Schlaflos

Schlaflos

Das Familienblog der F.A.Z.

Beim Zweiten ist alles schöner

Knapp drei Jahres ist es her, dass ich an dieser Stelle über ein Phänomen geschrieben habe, dass ich damals „Bauchfixierung“ genannt habe: Dass das gesamte Umfeld sich mit dem Tag, an dem eine Frau ihre Schwangerschaft bekannt gibt, bemüßigt fühlt, sie – und ihren Körper – dabei zu beobachten, ob auch alles richtig läuft. Wächst der Bauch auch schnell genug („Du hast ja gar keinen Bauch, bist du sicher, dass alles ok ist?“), verzichtet die Schwangere auch brav auf Koffein und Kantinensalat („da hab ich gleich gewusst, dass was im Busch ist“), und macht sie auch weiterhin ausreichend Sport („wir sind doch so Frauen, die auch nach der Schwangerschaft gleich wieder starten wollen, wo wir vorher aufgehört haben, nicht wahr?“)?

Ich weiß noch, wie schwierig es oft für mich war, diese Kommentare wegzulächeln, zu ignorieren oder charmant zu kontern. Wenn ich den Text von damals heute wieder lese, denke ich mir: Was sollte das eigentlich alles? Wie weit weg sind seit Corona alle diese Befindlichkeiten, Sticheleien und dass Sich-Gegenseitig-Stress-Machen. Als hätte die Einsamkeit der Pandemie, das Zurückgeworfensein auf die kleinste Einheit – als Familie, Paar oder Einzelperson – all das Plaque der zwischenmenschlichen Beziehungen weggespült und den Blick auf das Wesentliche freigelegt: Es gibt nichts Wichtigeres als die Gemeinschaft. Seien wir froh, solange wir sie haben, und halten uns nicht mit Nebensächlichkeiten auf!

Inzwischen bin ich zum zweiten Mal schwanger, doppelt so rund wie beim ersten Mal, dafür halb so geschminkt und dreimal so entspannt – und wo immer ich mit meinem Kugelbauch auftauche, freuen sich einfach alle. Ein neues Baby ist so etwas wie eine kleine Insel der Hoffnung in diesen Zeiten. Wen interessiert es da, ob die Mutter gewaschene Haare oder gezupfte Augenbrauen hat? Wir haben alle andere Sorgen – und außerdem sind die anderen weder besser frisiert noch trainiert. Niemand beäugt meinen Bauch, niemand gibt mir ungefragt Tipps, alle freuen sich einfach für uns.

Auch bei mir selbst merke ich nach einer unproblematischen ersten Schwangerschaft und Geburt, dass ich dieser zweiten Schwangerschaft völlig anders gegenüberstehe. Ich kann für mich sagen: Beim Zweiten ist alles schöner.

Was ich bei Max noch nicht konnte – loslassen, zulassen, daran glauben, dass dieses Kind trotz nicht ganz einfacher Vorgeschichte bleiben wird – ist diesmal kein Thema. Ich kenne die kleinen Signale meines Körpers und und gebe ihnen bereitwillig nach. Ich genieße es, mich voll in diese Schwangerschaft hineinzuwerfen, Gelüsten nachzugeben und für mich selbst völlig entspannt zu wissen, dass ich schon wenige Wochen nach der Geburt meinen „alten“ Körper zurückhaben werde.

Ich lege mich aufs Sofa, bevor ich nach dem Homeoffice in die Kita flitze, auch wenn die Küche dringend aufgeräumt werden müsste oder ich eigentlich noch schnell mal, ach was auch immer. Ich lege meine Hände auf den Bauch und fühle die erstaunlich kraftvollen Bewegungen des kommenden Geschwisterchens.

Als Max vor zweieinhalb Jahren zu uns kam, war das eine riesige Umstellung für uns. Alles war anders als geplant, er schlief nicht und weinte umso mehr. Wir, die wir immer spontan und flexibel waren und sein wollten, übernahmen schließlich die strengen zeitlichen Abläufe aus der Kita, da wir merkten, dass sie Max Sicherheit und Ruhe gaben. Frühstück um 8, Snack um 10, 11.30 Uhr Mittagessen, danach Mittagsschlaf. Wie ein Uhrwerk steht er seit vielen Monaten morgens um 6.45 Uhr an meinem Bett, und ich muss zugeben, dass auch mir diese Berechenbarkeit Ruhe gibt. So sehr ich den Wochenenden nachweine, an denen wir erst zu Mittag aus dem Bett krochen, um dann zum Sport zu gehen, zu kochen und Freunde zu treffen, so charmant finde ich es doch, ohne schlechtes Gewissen mehrmals in der Woche einfach mit Max zusammen abends ins Bett zu gehen, mich während seines Mittagsschlafs ebenfalls aufs Sofa zu legen und so gut wie keine Freizeitverpflichtungen zu haben.

Zu zweit seit Monaten im Homeoffice, teilen mein Mann und ich uns selbstverständlich Care- und Haushaltsarbeit. Ich genieße es, dass er einfach da ist, selbst wenn er noch arbeiten muss, wenn ich schon mit Max spiele. Es entspannt mich zu wissen, dass er auch beim Zweiten dann „einfach mal kurz“ beim Binden des Tragetuchs assistieren kann, das Baby „ganz kurz mal“ schaukeln kann, damit ich in Ruhe zur Toilette kann oder einen Teller Spaghetti verschlingen. Denn dass es auch beim Zweiten nicht unanstrengend sein wird, darüber mache ich mir keine Illusionen. Doch ich weiß jetzt – oder glaube zu wissen –, was auf mich zukommt. Die Erstausstattung überfordert mich nicht mehr, ich kann wickeln in allen Lebenslagen und ich weiß, dass wir diesmal einfach besser vorbereitet sein müssen. Bei Max wollten wir erst einmal abwarten, wer da zu uns kommt, und es alles entspannt angehen – und als er dann da war, lief uns die Zeit davon. Zwischen Elterngeldantrag und U2 mussten wir noch den Kinderwagen abholen (er war falsch geliefert worden), den Wickeltisch aufbauen und Hühnersuppe kochen. All das mit einem Baby im Arm, das sich keine Minute ablegen ließ. Wir hatten den Start zu Dritt unterschätzt.  

Das wird mir diesmal nicht mehr passieren: Ich bin jetzt schon voll ausgestattet, von der Babygarderobe, über Kinderwagen und zwei Maxi Cosi (einer fürs Auto von Oma und Opa), und allem, was man sonst so braucht. Bei Max mussten wir schnell lernen und noch schneller reagieren. Diesmal setze ich auf „doppelt gut vorbereitet sein – und doppelt genießen“.