiten wird nachgeholt was für die Betreuung und Lehrersatzarbeit aufgewendet wird. Ein normaler Arbeitstag mit ca. 9h Tätigkeit is so nur mit einigen Klimmzügen und nicht auf Dauer darstellbar.

  6. diegedanken sagt:

    und Berufstätige?
    Die Gedanken sind ja sehr löblich – aber wann schreiben Sie Ihre Artikel? „Neben“ Homeschooling mit einem Grundschüler und der Betreuung eines Kindergartenkindes wohl eher nicht…berufstätige Eltern können entweder ihre Arbeit nicht ordentlich machen (wenn sie dies unter Homeschooling- und Homekindergarten-Bedingungen genauso könnten, wären die ja unter normalen Umständen ineffektiv) oder die Kinder nicht angemessen oder pädagogisch angemessen betreuen.
    Eltern und Kinder werden im Regen stehen gelassen, jetzt nochmal Forderungen an Eltern bzgl. Optimierung von Homeschooling zu stellen ist für Eltern, die sich fragen, wie sie das IRGENDWIE unter einen Hut bringen sollen extrem frustrierend….

  7. gegeisler sagt:

    Wer soll der Hauslehrer sein?
    … wenn beide Eltern arbeiten?
    Da kann man schön die Kinder „ins Boot holen“, wenn ein Elternteil systemrelevant ausser Haus arbeitet und das andere Elternteil selber fünf Stunden Videokonferenz pro Tag hat. Es geht nicht, vor allem nicht mit Grundschülern!
    Und den Kultusministern (zumindestens in BaWü) fällt nichts besseres ein, als die Leistungen im Homeschooling auch noch zu benoten. Das ist vollkommen weltfremd.

  8. EvaRichter sagt:

    Homeoffice Eltern?
    Warum gehen denn immer alle davon aus, dass Eltern verfügbar sind? Unser Kind BaWü 6. Klasse Gymnasium wird ab Montag wieder mehr oder minder allein auf sich gestellt sein. Beide Eltern nicht im Homeoffice; drei ältere Brüder im Homestudium seit Frühjahr bzw. Herbst, das wird „lustig“…… Da heißt es, dem 11jährigen Kind sehr viel Verantwortung zu übertragen. Das überfordert dann doch teilweise die Beteiligten.

Hinterlasse eine Lesermeinung