In einem alten Basaltsteinbruch in der Eifel wird eines der besten fassgereiften Biere Deutschlands erzeugt. Kann man die atemberaubende Lage schmecken? Besuch in der Vulkan-Brauerei.
***
Die Vulkan Brauerei in Mendig bei Koblenz ist ein wirklich kurioser Ort. Am Ortseingang empfängt einen zunächst ganz unauffällig ein großer Parkplatz mit angrenzendem Biergarten, daneben ein Sportplatz, das alles überragt von einem hohen Brauerei-Gebäude, in dem sich neben einem 40-Hektoliter-Sudhaus auch eine Brauhaus-Gastronomie befindet. Im Hintergrund stehen alte Verwaltungsgebäude, und ganz am Rand, links vom Eingang, hat sich ein Drehkreuz vor einem unscheinbaren Stolleneingang postiert.
Der Keller, zu dem man nach mehr als 150 immer feuchter werdenden Stufen abwärts gelangt, beherbergte im 19. Jahrhundert zeitweilig 28 Brauereien. Diese hatten sich, nachdem unterhalb von Mendig auf einer Fläche von fast drei Quadratkilometern über Jahrhunderte hinweg Basalt für Mühlsteine abgebaut worden war, hier angesiedelt, um die konstante Temperatur von 6 bis 8 Grad als Gär- und Lagerstätte für Bier zu nutzen. Die Bahnstrecke von Mendig nach Andernach soll zeitweilig, wegen des erhöhten Bier- und Basaltaufkommens, eine der meistbefahrenen Preußens gewesen sein.
Dann wurde 1876 die Kühlmaschine erfunden, die sich schnell bei der Bierproduktion durchsetzte, und die Brauereien wanderten ab aus Mendig. Für Mühlsteine hatten sich längst geeignetere Materialien gefunden. Plötzlich brauchte niemand mehr den unterirdischen Basaltdom, den die Brauer innen weiß angestrichen hatten, damit das Licht besser reflektiert wurde. Es gab hier unten im 20. Jahrhundert zwar noch verschiedene Versuche der Lagerhaltung, noch heute stehen einige alte Aluminiumtanks leer herum, doch inzwischen wirkt der bombastische Keller mit seiner 200.000 Jahre alten Basaltbruchdecke wie eine Mischung aus Besucherbergwerk und fluchtartig verlassenem Bunker. Hier stehe ich jetzt mit Malte Tack, dem Besitzer des Ganzen, und gelegentlich tropft es uns von der Decke auf den Kopf.
Malte Tack, dessen Familie die Rhodius GmbH gehört, eine auf Getränke spezialisierte Unternehmensgruppe mit eigenem Mineralwasser, hat die Vulkan Brauerei samt Keller im Jahr 2011 mit Mitte Zwanzig gekauft. Vorher war er Event-Manager am Nürburgring gewesen. Von Anfang an verfolgt er ein regionales Konzept, konzentriert sich auf einen Umkreis von 30 Kilometern, und setzt, um sich vom Eifler Klarbier-Riesen Bitburger zu unterscheiden, auf naturbelassene Biere. Tack versteht sich als Craft-Brauer, macht 2012 als einer der Ersten die Sommelier-Ausbildung und zieht gleich in den Anfangsjahren schon Bierstile wie Porter und Pale Ale auf die Flasche.
Die Biere der Vulkan-Brauerei zeichnen sich durch große Malzbetontheit aus, vor allem das Dunkle und das Porter machen Spaß beim Trinken. Das Helle und das erst kürzlich aufgelegte Pils sollen, so Malte Tack, süffig sein, ganz bewusst orientieren sie sich am Mainstream. Das Pale Ale und das IPA sind sehr fruchtbetont, zurückhaltend in der Bittere, ein Konzept, das insofern aufzugehen scheint, als sich das Pale Ale, wie Tack sagt, inzwischen zu einem beliebten Sommerbier in der Region entwickelt hat.
Momentan hat die Vulkan Brauerei einen Bierabsatz von 6000 Hektolitern im Jahr, die Tendenz steigt. Angestrebt sind 10.000 Hektoliter, bis dahin ist die Gastronomie noch ein wichtiges Standbein.
Zurück zum Keller: Schon früh, seit 2013, versuchte Malte Tack ein Bier zu entwickeln, bei dem der einzigartige Keller seine Spuren hinterlassen könnte. Wie er zu seinem Doppelbock im Bourbon-Fass kam, der kürzlich von einer Jury zum Craft-Bier des Jahres gewählt wurde, erklärt er im Interview.
