Zur Weihnachtszeit bringen etliche Brauereien spezielles Bier auf den Markt. Meist ist es malziger, dunkler und hat etwas mehr Alkohol. Dabei vermischen sich Traditionen und Marketing.
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Es weihnachtet derzeit auch an Orten, wo man es sonst nicht unbedingt vermutet. Zum Beispiel im Getränkemarkt. Die Biermanager sind kreativ geworden, seit die Branche gegen den sinkenden Bierdurst der Deutschen kämpfen muss. Zu Weihnachten gibt es jetzt Bier-Adventskalender und Bier-Brausets als Männer-Weihnachtsgeschenk, damit sich ambitionierte Bierfans zuhause auch ihr eigenes Bier brauen können. Angeboten werden fertige Sets mit Malz, Hopfen, Hefe und den nötigen Brau-Gerätschaften. Das macht Spaß, dauert aber mehrere Wochen.
Für die weniger Geduldigen gibt es das Weihnachtsbier. Etliche Brauereien haben derzeit Festbiere im Programm, von deren prächtigen Etiketten Weihnachtsmänner winken, Schneeflocken rieseln oder goldene Sternchen funkeln. Warsteiner, Mönchshof, Tuborg, Tucher, Einbecker, Alpirsbacher, Stuttgarter Hofbräu und viele andere haben seit Wochen ihre Festbiere in den Märkten stehen. Der Erfolg gibt ihnen Recht: Laut Marktforschern wächst das Segment der Saisonbiere. Während der Biermarkt in Deutschland insgesamt schrumpft, sei der Ausstoß von Saisonbieren um mehr als 5 Prozent gestiegen, sagt Birte Kleppien, Sprecherin der Radeberger-Gruppe. Weil der Geschmack der normalen Pilsbiere von vielen Verbrauchern als einheitlich wahrgenommen werde, habe sich eine Art Gegenbewegung formiert, sagt Marcus Strobl, Bier-Experte beim Marktforschungsinstitut Nielsen: Die Verbraucher hätten Lust auf Besonderes.
Nach der Tradition befragt, sind Branchenkenner erstmal etwas skeptisch: „Weihnachtsbier hat historisch keinen hohen Stellenwert“, sagt Branchenkenner Rüdiger Ruoss, der mehrere Jahrzehnte Brauereien im Marketing beraten hat. Ähnlich sieht es der Bamberger Biersommelier und Bierbuch-Autor Markus Raupach: „Traditionell gibt es in Deutschland kein Weihnachtsbier, das ist bei uns eher eine moderne Marketing-Erfindung aus den letzten Jahrzehnten.“ Der Begriff „Weihnachtsbier“ sei auf Etiketten in Deutschland vor etwa 30 Jahren aufgekommen, in Amerika hätten deutschstämmige Brauereien schon im 19. Jahrhundert ihre Bockbiere als „Christmas Beer“ beworben.
Etikettenschwindel sei das Weihnachtsbier deswegen aber trotzdem nicht. Die Biere sind meist etwas kräftiger eingebraut – also mit mehr Rohstoffen: Verglichen zu herkömmlichem Bier sind sie oft malziger, dunkler und haben etwas mehr Alkohol. Was heute als „Weihnachtsbier“ von vielen Brauereien verkauft wird, sei größtenteils klassisches Festbier, wobei meist weniger Hopfen verwendet wird, weil man zu Weihnachten lieber etwas Süßes als etwas Bitteres trinken will. Oft wird das Malz stärker geröstet, das Bier wird dadurch süßer, karamelliger und dunkler.
