Reinheitsgebot

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Das Blog zum Bier

Zum Tag des deutschen Bieres

Heute ist der 501. Tag des deutschen Bieres. Aber nicht allen ist nach Feiern zumute. Einige bekannte Kreativbrauer haben dem Reinheitsgebot endgültig den Kampf ansagt. Für sie geht es um die Existenz. Gestern haben sie ein Protest-Bier gebraut.

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© Deutsche Kreativbrauer e.V.Gruppenfoto der Kreativbrauer – die beiden Vorstände Andreas Seufert (ganz links) und Oliver Wesseloh (zweiter von rechts, vorne) mit ihren neben Hopfen und Malz auch Gewürz und Frucht liebenden Kollegen

F.A.Z.: Heute ist Tag des deutschen Biers. Sie hatten gestern die Auftaktveranstaltung Ihres Vereines Deutsche Kreativbrauer. Haben Sie das zeitlich bewusst so gelegt?

Andreas Seufert: Zum Teil. Hätte ein anderer Tag gut gepasst, hätten wir auch den genommen.

Die Gründung des Vereins, dessen Vorstand Sie zusammen mit Oliver  Wesseloh sind, liegt aber schon etwas zurück?

Gegründet haben wir ihn schon im Januar 2016. Wir hatten damals elf Gründungsmitglieder: die Kreativbrauerei Kehrwieder von Oliver Wesseloh, Ale Mania aus Bonn, Mashsee Hannover, Heidenpeters und Schoppe Bräu aus Berlin, Hopfenstopfer aus Bad Rappenau, das Riedenburger Brauhaus, Hanscraft und Co. aus Aschaffenburg, Wildwuchs Brauwerk und Buddelship aus Hamburg und meine Pax Bräu.

Warum haben Sie den Verein gegründet, es gibt ja schon viele Brauervereinigungen?

Wir wollen Sprachrohr sein für die kleinen, kreativen Bauer, die sich von den bestehenden Verbänden, vor allem dem Brauerbund, nicht vertreten, sondern verraten fühlen. Es hat Zeiten gegeben, gerade im Jahr vor dem Jubiläumsjahr 2016, da wurde in der Fachpresse gedroht, dass die Verbände die Lebensmittelüberwachung dazu aufgefordert hätten, das Brauen kreativer Biere außerhalb des Reinheitsgebots mit Nachdruck zu unterbinden. Ein Verband, der so etwas fordert, kann für uns nicht sprechen, darum haben wir einen eigenen Verein gegründet.

Im letzten Jahr mit seiner ausführlichen Bierberichterstattung gab es dann aus den Verbänden Andeutungen, man wolle eine Harmonisierung des vom Reinheitsgebot geprägten deutschen Biergesetzes herbeiführen. Es wurde in Aussicht gestellt, den Bierbegriff auch auf weitere Zutaten auszudehnen. Davon hat man jetzt schon seit einigen Monaten nichts mehr gehört.

Der Präsident des Bayerischen Brauerbundes, Georg Schneider, hatte im letzten Jahr erklärt, dass auf seiner Agenda eine Harmonisierung stehe. Der Zustand hat sich bis jetzt aber nicht verändert. Wir haben das Gefühl, dass sich die verschiedenen Verbände untereinander nicht einigen können, vor allem der Deutsche Brauerbund nicht mit dem Bayerischen, in dessen Einflussbereich es bisher keine Ausnahmegenehmigung für besondere Biere gibt. Hinzu kommen die privaten Brauer, die sagen, das Gesetz könne schon gelockert werden, Produkte mit mehr als den bisher erlaubten Zutaten dürften aber auf keinen Fall Bier heißen. Dummerweise ist 2017 Wahljahr im Bund, da tut sich die Politik eben schwer, das Reinheitsgebot anzutasten, das vermeintlich kaum jemandem schadet.

Welche Probleme entstehen für Sie als Kreativbrauer ganz konkret aus der jetzigen Gesetzgebung?

