Reinheitsgebot

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Das Blog zum Bier

Gibt es noch Spuckebier?

| 6 Lesermeinungen

In Peru wurde das Bier traditionell mit Speichel versetzt. Was ist davon geblieben? Der Craft-Brauer Sebastian Sauer berichtet im Interview von seiner Recherche in den Anden.

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Peruanische Heimbrauerin mit Chicha

Welche Rolle spielt Bier in Peru?

Sebastian Sauer: Es ist sehr verbreitet, man bekommt es überall. Beliebtestes Bier ist auch hier das Lager. Aber ich war erstaunt darüber, wie verbreitet Craft-Bier in Peru ist – obwohl es ziemlich teuer ist, weil die meisten Zutaten importiert werden müssen. In der gehobenen Gastronomie gibt es immer auch eine Craft-Bier-Auswahl.

Was ist vom Chicha-Bier, dem Spucke-Bier der Anden übrig geblieben?

Vor meiner Reise nach Peru kannte ich vor allem eine ziemlich reißerische Dokumentation von Discovery Channel, dort wurde eine Bierproduktion mit vorgekautem Mais vorgeführt. Wie authentisch das Ganze war, kann ich allerdings nicht beurteilen.

Wie sind Sie selbst dem Chicha-Bier begegnet?

Ich habe es gezielt gesucht. Schon nach meiner Ankunft in Cusco stand in einem Restaurant Chicha auf der Karte, das in einem Tonkrug mit Zimt oben drauf serviert wurde. Das Bier hatte allerdings einen Essigstich. Bei der Taxifahrt zum Hotel hatte ich unterwegs einen Laden gesehen, vor dem ein Schild mit der Aufschrift „Chicheria“ stand, dort sind wir auch noch hingegangen. Hier gab es ein Frucht-Chicha, ein Rezept, zu dem man greift, wie es heißt, wenn das Bier selbst zu sauer wird. Es werden dann wilde Erdbeeren beigefügt, um das Ganze wieder etwas süffiger zu gestalten. Auch darauf wurde Zimt gestreut.

In Cusco wird das Maisbier mit Zimt gewürzt

Ansonsten sind wir gezielt nach Ollantaytambo gefahren, das liegt, ganz grob, zwischen Cusco und Machu Picchu, die Gegend wird auch als “heiliges Tal” bezeichnet. Eine Brauerin aus Lima hatte mir den Tipp gegeben, dass es dort gutes Chicha gebe.

Dort angekommen konnte man die Chicherias daran erkennen, dass draußen Blumen oder eine rote Fahne hingen. Das erinnert an die Besenwirtschaften oder die Zoiglwirtschaften in Deutschland. Weitere Hinweise durch einen Namen oder ein Schild gab es nicht.

Erinnert an deutsche Straußenwirtschaften: Rote Fahnen zeigen Chicherias an
Kneipe auf Peruanisch

Wir haben dann auch mit einem Fahrdienst die nähere Gegend erkundet, der Fahrer sagte, er kenne noch ein paar gute Adressen in weniger touristischen Gebieten. So kamen wir nach Huarcondo.

© Sebastian SauerPeruanische Trinkgasse

Dort gab es Straßen, in denen lauter rote Fahnen hingen. In den Chicherias waren wir teilweise alleine, nur ein paar Hühner liefen herum. Das Prinzip war immer das gleiche, das Bier wurde mit Messbechern möglichst tief aus Plastikeimern geschöpft, obenauf schwamm noch Kräusen. In der ersten Chicheria war der Eimer mit Bier noch voll, es war sehr frisch, entsprechend süß. In der nächsten Lokalität, eigentlich eher ein kleines Geschäft als eine Gaststätte, war der Eimer schon ziemlich leer, mehr Säure kam durch. Es kommt geschmacklich also immer darauf an, wer wann etwas ausschenkt.

Rechts hinten das hausgemachte Chicha-Bier, links handelsübliches Bier in Kisten
Die Chicha-Gläser stellen Pints und Weißbiergläser in den Schatten

Wie war die Trinksituation? Haben Sie sich wohlgefühlt, war die Hygiene okay?

Ja, ich bin in solchen Dingen allerdings auch schmerzfrei.

