Die Traditionsbrauereien Hasseröder und Diebels bekommen einen neuen Eigentümer. Daniel Deistler gilt in der Branche als großer Unbekannter – und als umstritten. Im Gespräch reagiert er auf die Angriffe gegen ihn.
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Anfangs jubelte Manfred Tessmann, als sei die Brauerei schon wieder zurück in der Erfolgsspur. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG in der Region Süd-Ost-Niedersachsen war froh, dass es endlich eine neue Perspektive für Hasseröder und Diebels gibt. Tatsächlich schien es vielen als eine Art Befreiungsschlag, als im Januar durchsickerte, dass ein Investor die beiden Traditionsbrauereien Hasseröder und Diebels übernimmt. Der bisherige Eigentümer, der weltgrößte Braukonzern AB Inbev, hatte die Brauereien in den vergangenen Jahren recht stiefmütterlich behandelt. Nachdem die Manager des Weltkonzerns das Interesse an den beiden Biermarken verloren hatten, wurden die Werbebudgets entsprechend gekürzt, und es wurde nicht mehr investiert. Der Verkauf des Bieres brach ein. „Wir waren froh, dass Hasseröder aus der AB Inbev herausgelöst wird“, sagt Manfred Tessmann im Gespräch mit der F.A.Z. Doch dann kamen ihm Zweifel, ob der neue Investor aus Kronberg, Daniel Deistler, der Richtige für den Neuanfang ist.
Seither muss sich der 48 Jahre alte Investor Deistler gegen Zweifel an seiner Seriosität wehren. In der Bierbranche ist sein Name bislang weitgehend unbekannt, auch sonst ist wenig über seine bisherigen Geschäfte bekannt. Den Belegschaften der beiden Traditionsbrauereien hat er versprochen, keine Stellen zu streichen. Im Gegenteil: Er werde kräftig investieren und den etwas verstaubten Biermarken neuen Glanz verleihen, kündigte Deistler an. Doch Tessmann ist mittlerweile skeptisch, ob Deistler überhaupt das nötige Geld zum Kauf der beiden Brauereien selbst aufbringen kann. In Medienberichten war immerhin von 200 Millionen Euro die Rede, vermutlich aber war der Kaufpreis deutlich höher.
Bislang habe Deistler mit seinen Investitionen wenig Erfolg gehabt, sagt Tessmann. Zudem habe Deistler Kontakte zu dem Geschäftsmann Roland Müller, der einst die Erfurter Brauerei Braugold erworben und später „plattgemacht“ habe. „Wir haben das Gefühl, Herr Deistler ist eine Heuschrecke“, sagt Tessmann im Gespräch mit der F.A.Z. Deistlers Name sei bislang vor allem mit Unternehmensniedergängen verbunden.
Befeuert wurden die Skeptiker durch einige kritische Medienberichte. In der Belegschaft machen seither Geschichten die Runde, die kein besonders ruhmreiches Licht auf Deistlers bisheriges Geschäftsgebaren werfen: Vor einigen Jahren investierte Deistler in das Unternehmen „Behr Mylau“, einen Hersteller von Motorradfelgen, den er vom Stuttgarter Automobilzulieferer Mahle übernahm. Auch dort habe Deistler den Beschäftigten Besserung versprochen, doch am Ende stand die Insolvenz. Glücklos endete auch der Fall Betam, der früheren Straßenbausparte des Baukonzerns Bilfinger. Vor drei Jahren rutschte das Unternehmen in die Insolvenz. Hier war Deistler zwar nicht als Investor beteiligt, aber als Berater des glücklosen Käufers. Bis heute streitet Deistler mit dem Insolvenzverwalter vor Gericht.
Kritik kommt auch vom früheren Hasseröder-Chef Walter Schmidt, der die Brauerei von 1993 bis 2005 selbst leitete und im vergangenen Jahr gemeinsam mit zwei anderen auch den Kauf der Brauerei erwog. Die „Volksstimme“ in Magdeburg zitiert ihn mit den Worten, er mache sich „ernste Sorgen“. Die ganze Geheimniskrämerei wirke auf ihn wie ein „Kasperletheater“.
Im Gespräch mit der F.A.Z. wehrt sich Deistler gegen die Anschuldigungen. Er habe den Eindruck, dass jemand gezielt „Störfeuer“ lege. Womöglich habe jemand Interesse daran, für Unruhe bei den Banken zu sorgen, um das Geschäft in letzter Minute noch platzen zu lassen: „Das wird aber nicht gelingen“, sagt Deistler: „Ich will langfristig investieren. Während des Bieterprozesses bin ich sowohl von der Deutschen Bank in London als auch vom Verkäufer AB Inbev intensiv durchleuchtet worden.“
Sein Investmentunternehmen CK Corporate Finance ist in der Bierbranche ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Der gelernte Betriebswirt arbeitete früher bei der Commerzbank und der Dresdner Bank, später einige Jahre als Manager bei Arthur Andersen und Ernst & Young. Seit 2004 ist er geschäftsführender Gesellschafter der CK Corporate Finance GmbH und zugleich deren einziger Mitarbeiter. Das Unternehmen berät nach eigener Auskunft beim Kauf und Verkauf von Unternehmen, zudem berät es Unternehmen bei Finanzierungsfragen.