Dem deutschen Bier darf zwar zum Beispiel das künstliche Klärungsmittel PVPP zugefügt werden, das anschließend wieder herausgefiltert wird, wir als Kreativbrauer dürfen aber keine natürlichen Zusätze wie Gewürze und Kräuter in unseren Bieren verwenden. Dabei gibt es ein im vergangenen Jahr in den Bayerischen Verwaltungsblättern erschienenes Rechtsgutachten von Professor Möstl aus Bayreuth, das besagt: Wenn man europäisches Recht umfassend anwenden würde, wäre es jetzt schon möglich, in Deutschland legal Kreativbiere zu brauen.

Wie viele Kreativbrauer gibt es eigentlich, die als Mitglieder Ihres Vereins in Frage kämen? Die Gründungsmitglieder sind ja allesamt in der Branche schon anerkannt und etabliert.

Ich schätze: mehrere hundert.

Sie als fränkischer Brauer haben das besondere Problem, dass man für Biere, die nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut sind, in Bayern keine Ausnahmegenehmigung beantragen kann. Aus den übrigen Bundesländern hört man, dass das unproblematisch ist. Theoretisch dürften Sie ein Erdbeerweißbier nicht als Bier bezeichnen, obwohl es nach verbreiteter internationaler Definition und gemäß dem gesunden Menschenverstand natürlich nichts anderes ist.

Ich dürfte es theoretisch sogar nicht einmal erzeugen. Mir bleibt daher nichts anderes übrig, als seit sieben Jahren unter dem Radar zu fahren und nur kleinste Mengen meines Kreativbiers zu brauen. Müsste ich große Chargen zurückrufen, wäre das für mich der Bankrott. Das Ganze ist für mich und mein Sortiment ein untragbarer Zustand. Mein Engagement ist dabei ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sollten möglichst viele Leute über den momentanen Zustand Bescheid wissen, andererseits frage ich mich, ob gerade ich es sein muss, auf dem das Ganze abregnet.

Die Kreativbrauer in Ihrem Verein, die nicht aus Bayern kommen, sind dann eher aus Solidarität und, wenn man so will, zum Wohle der Vernunft dabei?

Für sie geht es um einen Abbau von Bürokratie und damit von Kosten. Wenn man zum Beispiel jeden Monat ein neues Bier herausbringt, kommt man aus dem Ausfüllen von Formularen nicht mehr heraus. Es muss ja auch kein Metzger, der eine neu Wurst kreiert, einen Antrag auf Sondergenehmigung stellen. Natürlich muss das Produkt unbedenklich für den Verbraucher sein, dafür gibt es ja Lebensmittelvorschriften, an die man sich halten muss.

Streben Sie einen Musterprozess an?

Darauf legen wir es nicht an. Es war aber wichtig für die Gründung des Vereins: Wenn es so weit kommen sollte, dass eines der Mitglieder den Rechtsweg beschreiten muss, wissen wir, dass wir es gemeinsam durchstehen können. Ich hoffe, wir können auch auf anderen Wegen genug Druck ausüben, damit sich etwas ändert.

Was war das für ein Bier, das Sie gestern bei Ihrem Treffen in der Rhön gemeinsam in einem Kommunbrauhaus gebraut haben?

Wir haben ein untergäriges Weizenbier gebraut – das in der deutschen Gesetzgebung aus historischen Gründen bis heute nicht vorgesehen ist. Weizenbier darf nur obergärig gebraut werden. Außerdem haben wir uns an einer Braulandesverordnung aus dem Jahr 1616 orientiert, die im bayerischen Staatsarchiv nachzulesen ist und nach der der Einsatz von Kümmel, Wacholder und Salz erlaubt ist. Das hört sich jetzt vielleicht nach Krautsalat oder Schweinebratensauce an, man kann es aber trinken, ich habe das im letzten Jahr schonmal ausprobiert (lacht).

© Picture-AllianceKönnte Weizenmalz diesem Lagerbier helfen?

