Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Wenn Papas kleine Mädchen groß werden

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„Sie hat wieder die Augen verdreht“, sagt mein Mann beleidigt. Ständig würde Maya (14) das nun tun. Sie würde genervt die Augen verdrehen, wenn er fragt, wie ihr Training gelaufen wäre. Sie würde die Augen verdrehen, wenn er einen nett gemeinten Witz von sich gäbe. „Und immer höre ich von ihr, dass ich sie in Ruhe lassen soll.“

Mein Mann fühlt sich in unserem frauenlastigen Haushalt manchmal ausgeschlossen. Weil in den letzten Wochen mittwochs Der Bachelor und donnerstags GNTM vor dem Fernseher zelebriert wurde. Weil die Mädchen viele Dinge mit mir besprechen und nicht mit ihm. Weil man Geheimnisse vor ihm hat. Weil ihm ständig die Tür vor der Nase zugeknallt wird.

Vor ein paar Jahren wurde er noch nicht so häufig des Zimmers verwiesen. Da wurde es begrüßt, wenn er interessiert seinen Kopf durch die Kinderzimmertür steckte. Dann erhielt er von seinen Töchtern ein Lächeln, eine Einladung zum Spielen oder eine innige Umarmung. Nun werden Zimmer- und Badtüren konsequent geschlossen, verriegelt und verrammelt. Und wehe, es wird vorher nicht angeklopft! Tut man dies vorschriftsgemäß, erntet man in der Regel dennoch genervt: „Waaas?“ und die vorwurfsvolle Information, dass der Teenie gerade telefonieren würde, seine Ruhe haben wolle oder gerade dabei wäre, sich zu stylen.

Meine Töchter bestehen auf ihre Privatsphäre. Sie sind keine kleinen Kinder mehr und wollen ernstgenommen werden. Sie haben ein Recht darauf. Da passt es einfach nicht, dass Papa ständig die alten Kosenamen rausrutschen und er mit ihnen spricht, als wären sie drei Jahre alt. Und dann seine dauerhaft gute Laune! Schon am frühen Morgen! Wenn man nicht angesprochen werden will! Und seine Witze! Ja, die sind echt peinlich und nerven! Da sind sich Lara und Maya einig.

Meinem Mann fällt es schwer, die Kritik seiner Töchter zu schlucken. Schließlich konnten Lara und Maya früher nicht genug von seinen Albernheiten bekommen. Wenn im Hochsommer das große Familien-Planschbecken im Garten aufgebaut war, warteten die Mädchen sehnsüchtig darauf, dass ihr Papa endlich nach Hause kam. Jauchzend liefen sie ihm dann klatschnass entgegen, sprangen an ihm hoch und bettelten: „Papa, bitte, bitte, spiel für uns den Hai! Jetzt! Sofort!“ Mein Mann schlüpfte in seine Badehose und landete mit einem gewaltigen Bauchklatscher im kühlen Nass, sodass die Hälfte des Wassers aus dem Becken schwappte. Dann tauchte er ab. Er hielt die eine Hand wie eine Haiflosse aus dem Wasser, mit der anderen versuchte er, die Beine der Mädchen zu erwischen. Meine Töchter wichen ihm kreischend aus, während er immer schneller seine Runden drehte und einen Wasserstrudel erzeugte. Er konnte das stundenlang machen, ohne dass es den Mädchen langweilig wurde.

Kuckuck! Vater und Tochter machen Spaß.
Nicht gucken! Vater und Tochter machen zusammen Spaß. Doch irgendwann wird es kompliziert.

Mein Mann war für die Albernheiten und Wasseraktivitäten zuständig, besonders im Urlaub. Ich lag lieber auf der Strandliege, döste oder las, während er mit den Kindern aufwendige Sandburgen baute und mit Muscheln verzierte. Mit Schnorcheln, Luftmatratze und Schwimmwesten bewaffnet ging es auf Tiefsee-Expedition. „Papa zieht uns mit der Luftmatratze ganz, ganz weit raus auf das offene Meer“, erklärte Lara ehrfürchtig, um mir dann später stolz ihre Beute zu präsentieren, die sie vom Meeresgrund geborgen hatten: alte Taucherbrillen, besondere Steine oder Schmuckstücke. Als Krönung des Tages machte mein Mann für die Mädchen am Spätnachmittag im großen Pool „den Hai“ oder sie durften im Wasser auf seinem Rücken reiten.