Um die beiden Brauereien hätten sich viele Interessenten beworben, sagt Deistler, am Ende habe es eine „Bieterschlacht“ gegeben. Er sei froh, zum Zuge gekommen zu sein, schon in der Vergangenheit habe er sich für andere Brauereien interessiert und habe geboten, jetzt habe es endlich geklappt. „Ich verstehe nicht, warum jetzt von Einzelpersonen Stimmung gegen mich gemacht wird.“
Sicher seien nicht alle seiner Geschäfte erfolgreich gewesen, das sei aber völlig normal. „Der Fall Behr Mylau ist bedauerlich, aber es hat dort während meiner Zeit als Investor keine Entlassungen gegeben“, sagt Deistler: „Ich glaube bis heute, das Unternehmen hätte gerettet werden können.“ Doch der Geschäftsführer und Insolvenzverwalter hätten einen anderen Weg eingeschlagen. „Die Darstellung, ich hätte bisher wenig Erfolg mit meinen Investitionen gehabt, ist ziemlich verdreht.“
Gefragt nach seinen Erfolgen, verweist Deistler auf sein Engagement bei Gitec, einem Beratungsunternehmen für Entwicklungshilfeprojekte. Er habe das Unternehmen im Jahr 2006 gekauft, die Gewinne stark gesteigert und später erfolgreich an ein französisches Unternehmen weiterverkauft. Heute gehe es dem Unternehmen sehr gut. Auch seine Investition in das amerikanische Medizintechnikunternehmen Accuray sei sehr erfolgreich gewesen. Das Unternehmen produziert Roboter für Operationen, bekannt ist es etwa für das „Cyberknife“ – ein Gerät, das Chirurgen bei der Behandlung verschiedener Krebsarten hilft. Er habe dabei als Wagniskapitalgeber fungiert.
Tatsächlich hält auch der Verkäufer AB Inbev weiter zu ihm: Man gehe von einem planmäßigen Abschluss der Verkaufs Mitte des Jahres 2018 aus, teilte das Unternehmen auf Nachfrage mit. Der Käufer sei in einem langen Prozess ausgewählt und von der Deutschen Bank geprüft worden. Zu einzelnen Medienberichten wolle man sich nicht äußern. Auch wann Zahlungen fällig sind, wollte AB Inbev nicht sagen.
Wie Deistler die beiden Brauereien wieder auf Erfolgskurs bringen will, deutet er im Gespräch mit der F.A.Z. nur vage an: „Diebels könnte das Sortiment erweitern, die Brauerei muss sich nicht zwingend nur auf Altbier konzentrieren.“ Zudem will er wieder mehr Geld für Werbung investieren, „sonst sind die Marken irgendwann tot“. Zwar lohne sich Fernsehwerbung nicht, und auch Trikotwerbung in der Bundesliga sei zu teuer. Aber im Sport-Sponsoring sollen die Brauereien wieder aktiver werden. „Diebels wird auch weiterhin für AB Inbev Bier der Marke Beck’s brauen und abfüllen“, verspricht Deistler.
Die beiden Brauereien Diebels und Hasseröder haben turbulente Zeiten hinter sich: Hasseröder in Wernigerode am Harz (Sachsen-Anhalt) galt Ende der neunziger Jahre als ostdeutsche Erfolgsgeschichte. Nach der Wiedervereinigung hatte zunächst die Hannoversche Gilde-Brauerei die ostdeutsche Biermarke von der Treuhand übernommen, riss die völlig veralteten Brau-Anlagen ab und baute auf der grünen Wiese neue – Hasseröder wurde eine der modernsten Brauereien der Republik, der Ausstoß stieg rasant. Vor rund 10 Jahren war der Höhepunkt erreicht, Hasseröder braute mehr als 2,7 Millionen Hektoliter im Jahr, doch dann brach die Erfolgsgeschichte ab. Im vergangenen Jahr verkaufte Hasseröder nur noch 1,9 Millionen Hektoliter. Heute ist Hasseröder zwar in Ostdeutschland noch immer die meistgetrunkene Biermarke, doch der Glanz hat deutliche Kratzer bekommen.
Ähnlich war die Entwicklung bei Diebels im niederrheinischen Issum: Nachdem sich der damalige Familienbetrieb in den 1970er Jahren entschieden hatte, nur noch Altbier zu brauen, kam zunächst der große Erfolg: Der Altbierspezialist zog Anfang der achtziger Jahre an den Konkurrenten vorbei und stieg zum Altbier-Marktführer auf. Mitte der 1990er Jahre braute Diebels 1,7 Millionen Hektoliter. 2001 verkaufte die Familie den Betrieb an die belgische Interbrew, einen Vorläufer des heutigen Braukonzerns AB Inbev. Seither geht es abwärts.