Über diese Frage habe ich mich mal mit der Brauerikone Professor Narziss in diesem Blog unterhalten

… ein guter Mann, der schon wahre Worte zur Industrialisierung des Biers und den bedauerlichen Rückgang der Verwendung von Aromahopfen gesagt hat …

Ihn hatte ich gefragt, ob es nicht ein Fehler ist, das untergärige Weizenbier im Biergesetz auszublenden, und er sagte im Grunde, dass es darum nicht schade sei, weil die hohe Viskosität des Weizenmalzes beim Lager Probleme bereite und Weizenmalz – ohne den Einsatz obergäriger Hefe – auch nichtssagend schmecke. Was sagen Sie dazu unter Praxisaspekten?

Das hat er schon richtig erkannt. Was Herr Narziss aber aus meiner Sicht falsch einschätzt: Ein untergäriges Bier muss nicht immer unbedingt klar und filtriert sein, auch wenn man das vom Lagerbier her so kennt. Unter dem Aspekt der Filtrierbarkeit stört der Weizen zwar, der viel Eiweiß hat und viskos ist. Aber soll man untergäriges Weizenbier deshalb verbieten? Es gibt für alles ein Anwendungsgebiet – und Weizen macht zum Beispiel einen Bombenschaum, den ich in manchen untergärigen Bieren gut gebrauchen kann. Es stimmt auch, dass Weizenmalz neutraler im Geschmack ist. Aber bei unserem Bier haben dafür die Zutaten den entschiedenen Einfluss auf den Geschmack.

Hand aufs Herz: Hat das untergärige Weizen, das Sie gestern gebraut haben, Potential? Kann das ein Bier sein, das die Leute gerne trinken?

Ja, das glaube ich schon. Es geht auch nicht immer nur um den Geschmack, dafür ist der Mensch zu sehr auch Augen- und Kopfmaschine. Es geht immer auch um die Story hinter einem Projekt.

Gibt es im Ausland eigentlich Weizenlager?

(Andreas Seufert gibt die Frage an den sich offenbar in der Nähe des Telefons aufhaltenden Oliver Wesseloh weiter, einen früheren Biersommelier-Weltmeister)

Oliver Wesseloh: Es gibt in den Vereinigten Staaten einige Roggenlager, die nach deutschem Gesetz auch verboten wären.

Wie würden Sie sich eine vernünftige Zukunft für Kreativbiere in Deutschland vorstellen?

Oliver Wesseloh: Ziel der Veranstaltung ist es, eine Novellierung des vorläufigen Biergesetzes herbeizuführen. So dass wir in ganz Deutschland in der Lage sein können, mit allen natürlichen Rohstoffen zu brauen, ohne extra eine Ausnahmegenehmigung beantragen zu müssen. Es kann nicht sein, dass wir teilweise sogar historische deutsche Bierstile in manchen Bundesländern nicht oder nur mit erheblichem Aufwand verbunden brauen dürfen. Aus unserer Sicht bekäme jemand, der gegen das jetzige deutsche Biergesetz klagen sollte, Recht – das zeigt auch das eben schon erwähnte Gutachten von Professor Möstl. Dann dürften wir nach der EU-Lebensmittelrichtlinie Bier brauen, die Farbstoffe und alle möglichen zugelassenen chemischen Zusatzstoffe mitumfasst. Für uns aber ist Bier ein natürliches Produkt, und das soll es bitteschön auch bleiben. Deswegen würden wir gerne zu einer Einigung außerhalb des Klageweges kommen.

Warum haben Sie für Ihren Verein den Begriff Kreativbrauer gewählt – hat sich der Craftbier-Begriff, bezogen auf deutsche Verhältnisse, als untauglich erwiesen?

Andreas Seufert: Ja, er ist zu schwer definierbar.

Was stellt das Logo Ihres Vereins dar? Ein Adler wirkt ja vergleichsweise traditionell und unkreativ – oder?

Ja, es gab verschiedene Entwürfe – und der Adler mit dem Hopfengefieder hatte den größten Wiedererkennungswert. Eigentlich ist er fast ein wenig zu bieder, vielleicht hätte man von Kreativen etwas mehr erwartet (lacht). Aber eine klare Formsprache ist schon auch gut.