Eines der bekanntesten ist das Warsteiner Weihnachtsbier, dass es aber erst seit 4 Jahren gibt. Das Urteil des Bamberger Biersommelier Raupach muss das Bier mit 5,6 Prozent Alkohol nicht scheuen, ihm schmeckt es gut: „Bei uns in Bamberg würde das auch als gutes Kellerbier durchgehen.“ Schon etwas älter ist das „Mönchshof Weihnachtsbier“ der Kulmbacher Brauerei, das es immerhin schon seit 15 Jahren zu kaufen gibt. Noch etwas älter ist das Weihnachtsbier von Stuttgarter Hofbräu, überhaupt haben viele Regionalbrauereien schon länger Weihnachtsbier im Sortiment. Stuttgarter Hofbräu gehört inzwischen zur Radeberger-Gruppe, dem größten deutschen Braukonzern, der insgesamt sechs Weihnachtsbiere anbietet.
Eine weit größere Historie als die Weihnachtsbiere haben laut Biersommelier Raupach die Winter-Bockbiere, die früher für die traditionell 40 Tage dauernde Fastenzeit vor Weihnachten gebraut wurden. Diese Starkbiere sollten nahrhaft sein, um den Fastenden Energie und Kraft zu geben. Aus dieser Tradition habe sich später die hauptsächliche Bockbierzeit (zwischen Oktober und Ende Dezember) entwickelt. Die Winter-Bockbiere sind nochmal deutlich stärker gebraut als die Weihnachtsbiere. Während ganz gewöhnliches helles Bier einen Stammwürzegehalt von etwa 12 Prozent hat, liegen die Weihnachtsbiere zwischen 12 und 15 Prozent, die Bockbiere aber enthalten mindestens 16 Prozent Stammwürze. Das führt auch zu einem nochmals höheren Alkoholgehalt. In der Tradition der Winter-Bockbiere steht etwa das Ayinger Winterbock mit 6,7 Prozent Alkohol und das schwach gehopfte Flensburger Winterbock, das sogar 7 Prozent Alkohol enthält. Das passt auch zu Festspeisen wie Gänsebraten, Maronen und Rotkohl.
Eine echte Winterbock-Spezialität ist auch das Rauchbier „Aecht Schlenkerla Eiche“ aus Bamberg – unter Bierfans nur „die Eiche“ genannt. Das Malz für das Bier wird über einem Feuer von Eichenholz gedarrt (statt wie beim normalen Rauchbier mit Buchenholz). Das Doppelbock-Bier schmeckt damit etwas weicher als sonstiges Rauchbier, kann aber dennoch manchen Biertrinker erschrecken, weil es – wie andere Rauchbiere auch – durch den Rauch stark nach Schwarzwälder Schinken schmeckt, zudem aber mit 8 Prozent Alkohol auch noch sehr schnell zu Kopf steigt.
In anderen Ländern werden vielen Weihnachtsbieren neben Wasser, Hopfen und Malz auch Weihnachtsgewürze wie Zimt, Nelke, Anis oder Honig zugesetzt. Etwa in Belgien. Die belgischen Brauer stört es nicht, wenn ihr Bier nicht nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut ist, sie blicken selbst auf eine stolze Biertradition zurück. Das Land hat zudem laut Markus Raupach im Vergleich zu Deutschland eine etwas längere Weihnachtsbiertradition, sie sei etwa 60 bis 70 Jahre alt. In den 90er Jahren kam in Belgien auch das „Glühbier“ auf. Es wird wie Glühwein heiß serviert. Die belgische Traditionsbrauerei Liefmans braut es mit Wintergewürzen und süßt das Bier mit Kirschsaft. Das Bier nähert sich dabei auch preislich dem Wein an: Rund 15 Euro kostet eine 0,7 Literflasche. In Deutschland bietet die Störtebeker Braumanufaktur in Stralsund ein Glühbier mit Zimt und 10 Prozent Holundersaft.
Es geht in Deutschland als „Biermixgetränk“ durch. Das Glühbier sieht ein wenig aus wie Rotwein mit Bierschaum, es riecht weihnachtlich, schmeckt auch nicht so sehr nach Bier, eher wie ein fruchtiger Glühwein, allerdings weniger sauer. Wer will, kann zuhause aber auch sein eigenes Glühbier mischen: mit einem dunklen, malzigen Bier als Basis und mit Sauerkirschsaft, Zucker und Zimt.
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