Reinheitsgebot

Reinheitsgebot

Das Blog zum Bier

Ungerecht und willkürlich

| 11 Lesermeinungen

In Deutschland dürfen Brauer „besondere Biere“ auch mit Zutaten herstellen, die im Vorläufigen Biergesetz nicht aufgeführt sind – allerdings müssen sie behördlich genehmigt werden. Wie uneinheitlich dieses Verfahren allein in den Berliner Bezirken abläuft, schildert der Brauer Sebastian Mergel. Ein Gastbeitrag zum Tag des deutschen Biers.

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Welche Faktoren gewährleisten Biervielfalt im Rahmen der Gesetze?

Auf dem Parlamentarischen Abend 2016 des Deutschen Brauerbundes stellte nicht nur die Zunft der Brauer (vertreten durch Oliver Lemke), sondern auch die Bäckerinnung ihre Handwerkskünste vor. Ein Brotsommelier präsentierte kreative Köstlichkeiten. Mein persönliches Highlight war ein Graubrot mit Nüssen und Cranberries. Es schmeckte vorzüglich, und sowohl die Auswahl als auch die Menge der eingesetzten Zutaten zeugten von hoher handwerklicher Kunst und einem ausgeprägten Geschmacksbewusstsein. Es ist toll, dachte ich mir, dass die Bäcker ohne große Schwierigkeiten auch Zutaten jenseits von Wasser, Mehl und Hefe einsetzen können, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.

Wie schön wäre es, wenn auch die Brauer in Deutschland nach Herzenslust – natürlich im Rahmen des Lebensmittelgesetzes und im Rahmen einer leicht verständlichen, eindeutigen Deklarationspflicht – unter Zuhilfenahme aller erdenklichen Nüsse, Früchte oder Gewürze Biere brauen dürften. Bekanntlich ist es in Deutschland durchaus möglich, solche „besonderen Biere“ zu brauen. Aber einfach macht es einem der Gesetzgeber nicht. In unserem konkreten Fall hat es fast ein halbes Jahr gedauert und 250 Euro Bearbeitungsgebühr gekostet, bis unser Antrag, ein Maple Walnut Stout als „besonderes Bier“ brauen zu dürfen, genehmigt wurde – wenn auch nur unter Vorbehalt.

Betriebswirtschaftlicher Wahnsinn

In unserem Sudhaus der “Berliner Bierfabrik” können wir zehn Hektoliter brauen. Je höher die Stammwürze ist, desto geringer wird die Ausstoßmenge. Wenn ich also ein „besonderes Bier“ nur einmal braue, dann erhöhen sich die Kosten aufgrund der Bearbeitungsgebühr um mindestens 25 Cent pro Liter – ein betriebswirtschaftlicher Wahnsinn. Im Falle des Maple Walnut Stouts – beziehungsweise des Ahorn Walnuss Stouts, wie es jetzt auf Anordnung unseres Sachbearbeiters heißen soll – könnten wir zwar irgendwann Gewinne erzielen, aber nur, wenn wir es häufig genug brauen. Viele der sogenannten Craftbrauer brauen ihre „besonderen Biere“ allerdings nur einmal. Denn dann muss etwas Neues her. Der Markt scheint es so zu wollen.

Es muss sich etwas ändern. Wenn schon nicht das Vorläufige Biergesetz angefasst wird, in dem die erlaubten Zutaten zum Bierbrauen festgelegt sind, dann doch zumindest die Gebührenverordnung, die die Gebühren für die Genehmigung „besonderer Biere“ regelt. In unserem Fall ist das die „Verordnung über die Erhebung von Gebühren im Gesundheitlichen Verbraucherschutz des Landes Berlin“ vom 7. November 2017. Wir müssen handeln. Also handelten wir.

In jedem Bezirk wird es anders gehandhabt

Am 26. Oktober 2018 traf sich eine Handvoll Brauerinnen und Brauer zu einem Gedankenaustausch in einem Hinterzimmer des Restaurants Meisterstück in Berlin-Mitte. Es war eine äußerst heterogene Truppe: Männer und Frauen waren dabei, Deutsche und Ausländer – und sogar ein paar Berliner. Man traf sich zum gegenseitigen Austausch. Man wollte wissen, wie es in den anderen Bezirken aussieht: Wie wird es jenseits der eigenen Bezirksgrenzen mit den „besonderen Bieren“ gehandhabt?

Es bestätigte sich rasch, was man bis jetzt nur durch den Buschfunk vernommen hatte: In jedem Bezirk wird es etwas anders gehandhabt. Denn in jedem Bezirk sind andere Behörden zuständig. Bei uns ist es das Ordnungsamt Marzahn-Hellersdorf, Abteilung Wirtschaft, Straßen und Grünflächen. In manchen Bezirken interessiert es offenbar keine Behörde, was man so in seine Braukessel wirft. In anderen Bezirken reicht eine E-Mail samt formlosem Antrag, und der Brauer erhält wenig später die Genehmigung, zum Beispiel eine Gose mit Salz und Gewürzen zu brauen. In einem Bezirk wartete ein Brauer hingegen bereits seit über einem Monat auf die Genehmigung für ein Bier desselben Stils – einem Bierstil immerhin, der in Deutschland 1337 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde. Auch auf Nachfrage gab es zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen noch nicht einmal die Auskunft, ob der Antrag denn eingegangen sei und bereits bearbeitet werde.