***
F.A.Z.: Herr Tack, wie sind Sie zum holzfassgereiften Bier gekommen?
Malte Tack: Dadurch, dass zu unserer Brauerei der tiefste Bierkeller der Welt gehört, dreißig Meter unter der Erde. Uns war es immer wichtig, diesen Keller auch wieder zur Bierreifung nutzen zu können. Zunächst hatten wir darüber nachgedacht, Edelstahltanks in den Keller einzubauen, um dort Bier zu lagern. Bei dem Gedanken ist uns aber schnell klar geworden, dass wir damit eigentlich nicht die besonderen Eigenschaften des Kellers nutzen. Uns war wichtig, dass der Keller auch wirklich Einfluss auf das Produkt nehmen kann, durch die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur. Das ist bei Edelstahltanks nur bedingt der Fall, außerdem lagern die meisten unserer Biere heute bei null Grad, während der Keller eher 6 bis 8 Grad aufweist. So kamen wir auf das Thema “Holzfass”.
Welche Wirkung hat der Felsenkeller auf Holzfässer?
Am Wichtigsten ist die Luftfeuchtigkeit. Holz atmet ja, es findet ein Austausch mit dem Fassinneren und der Außenwelt statt. Je mehr ein Fass atmen kann, desto mehr Aromen verlassen das Fass. In unserem Keller wird das Holzfass wegen der großen Feuchtigkeit extrem von außen belegt, es ist außen nass und die Poren schließen komplett. So findet ein Aromenaustausch nur im Inneren statt. Für unseren Umgang mit den Fässern bedeutet das: Wir müssen sie einmal in der Woche abschrubben, sonst würde ein Schimmelfilm entstehen, wie bei einem Käse, den man in eine lange, kühle Reifung legt und den man auch immer abbürsten muss.
Hatten Sie Vorbilder für Ihr fassgereiftes Bier?
Vorbilder hatten wir keine. Wir haben allerdings eine längere Versuchsreihe durchgeführt, mit Holzchips, die es zu jeder Art von Fass gibt: Weißwein, Rotwein, Tequila, Sherry, Cognac, Bourbon und auch Naturfass. Die Chips haben wir auf unsere verschiedenen Biersorten gelegt, um zu sehen, welche Reaktionen stattfinden. Dabei haben wir festgestellt, dass starke Biere wie unser Doppelbock deutlich mehr Harmonie mit unserem Fass eingehen als die anderen. Doppelböcke haben genug eigenen Körper, um gegen die starken Aromen des Fasses zu stehen. Zum Schluss haben wir uns für das Bourbon-Fass entschieden, weil das besonders gut mit dem Doppelbock harmonierte.
Welche Fässer verwenden Sie genau und warum?
Wir verwenden Fässer der Woodford Distillerie aus Kentucky, weil wir das Aromabild sehr schön und harmonisch finden – Jack-Daniels-Fässer sind zum Beispiel etwas intensiver, aber auch schärfer im Aroma, dadurch werden Biere aus unserer Sicht kantiger. Wenn man sich einmal für ein Fass entschieden und damit Erfahrungen gesammelt hat, ist es sinnvoll, dabei zu bleiben.
Wie viele Fässer hatten Sie am Anfang im Einsatz? Wie muss man sich die ersten Versuche vorstellen?
Bei den ersten Versuchen im Jahr 2013 sind zehn Fässer in den Keller gewandert. Im zweiten Jahr waren es zweimal zehn, inzwischen sind es vierzig Fässer, zweimal im Jahr.
Ist am Anfang auch mal richtig was schief gegangen?
Ja. Es ist sehr schwierig, ein Fass sauber zu befüllen. Gerade naturbelassene, unfiltrierte Biere sind ein anfälliges Produkt. Als Brauer ist man ja eigentlich gewohnt, dass man in einer geschlossenen Kette von Tank zu Tank arbeitet und das Bier nicht in Berührung mit Sauerstoff und der Außenwelt gelangen kann. Bei Fässern ändert sich das schlagartig. Am Anfang haben wir die Fässer noch mit einem einfachen Schlauch befüllt, heute haben wir Gegendruckaufsätze, wobei auch das nicht einfach ist. Am Anfang sind auch mal Fässer auseinandergeflogen, denn mehr als 0,5 Bar können die Fässer in der Regel nicht halten. Auch das Thema “Fassverprobung” ist nicht ganz einfach. Normalerweise hat man heute einen Zwickelhahn an jedem Edelstahltank. Beim Holzfass müssen wir das Spundloch öffnen, wodurch das Fass vorübergehend frei liegt. Wir haben aber eine gute Lösung gefunden, den Kontakt unseres Bieres mit Pilzen, Fremdhefen und Co. zu vermeiden: Wir sprühen die Fässer mit hochprozentigem Alkohol ein und setzen sie unter Feuer. Unter Feuer ziehen wir dann auch die Probe.
