Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Was sind moderne Eltern?

Kann Mann gleichzeitig ein Tragetuch und die Hosen anhaben?
Kann Mann gleichzeitig ein Tragetuch und die Hosen anhaben? Die Vaterrolle ist im Wandel.

Nach dem Training fragt ein Teamkollege: „Wer kommt noch mit auf ein Bier?“ Zwei Hände schießen sofort hoch, ich schüttele den Kopf: „Ich heute nicht. Meine Frau muss noch an den Schreibtisch, und ich bringe die Kinder ins Bett.“ Er grinst mich an: „Bei euch ist auch klar, wer die Hosen anhat, oder?“ Die anderen lachen. Ich denke kurz darüber nach, ob er das wirklich gerade gefragt hat, und grinse dann zurück: „Nächste Woche bin ich wieder dabei. Heute nicht, Männer.“

Kurze Zeit später bringe ich unsere Tochter Frida (6) ins Bett. „Du Papa, heute hat ein Mädchen ‚Zicke‘ zu mir gesagt.“ „Hm. Dann sag ihr doch einfach so was wie: ‚Wenn ich eine Zicke bin, dann bist du eine alte Birne'“. Frida lacht, wird dann aber wieder ernst: „Ach Papa, ich kann das nicht. Ich bin nicht so wie du. Ich möchte mich nicht streiten.“ „Ja, aber wenn dir nicht gefällt, wie dich jemand nennt, dann musst du das demjenigen sagen.“ „Ja, Papa, das ist aber schwer. In der Kita konnte ich das. Aber dieses Mädchen kannte ich nicht.“ „Ach Frida“, antworte ich und denke daran, dass unsere Tochter in ein paar Wochen eingeschult wird. „Das lernst du schon noch. Dir werden immer wieder Menschen begegnen, die komisch zu dir sind und manchmal sogar doof. Du wirst lernen, damit klarzukommen. Wenn du dabei Hilfe brauchst, kommst du zu mir.“ „Cool, Papa.“ Wir kuscheln und dann lese ich Pippi Langstrumpf vor.

Als Frida schläft, denke ich an meine drei Sportkameraden. Gute Typen sind sie, drei richtige Mannsbilder. Alle haben Fulltime-Jobs, ihre Frauen arbeiten in Teilzeit und kümmern sich um Kinder und Haushalt. Ihre Lebensentwürfe sind vollkommen okay, bei uns ist das halt anders, nämlich umgekehrt: Wenn meine Frau noch arbeiten muss, kümmere ich mich um die Kinder,

Wir haben uns immer schon gegenseitig viel Raum gegeben. Vor den Kindern hat sie in Berlin gearbeitet und ich in Niedersachsen. An den Wochenenden sind wir abwechselnd gependelt. Als unser Sohn Theo auf die Welt kam, entschieden wir uns für Berlin. Für mich war es keine Frage, dass ich Elternzeit mache und zwar gerne mehr als die üblichen zwei Monate. Meine Frau fand es klasse, dass ich Zeit mit meinem Kind verbringen wollte. Ich hatte eine ebenso klare wie naive Vorstellung, wie die Elternzeit in Berlin ablaufen sollte. Die Realität sah dann komplett anders aus, aber das ist eine andere Geschichte.

Letztlich waren es sechs Monate Elternzeit, bei jedem der Kinder. Für meine berufliche Entwicklung war das wenig förderlich, aber für das Verhältnis zu den Kindern hat es sich gelohnt. Das ist mir am wichtigsten. Ich würde es wieder so machen, mit allen Begleiterscheinungen. Es sollte auch nicht die letzte intensive Zeit mit Theo und Frida werden. Bevor wir alle zusammen in den Süden gingen, pendelte meine Frau ein Dreivierteljahr nach Bayern. Ich leitete mit dreißig Stunden eine Abteilung und kümmerte mich um die Kinder.

Und dann kam Corona. Monatelang war ich in dem, was viele Leute die klassische Mutterrolle nennen würden, nur eben als Mann: Lehrer, Spielkamerad, Hausmann und Vater. „Bei euch geht das ja auch. Du warst ja doch schon mal mit den Kindern allein, ihr seid halt eine moderne Familie“, haben Freunde gesagt, wenn wir über Corona sprachen. Ich selber nenne das nicht modern, sondern pragmatisch. Wir haben aus den Möglichkeiten das für uns Beste gemacht. Aber ist das modern? Sind Familien, in denen Väter arbeiten und Mütter sich überwiegend um die Kinder kümmern, unmodern, uncool oder altmodisch? Müssen sich Väter und Mütter in klassischen Lebensentwürfen schlechter fühlen, weil der Vater das unvergessliche Ergebnis eines Pekip-Kurses verpasst hat? Bis auf die letzte (Pekip haben wir nicht gemacht, es klang immer wie etwas, was nichts für mich ist) kann ich alle Fragen mit „nein“ beantworten.

Modern sind für mich Eltern, die offen über ihre Wünsche und Erwartungen sprechen und dann das tun, was für die Familie passt. Mit der Länge der Elternzeit des Vaters hat das nichts zu tun. Wer keine Lust hat auf Babyschwimmen, Krabbelgruppen oder Elternzeit, der lässt es halt bleiben. Ich möchte niemanden bekehren, stelle aber für mich fest, dass die Elternzeit Gold wert war. Ich habe zu unseren zwei Kindern sehr enge und vertrauensvolle Beziehungen, deren Wurzeln seit der Elternzeit gewachsen sind.

Wenn Theo etwas von seiner Mutter will, beginnt er den Satz manchmal mit einem Versprecher: „Du Papa… ich meine Mama …“ Ich finde das wunderbar. Meine Frau und ich sind für unsere Kinder absolut gleichberechtigte Ansprechpartner. Sicher gibt es Themen, bei denen die Kinder ihre Favoriten haben. Bei mir sind es aber nicht nur Fußball und Taschengeld. Noch heute benötige ich nur Sekunden, Theo nach einem schlechten Traum zu beruhigen. Er schläft noch immer zügig ein, wenn ich ihm das Lied aus seinen Babytagen vorsinge. Und er kommt zu mir, wenn er etwas ausgefressen hat, auch wenn es dafür Ärger gibt. Das gilt auch für seine Schwester, die sich am liebsten von mir vorlesen lässt und die mir offen von ihren Kita-Konflikten erzählt.   

Ich weiß aber auch von meinen Sportskameraden, dass alle drei gute Väter sind. Auch ohne einen einzigen Tag Elternzeit.