Ist die Chicha-Produktion räumlich begrenzt oder gibt es überall in Peru Chicha, nur eben stellenweise weniger?

Ja, auf die Anden.

Haben Sie etwas darüber herausfinden können, ob noch Spucke beziehungsweise Speichel im Einsatz ist?

An manchen Orten mit Sicherheit, das habe ich aus Gesprächen geschlossen, ich selbst konnte mich davon aber nicht vergewissern. Viele sind wohl davon abgekommen, weil es inzwischen entsprechend bearbeitete Rohstoffe schon gibt. Der Speichel mit seinen Enzymen soll ja im Grunde das Getreide so vorbereiten, dass es besser vergärt, ersetzt also das Maischen.

Das klingt kompliziert, aber vielleicht genügen ja kleine Mengen.

Häufig ist mit solchen Verfahren ja auch eine Spiritualität verbunden, die sich einem nicht direkt erschließt.

Gibt es verschiedene Sorten von Chicha? Man liest von Alkoholgehalten zwischen 1 und 6 Prozent.

© Sebastian SauerSchmerzfrei: Sebastian Sauer an einem Chicha-Marktstand in Cusco

Ja, es hängt davon ab, wie weit es vergoren ist. Wir hatten alle Stufen mit unterschiedlichen Restsüßen. Zudem gibt es in Peru eine enorme Vielfalt verschiedener Maissorten mit unterschiedlichen Farben, die auch teilweise beim Chicha zum Einsatz kommen, wie ich auf einem Markt in Cusco an einem Stand sehen konnte. Da wurde Chicha in Plastikflaschen verkauft.

Ganz bekannt ist ja auch das Chicha morada, das dunkle Chicha, bei dem lilafarbener Mais verwendet wird. Das ist aber ein alkoholfreies Getränk, auf Maisbasis, mit verschiedenen Gewürzen, man bekommt es überall in Peru.

Woran hat Sie das Chicha-Bier geschmacklich erinnert?

An kein bekanntes Bier. Es hat auf der Oberfläche – ich weiß nicht, ob man das auf den Fotos sieht – eine leicht schleimige Konsistenz. Es ist sehr, sehr sämig, hat eine vom Mais ausgehende Süße. Serviert wird es in sehr großen Gläsern, die bestimmt 750 Milliliter fassen. Bei dem Glas mit dem Essigstich in Cusco, von dem ich eben sprach, war ich froh, als es leer war, bei den anderen habe ich gerne ein weiteres bestellt.

© Sebastian SauerEine leicht schleimige Konsistenz: Chicha wird lauwarm getrunken

War es fruchtig, erfrischend?

Eher getreidig, süß, Maisnoten. Fruchtig würde ich nicht sagen. Ziemlich hefig, sehr leicht zu trinken. Chicha hat Raumtemperatur. Wenn man es kühlen würde, wäre es mit Sicherheit erfrischender.

Es kommt hauptsächlich Mais zum Einsatz?

Ja. Manche verwenden auch Maisblüten bei der Vergärung. Da sitzen nochmals Hefen drauf, die die Vergärung unterstützen.

Gibt es interessante Craft-Brauer in Peru?

Ja, die meisten sind aber Expats, Amerikaner, Australier. Es werden viele lokale Zutaten verwendet: Kakao, Kaffee, Früchte, Kräuter, das Angebot ist in Peru ja unerschöpflich. Interessant sind zum Beispiel die Brauereien Barbarian, Greenga, Zenith und die Cerveceria del Valle Sagrado.

Welche Rolle spielt Bier in der peruanischen Gastronomie?

In Lima waren wir unter anderem im Restaurant “Central” von Virgilio Martinez, das steht ja auf Platz vier der Weltrangliste. Da gab es als lokale Getränkebegleitung zu einem Fisch-Gang Bier von der örtlichen Brauerei Barbarian, die von Peruanern geführt wird. Für das Bier wurde Amazonas-Oregano verwendet. Das war ein tolles Pairing. Auch bei dem anderen großen Koch, Gastón Acurio, findest Du auf den Karten seiner Restaurants Craft-Bier. Aber auch in einfacheren Lokalen, in Restaurants, in denen es in Deutschland wahrscheinlich kein Craft-Bier gäbe, stand es auf der Karte. Peru ist nach meiner Einschätzung eher ein Bier- als ein Weinland.