Eine Form von künstlerischer Zensur

In einem südlichen Berliner Bezirk muss eine große Brauerei eine von einem unabhängigen Labor verfasste, sensorische Beschreibung samt umfangreichem und ganz und gar nicht formlosem Antrag bei der zuständigen Behörde einreichen. Dafür muss das Bier natürlich erst einmal gebraut werden – und das, obwohl es sich beim Vorläufigen Biergesetz um eine Verordnung zur Herstellung handelt. Es muss also zuerst ein Bier gebraut werden, bevor man die Genehmigung zur Herstellung erhält?!

Und wenn man die Genehmigung nicht erhält? Muss man die vielen Liter Bier dann in den Kanal laufen lassen? Föderalismus mag dem Zentralismus vorzuziehen sein. Föderalismus mag Demokratien stabilisieren. Föderalismus mag in vielen gesellschaftlichen Belangen für die Bürger ein glücklicher Umstand sein. Für die Brauer ist er es in diesem Fall nicht. Wenn nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern sogar zwischen den Bezirken einer Stadt Uneinigkeit herrscht, dann stimmt etwas nicht.

Und dann sollte gehandelt werden. Der US-amerikanische Brauereibesitzer Sam Calagione hat einmal gesagt: „After reading the history of the Reinheitsgebot, I felt in my heart that the regulation is nothing more than a form of art censorship.“ („Nachdem ich die Geschichte des Reinheitsgebotes gelesen hatte, fühlte ich, dass es sich dabei um nichts anderes als eine Form von künstlerischer Zensur handelt.“) Ich finde das sehr treffend.

Was wir uns wünschen

Uns geht es allerdings nicht darum, das Reinheitsgebot abzuschaffen. Doch meine Kollegen und ich wünschen uns, dass uns die freie Berufsausübung ermöglicht wird, dass wir nicht monatelang auf eine Genehmigung warten und keine absurd hohen Bearbeitungsgebühren zahlen müssen, die es betriebswirtschaftlich gesehen unmöglich machen, einen kreativen Kleinsud gewinnbringend zu produzieren.

Wir wünschen uns deshalb eine schnellere Bearbeitung der Anträge, wir wünschen eine Streichung der Bearbeitungsgebühren und wir wünschen uns einheitliche Vorgaben für die Genehmigung „besonderer Biere“. Denn so, wie es heute gehandhabt wird, ist es ungerecht und willkürlich. Das zeigt dieses Beispiel: In unserem Bezirk haben wir die Genehmigung erhalten, mit kanadischem Bio-Ahornsirup zu brauen. Einem anderen Brauer aus demselben Bezirk wurde es hingegen verboten, mit Honig zu brauen.

Dieser Artikel erschien zuerst in “Bier & Brauhaus” (Print und Online)


11 Lesermeinungen

  1. Feinkostnutzer sagt:

    Verbrauchertäuschung
    Es ist vollkommen richtig dass man solche Mischungen nicht einfach Bier nennen darf. Ich will als Verbraucher sicher sein dass es sich um Bier handelt und nicht um “bierhaltige Plörre”. Egal, ob Euch sowas schmeckt!Beim Wein geht das auch nicht.

  2. Uli sagt:

    RE: Blödsinnb
    @Milosz

    Met ist kein Bier mit Honig, sondern eben Met, welcher aus Honig uns Wasser gewonnen wird, kein Getreide.

    Bier hat als Grundlage Stärke i.d.R. Getreide. Durch das Mälzen wird der Zucker aus der Stärke gewonnen, den man dann für die Alkoholerzeugung benötigt.

    Dass man Bier früher auch mit Honig vermischt hat, ist von den Kelten überliefert (cervesia, Weizenbier mit Honig)

  3. Tigerle sagt:

    Nur einmal zur Definition
    Zuerst einmal die Definition von Bier: ein Bier ist ein Getränk, bei dem Stärke in Alkohol umgewandelt wurde. Im Gegensatz zum Wein, wo der Zucker in Alkohol umgewandelt wird. Bier muss also laut Definition nicht nur aus Wasser, Hefe, Hopfen und Malz bestehen. Lebensmitteltechnisch ist demnach übrigens auch der Reiswein (Sake) ein Bier, aber das sei nur am Rande erwähnt.
    Aber die Definition von Bier, und was als “Bier” in den Handel darf sind dann wiederum zwei verschiedene paar Schuhe. Das wird durch das Reinheitsgebot definiert und damit sind die Behörden auch schon mit der EU (bzgl. damals EWG) aneinander geraten und ausländische Biere dürfen in Deutschland auch ohne Beachtung des Reinheitsgebots ohne besondere Genehmigung verkauft werden.