Wie schaffen Sie es, bei all den Unwägbarkeiten, einen möglichst wiedererkennbaren Geschmack herzustellen?
Das gelingt uns vor allem dadurch, dass wir jedes Fass nur ein Mal verwenden. Wir gehen nicht in die Wiederbelegung. Dadurch können wir jedes Fass einzeln so lange bewerten, bis wir sagen: Jetzt hat es so viel Aroma erreicht wie die Fässer zuvor. Auch ist zu bedenken: Die eine Charge ist früher reif, die andere später. Selbst die Jahreszeiten spielen eine Rolle. Im Winter sind die Fässer aromatischer, brauchen nur Lagerzeiten von drei bis vier Monaten. Die Fässer im Sommer benötigen hingegen eher vier bis sechs Monate. Sie haben einen langen Weg von Kentucky bis hierher und trocken im Sommer schneller aus.
Werden die Fassinhalte untereinander verschnitten?
Ja, die einzelnen Fässer sind geschmacklich unterschiedlich. Einige Fässer haben 200 bis 300 Milliliter Bourbon mehr im Holz als andere. Deshalb verschneiden wir die Charge. Ein weiterer Grund ist, dass wir dem Produkt nach der Reifung CO2 hinzusetzen. Daher füllen wir den Inhalt der Fässer in Edelstahltanks, in denen wir das Bier mit Kohlensäure versetzen, bevor wir es in Flaschen abfüllen.
Sie sind ein erklärter Gegner übertriebener Craft-Beer-Preise – warum kostet Ihr Barrel-Bier so viel?
Ich finde schon, dass Craft-Biere einen hohen Wert erzielen müssen, sowohl in der Brauerei als auch im Handel. Es ist nur nicht gerechtfertigt, dass einfache Craft-Biere – selbst ein Pils kann ja dazugehören – 2,50 Euro für eine 0,33-Liter-Flasche im Handel kosten. Der Preis muss sich durch hochwertige Inhalte wie teure Aromahopfen oder aufwändige Lagerungen rechtfertigen und nicht allein durch den Begriff „Craft“, andernfalls kann der Endverbraucher nicht nachvollziehen warum Craft-Biere teurer sind. Der Bourbon hat einen großen Preisunterschied zu einfachen Bieren, weil das Fass so viel am Preis ausmacht. Wie gesagt: Diese Fässer haben einen weiten Weg hinter sich, jedes Fass wird nur einmal verwendet. Zudem: In ein Fass geben wir 190 Liter hinein, heraus bekommen wir nur etwa 170 Liter, weil ein Teil vom Holz aufgesogen wird und Bodenreste im Fass verbleiben. Diese 170 Liter müssen letztendlich den kompletten Import des Fasses finanzieren. Hinzu kommt ein langer Prozess nicht nur im Fass, sondern auch schon davor. Das verwendete Doppelbockbier liegt acht Wochen bei minus 1 Grad im Edelstahltank. Die 7,99 Euro, für die das Bier in der 0,33-Liter-Flasche im Handel dasteht und an denen auch der Handel noch seinen Anteil haben muss, finden wir aus diesen Gründen mehr als gerechtfertigt. Bei uns muss man jedenfalls keine Champagnerflasche mitbezahlen.
Bleiben Sie bei Ihrer Flasche?
Ja, diese haben wir bewusst gewählt. Nur bei den Gebinden, die wir auch gewöhnlich über die Flaschenabfüllanlage fahren, können wir für hundertprozentige Hygiene garantieren. Die Flaschengröße von 0,33 ist für ein Produkt wie unser Bourbon auch sinnvoll. Warum soll man ein Pils in 0,3 trinken und ein Starkbier in 0,7? Um die hohe Wertigkeit dennoch auch optisch klar hervorzuheben, wird jede Flasche in eine edle Kartonhülse verpackt, wie man es auch von einem guten Bourbon gewohnt ist.
Wie verändert sich der Bourbon-Doppelbock in der Flasche? Welche Lebensdauer hat er?
Das können wir noch nicht genau sagen, weil wir noch keine Langzeitbeobachtung machen konnten. Für uns sieht es bisher so aus, als würde der Bourbon eine positive Entwicklung nehmen. Ich glaube, man kann unseren Bourbon wegen des Alkoholgehalts von acht Prozent und auch wegen der Kronkorkenflasche noch in zwanzig Jahren trinken.