So läuft es inzwischen nicht mehr – weder im Urlaub noch zu Hause. Lara (18) fing mit etwa fünfzehn Jahren an, sich mit Sicherheitsabstand zu uns an den Strand zu legen. Sie schwamm alleine im Meer, vergrub ihre Nase in ein Buch und tat so, als würde sie nicht zu uns gehören. Sie machte immer mehr ihr eigenes Ding. Wie gut, dass es noch unsere zweite, jüngere Tochter Maya gab!

Maya, unser Kuschelkind, suchte und liebte die Nähe. Sie war und ist ein Mädchen wie aus dem Klischeebuch. Ein Mädchen, das sich nicht gerne schmutzig machte. Das Puppen liebte. Kleidchen. Mamas hohe Stöckelschuhe. Ein Mädchen, das sich auf dem Sofa gerne an ihren starken Papi schmiegte, ihn mit großen Augen anschaute und ganz lieb fragte: „Papi, guckst du mit mir Zoomania und kraulst dabei meinen Rücken, bitte?!“

Er war gerne Mayas Mädchen-Papa. Sie schauten hunderte Male gemeinsam ihre Papa-Maya-Lieblingsfilme – Ice Age, Baymax, Ratatouille. Er kämpfte mit den gekreuzten Trägern an Bikinis und Sommerkleidern, mit Zöpfen und Haarspangen. Er hat sich von Maya zum Puppentee einladen lassen und ihre Lieblingspuppe schlafen gelegt. Wenn er mit Maya durch die Stadt bummelte, nahm er ihre Hand und meinte: „Komm wir hüpfen wie Mädchen!“ Und dann sprang er albern und ausgelassen mit ihr durch die Fußgängerzone. Er bepflanzte mit ihr die Gartenbeete und zeigte ihr geduldig, wie man mit dem Akkuschrauber umgeht.

Doch immer häufiger zieht sich nun auch Maya von uns zurück. Sie hat sich zu einer waschechten Jugendlichen entwickelt, die schon längst keine Lust mehr auf Planschbecken, Sandburgenbauen oder Fahrradfahren mit Papa hat. Die gemeinsamen Filmabende werden weniger. Immer öfter schaut sie nun alleine auf ihrem Laptop einen Film, verzieht sie sich geheimnisvoll kichernd mit ihren Freundinnen in ihr Zimmer oder verabredet sich in der Stadt. Sie hasst es, wenn sie neugierig über ihren Tag ausgefragt wird. Dann verdreht sie genervt die Augen und schweigt. Sie bestimmt, was sie erzählt, wann sie erzählt und wem sie erzählt.

Natürlich habe ich ebenfalls hin und wieder meine Schwierigkeiten damit, dass unsere Töchter groß werden. Aber da mich das Teenagermädchen in mir nie wirklich verlassen hat, kann ich Mayas und Laras Gedanken und Reaktionen besser nachvollziehen als mein Mann. Ich weiß, wie ich selbst in ihrem Alter tickte. Den Hormonschwankungen gnadenlos ausgeliefert. Zickig. Ungerecht. Verletzend. Manchmal überdreht. Dann wieder wortkarg und introvertiert. Hin und wieder doch noch ein Kind. Für meinen Mann ist die weibliche Psyche ein Buch mit sieben Siegeln. Es fällt ihm schwer, nicht mehr als der coole, oberlustige Papa wahrgenommen zu werden und plötzlich Störfaktor zu sein.

Als er letztes Jahr seinen Koffer für unseren Strandurlaub packte, die Taucherflossen in der Hand, sagte er bedröppelt: „Was soll ich denn jetzt den ganzen Tag machen, wenn keiner mehr mit mir im Meer auf Expedition gehen will?“ „Lesen und mit mir chillen“, sagte ich und wusste genau, was für einen miserablen Vorschlag ich ihm da gemacht hatte. Bisher war ein Buch in zwei Wochen Sommerurlaub für ihn völlig ausreichend gewesen. Überraschenderweise kam es anders. Er biss sich an einer Krimireihe so fest, dass ich ihm meinen eBook-Reader ausleihen musste, damit er Nachschub nachladen konnte.

Aber ihm blieb und bleibt auch nichts anderes übrig, als die Seite umzublättern und sich auf ein neues Kapitel und ein neues Buch einzulassen. Lara stürmt inzwischen einer anderen Person an der Haustür freudestrahlend entgegen. Wenn mein Mann dann nach Hause kommt und die Turnschuhe dieser Person im Flur stehen sieht, verdreht er die Augen. Es ist nicht einfach für ihn. Aber er wird es schaffen! Ich weiß das. Alle Mädchen-Papas müssen da früher oder später durch.