    Und noch ein Punkt: Was Blödsinn schreibt, ist teilweise Blödsinn. Bei Met wird der Zucker in Alkohol umgewandet. Es handelt sich dabei also um Honigwein, nicht um Bier 😉

  4. M sagt:

    Reinheitsgebot
    Interessant, wie argumentiert wird, dass nur drei Zutaten im Bier erlaubt sein sollen, damit es ein Bier ist.
    Dabei erlaubt das “Reinheitsgebot” so einiges, was nicht Malz, Hopfen und Wasser ist. Und Zucker ist noch das simpelste davon…

    Warum also nicht mehr erlauben, solange es dem Lebensmittelrecht entspricht. Der Vergleich mit dem Brot ist schon richtig so

  5. Pittiplatsch sagt:

    Quatsch
    Bier sollte Bier bleiben. Was ein besonderes Bier in diesem Zusammenhang sein soll erschließt sich mir nicht. Das ist nichts anderes als eine Aufweichung der bestehenden Regelungen und des üblichen Verständnisses, was ein Bier ist. Wenn jemand noch irgendwas in den Sud kippen möchte, bitte sehr. Aber dann nicht als Bier. Insofern ist der Beitrag irreführend : die Gebühren sind der Preis dafür, etwas als Bier zu bezeichnen, was eigentlich keines ist. Irgendwie besonders halt, wie Fischstaebchen. Keine Frage, crafts sind oft klasse aber halt keine Biere im klassischen Sinne. Sorry. Schuster bleibt bei euren Leisten.

    • Milosz sagt:

      Quatschquatsch
      Was ist Bier? Seit wann ist das Scheinheitsgebot die offizielle Definition von Bier? Und nur weil “Sie” von klein auf an etwas gewöhnt sind das “Sie” in ihrer Region Bier taufen, heisst das noch lange nicht, dass das nur so korrekt ist oder sein muss. Wenn jemand Trüffel in den Käse oder die Wurst tut heisst es immer noch Käse oder Wurst, halt mit vielleicht der Vorsilbe Trüffelwurst oder Trüffelkäse, aber bleibt ein Käse oder ne Wurst. Wieso soll das bei Bier nicht erlaubt sein, nur weil es sich ein paar Leute ausgedacht haben im Mittelalter mit so einem Beschränkungsverbot Geld zu machen? Wenn ein Saft Äpfel beinhaltet heisst er Apfelsaft, bei Birnen Birnensaft oder Orangen Orangensaft. Also wieso soll ein Gerstensaft oder Hopfentee nicht mal (noch) was anderes beinhalten? Und wieso muss es dann unbedingt anders heissen. Bei allen anderen Produkten ob Seife oder sonst was ist das auch kein Problem. Bier ist keine deutsche Erfindung, Deutschland hat auch auf “Bier” kein Pate

  6. tobi sagt:

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    Es müsste doch gehen, wenn man es einfach ale oder stout oder oder oder nennt. Ist doch nicht so schlimm, dass dann nicht bier draufsteht. So finde ich doch nach meiner erinnerung locker 10 sorten mit mehr zutaten im lokalen getränkemarkt.
    Viele Grüße Tobi

  7. seriously sagt:

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    In Berlin bekommt man wenigstens eine Ausnahmegenehmigung, hier in Bayern wird die einfach nicht erteilt.

  8. Pilsje sagt:

    Bitte um Antwort!
    Ist es wirklich so, dass dem Brauer verboten wurde, ein Getränk mit Honig zu brauen? Oder ist es vielmehr so, dass er es brauen und vertreiben, jedoch nicht “Bier” nennen darf?
    Ich finde es gerade spannend, mit nur drei Zutaten eine schier unendliche Vielfalt von Bieren herzustellen.
    Wer meint, das Ganze mit Honig, Ahornsirup oder Gewürzen zu “verfeinern”: bitteschön, soll er doch. Es ist dann bloß kein Bier mehr.
    Ich finde es als Verbraucher sehr positiv, wenn bestimmte Bezeichnungen geschützt sind. Wenn ich mich drauf verlassen kann, dass keine Kuhmilch drin ist, wenn “Feta” draufsteht und kein Fremdzucker, wenn “Saft” draufsteht. Und wo Bier draufsteht, sollte echt kein Honig drinsein….

    • seriously sagt:

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      Wenn etwas wie Bier aussieht, bzw. was der unaufgeklärte Laie für Bier halten könnte, muss den Vorgaben des nicht existenten Reinheitsgebotes entsprechen, sonst wäre es ja Verbrauchertäuschung.

    • Milosz sagt:

      Blödsinn
      Bier mit Honig gab es schon Jahrhunderte bevor es das selbstherrliche Reinfallsgebot oder irgendwelche Bayuwaren gab. Es hat nur einen anderen eigenen Namen, man nennt es Met. Es ist aber trotzdem Bier. Bier ist nichts andere als ein Getränk aus Wasser, Zucker(aus Pflanzen) der teilweise durch Hefen zu Alkohol verarbeitet wird und je nachdem, ob man möchte noch einem Würz oder Konservierungsmittel oder als beides.

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