Ober: Die Herrschaften wünschen?
Karl Valentin: Ja, mir, mir bekommen zwei Glas Bier und einige Brot, Pfeffer und Salz.
Ober: Ja, ich bedaure. Bier wird bei uns nicht verschenkt.
Karl Valentin: Geschenkt woll mas ja net ham. Mir bezahlen unsre Sachen.
Ober: Nein, ich meine: Wir führen kein Bier, wir haben Weinzwang.
Karl Valentin: Na bringens halt zwei Gläser Weinzwang!
(Szene aus “Der Firmling”)
***
Im Grunde ist der “Firmling” von Karl Valentin eine Moritat: In wenigen Szenen wird mit Sätzen für die Ewigkeit („Jung … jung … ich war auch jung, ich war vielleicht jünger wie der“) vorgeführt, wie gefährlich es werden kann, wenn man einen Biertrinker ins Weinlokal zwangsumsiedelt, wenn man einem alles in allem rechtschaffenen Menschen sein Festtagsbier vorenthält. Bevor Valentins „einfacher Mittelständler“ ins Delirium tremens verfällt, hat er vergeblich den Käse im Affentaler gesucht, mehr aus Verlegenheit eine Flasche Sankt Emmeram geleert, hat sein Kind geschlagen, Einrichtungsgegenstände zerstört, und ist, allerdings viel zu spät, zu der Einsicht gelangt: „Siehst, Pepperl, deswegen soll man nie in so ein feines Weinlokal gehen“.
Auf die klassenkämpferischen Anklänge, die der Wein bei Karl Valentin hervorruft („Ich bin keiner von der Bourgeoisie, der wos Geld zum Ärmel rausfallen lasst“), wollen wir an dieser Stelle aber nicht heraus. Zumal die meisten der rund 80.000 deutschen Winzer bescheidene und rechtschaffene Menschen und ihre Erzeugnisse aller Ehren wert sind.
Aber es gibt dann doch einiges, was beim Wein rein praktisch und auch ästhetisch gesehen suboptimal läuft.
Was Bier dem Wein voraus hat:
- Als Weintrinker öffnet man in der Regel nur eine Flasche am Abend. Das ist langweilig, bei Biertrinkern können es durchaus zwei und mehr sein: ein frisches, hopfiges Pils zum Essen, ein Stout oder ein Weizenbock zum Nachtisch. Die ganze Vielfalt gibt es (auch in kleinen Flaschen) in hervorragender Qualität im Getränkemarkt um die Ecke.
- Bier ist krisensicherer. Die Zutaten lassen sich leichter erzeugen, Bier wird schneller reif und lässt sich leichter öffnen als verkorkte Weinflaschen, die man ohne Korkenzieher nur mit sehr viel Geschick mittels eines Schuhs und passender Klopftechnik zum Ausschank bringt.
- Bier kann nicht nach Korken schmecken und keine Rotweinflecken hinterlassen.
- Bier schmeckt nicht nach Holz (nur ganz wenige Sorten).
- Bier schmeckt, das ist das traditionelle Geschäft des Brauers, immer gleich gut, es gibt keine richtig schwachen Jahrgänge.
- Bier kann man alkoholfrei zumindest zum Verzehr in Erwägung ziehen. Manche Sportler trinken so etwas gar nach einem Marathon.
- Man kann beim Bier größere Schlucke nehmen als beim Wein, muss dann allerdings häufiger das WC aufsuchen.
- Bier ist ein unbezahlbarer Imageträger für Deutschland im Ausland.
- Bier erzeugt Schaum, der das Getränk enorm fotogen macht und kalt hält.
- Man kann Bier in Ausnahmefällen aus der Flasche trinken.
- Bier in der Topkategorie ist um einiges günstiger als Wein – und verleitet daher auch nicht zum Angeben.
- Bierproben oder Brauerei(ausschank)besuche führen meist mitten in die Städte hinein – und nicht in die Weinperipherie (an dieser Stelle aber ein Dank an alle Winzer, die gegen die Verbuschung deutscher Steilhänge kämpfen!). Wer dem Bier folgt, lernt Deutschland wirklich kennen.
- Was wollte man mit der ganzen Gerste auf den Feldern anfangen, wenn es kein Bier gäbe;?
- Bier hat die schöneren Farben, auf jeden Fall, mit Rot- und Schwarzbier, mehr als Wein.
- Bier ist demokratischer. Im Hinblick auf die vielen großen und kleinen deutschen Bierkriege, die es schon gab, ist es auf jeden Fall revolutionärer. Wenn es dabei auch meist ums Bier selbst ging.
- Es gibt weniger Bier- als Weinköniginnen.
- Bier bekommt man, in guter Qualität, sogar in Tankstellen.
- Mit Bier kann man guten Gewissens trinkbare Mischgetränke wie Radler erzeugen, ein Weintrinker würde sich das nie verzeihen.
- Bier braucht nicht viel Sonne, man kann es in fast allen Breitengraden brauen (wenn auch nicht überall mit regional angebauter Gerste).
- Winzer sind Mystiker, Brauer Analytiker.
- Für Bier braucht man keine alten Stöcke.
- Bier befördert die erste Annäherung zwischen den Geschlechtern. Mancher junge Mensch entdeckt erst unter dem Einfluss von Bier, dass er tanzen, singen und charmant daherreden kann.
- Bier kann man auf fast jedem deutschen Flecken vom Fass trinken.
- Bier muss nicht groß atmen.
- Bier enthält kein Schwefeldioxid.
- Bier fällt im Glas nicht so leicht um.
- Was Bier aus ein paar Gerstenkörnern, einer Dolde Hopfen, Hefe und Wasser alles herausholt!
Contra Bier (der Vollständigkeit halber):
- Bier ist weniger haltbar.
- Im Kühlschrank nimmt Bier mehr Platz weg als Wein und man hat, auch wegen des, allerdings lobenswerten, Pfandsystems mehr Entsorgungsverantwortung.
- Warmer Wein ist genießbarer als warmes Bier.
Fällt Ihnen noch etwas ein? Contra Bier zu sein ist wahrscheinlich schwierig.