Mehr von Sebastian Sauer (Freigeist Bierkultur, Köln) im Bierblog

© Sebastian SauerBierbegleitung im Restaurant “Central” von Virgilio Martinez

Die Fragen stelle Uwe Ebbinghaus


6 Lesermeinungen

  1. Ulrich Bähr sagt:

    Amylasen
    Mir scheint, der Interviewte braut nicht selbst. Die Spucke ersetzt nicht das Maischen, sondern das Mälzen. Mais bildet beim Keimen offenbar keine Amylasen, wie unser Braugetreide. Wir benötigen aber Amylasen, um die langen Stärkeketten in kurze Zuckerketten zu zerhacken (beim Maischen). Neben Getreidekeimen enthält vor allem Spucke Amylase (was wohl der Hauptgrund ist, warum Kleinkinder ewig lang an einer Breze rumnuckeln). Und bekanntlich benötigen die Bierhefen Zucker zum Vergären.
    Ist Chicha also Bier? Es ist ein alkoholhaltiges vergorenes Getränk aus verzuckerten stärkehaltigen Pflanzenteilen. Nach dieser Definition also schon. Manche fordern, daß zwingend Malz erforderlich ist für definitionsgemäßes Bier. Dann wäre Chicha kein Bier. (Allerdings wird teilweise auch künstlich erzeugte Amylase der Maische zugesetzt und ab da verschwimmen die Grenzen…)
    In verschiedenen Gebieten Afrikas wird auch Maisbier gebraut. Dort wird das das mit einer Malzzugabe gelöst.

  2. ML sagt:

    so ist es !
    Sehr authentischer Bericht.
    Peruaner lieben alle Biersorten aber Chica ist schon eher das “arme Leute Bier” auf dem Land aber auch im Norden und “hinter” den Anden in Amazonien.

  3. Gast sagt:

    Schöner Bericht.
    Gerne mehr und noch detaillierter, was die Herstellung betrifft.

  4. Pablo Larreategui sagt:

    Karrektur
    Einer Korrektur: Chicha ist kein Bier, keine Biersorte.

  5. Gast sagt:

    Titel eingeben
    Auch die Lakandonen haben Speichel zur Fermentation und Stärkedegradierung/-umwandlung genutzt! Das ist aber südliches Mexiko. Ich denke, dass das schlicht eine alte Art der Bierbrauer in Meso- und Südamerika ist. Interessant wäre, was die alten Spanier so notierten. Zimt ist neu, das gab es traditionell ja nicht. Von den Lakandonen weiss ich, dass das Bier von Frauen zubereitet wurde in alten ausgehöhlten Baumstämmen die dann mit Blätter abgedeckt wurden. Übrigens ist Changa in Ostafrika ebenfalls mit Mais u.a. zubereitet, aber da hat es noch mehr drin an stärkehaltigem Material und traditionell auch Honig. Alle diese Biere sind übrigens ungehopft, man hopft heute aber auch schon mal.

  6. Parvus sagt:

    Chicha und Meerschweinchen
    In Ollantaytambo (oder nahebei) waren wir auf unserer Peru-Reise (2015) auf dem Rückweg von Machu Pichu auch in einer Chicheria. Dort gab’s auch Erdbeer-Chicha – die schmeckte ein wenig wie Erdbeerbowle und war besser als die normale. Die Mutter unserer Reiseführers (hatte sich noch gut gehalten), die selbigen an diesem Tag vertrat, klagte die ganze Zeit über Männer, die die Frauen mit den Kindern sitzen lassen. Sich zur Spucke zu äußern, hat sie vermieden, genauso wie die Betreiberin der Chicheria.
    Gewöhnungsbedürftig sind auch die Meerschweinchen, von denen die Chicheria-Betreiberin einen ganzen Stall voll hatte. Bis zur Schlachtung hervorragende Lebensbedingungen für die kleinen Tiere. Ich hatte in Cusco schon das Vergnügen. Das Tier (Männchen) war groß und zäh, und hatte trotzdem nicht viel Fleisch an sich. Alpaca ist wesentlich geschmackvoller. Vielleicht lags aber auch an der Erkältung, die ich mir im Flieger (nach Madrid) geholt hatte. In der dünnen Luft ist das

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