Früher waren alle Biere dunkel. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert. Wie das blonde Lager erfunden wurde und was die Bierfarbe bestimmt, erklärt der Brauwissenschaftler Michael Kupetz.
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Warum ist Bier eigentlich meistens blond?
Michael Kupetz: Das hat historische Gründe. Früher konnte man das Wasser noch nicht nach eigenen Wünschen aufbereiten, daher haben sich die regional unterschiedlichen Härten bemerkbar gemacht und verschiedene Stile ausgeprägt. Im Süden, gerade im Münchner Raum, gab es zum Beispiel aufgrund des harten Wassers eher dunkles Bier, im böhmischen Pilsen wegen des weichen Wassers eher ein helles Lagerbier – das 1843 erfundene Pils. Dieser Stil hat zu so großer Beliebtheit gefunden, dass alle dieses Bier nachahmen wollten.
Es ist zu lesen, dass für die helle Farbe des Pilsner Biers auch eine besondere, damals innovative Darrtechnik, eine besonders schonende Trocknung des Malzes verantwortlich war. Technisch soll es erst Mitte des 19. Jahrhunderts möglich gewesen sein, ein solch helles Bier mit dem entsprechenden Malz herzustellen.
Ursprünglich hat man die Malze über Feuer getrocknet, das hat sie sehr dunkel gemacht.
Früher waren also alle Biere eher dunkel?
Ja, dunkel oder bersteinfarben, dieses Spektrum.
Ist die Farbe von Pils mit „blond“ eigentlich richtig bezeichnet?
Es gibt diese grobe Einteilung: ein helles Bier hat eine Farbe bis 15 EBC, das trifft auch für die meisten Pilsbiere zu. Beim Pils hat man es sogar noch mit deutlich strengeren Farbregeln zu tun. Die Farbe sollte zwischen 3,5 und 7 EBC liegen.
Wofür steht EBC genau?
Das ist die Abkürzung für European Brewing Convention. Der europäische Brauereiverband hat seine eigene Methodensammlung und eigene Einheiten eingeführt. EBC ist eine Farbeinheit. Die Palette reicht von 0, also sehr hell, bis 300, sehr dunkel, wobei es bei mehr als 100 schon schwierig wird, Unterschiede zu erkennen. Theoretisch könnte man sehr, sehr dunkle Biere herstellen. Dazu nutzt man Röstmalz beziehungsweise Röstgerste, was vor allem bei Stouts Anwendung findet, die auf ungefähr 150 bis 200 EBC kommen. Im englischen Raum gibt es noch andere Farbeinheiten, die heißen „Lovibond“ und „SRM“.
Wie bestimmt man die Farbe des Bieres? Welche Methoden wenden Sie in Ihrem Labor an?
Es gibt zwei unterschiedliche Methoden. Zum einen kann man die Farbe spektralphotometrisch bestimmen. Dabei wird zunächst eine Bierprobe filtriert, sodass sie keine Partikel mehr enthält, außerdem sollte sie kohlensäurefrei sein. Dann wird das Ganze bei 430 Nanometern, das entspricht der blauvioletten Strahlung, im Photometer gemessen, einem Gerät mit definierter Lichtquelle. Die gemessene Extinktion, die Lichtabschwächung von zum Beispiel 0,079, wird mal 25 gerechnet. So erhält man den Farbwert in EBC, im angenommenen Fall also 2 EBC. Diese Methode ist zwar nicht hundertprozentig mit der Wahrnehmung des menschlichen Auges vergleichbar, da Tageslicht in verschiedenen Teilen des Spektrums das Auge unterschiedlich beeinflusst, bietet aber die Möglichkeit einer unabhängigen Methode mit guter Reproduzierbarkeit. Die andere Möglichkeit ist, dass man mithilfe eines Komparators Farbscheiben vergleicht. Die Farbscheiben entsprechen den EBC-Einheiten. Dazu braucht man eine Küvette, die definiert beleuchtet sein muss. Die Farbe gleicht man visuell ab. Wenn wir in unserem Labor auf diese Weise messen, lassen wir die Farbbestimmung immer von zwei, drei Personen durchführen, weil jeder doch einen leicht anderen Farbeindruck hat.
Warum muss man die Farbe des Biers eigentlich so genau bestimmen können?
Für die Großbrauereien ist die Farbe ein Qualitätsmerkmal. Trotz schwankender Rohstoffe wollen sie ein Produkt herstellen, das für den Konsumenten immer gleich ist. Wobei die Farbe ein besonders wichtiges Qualitätsmerkmal ist, weil sie jeder Konsument leicht beurteilen kann.
Beim Wein gibt es so etwas wahrscheinlich nicht?
Genau kann ich Ihnen das nicht sagen. Ich denke aber, dass es Vergleichbares gibt, um zum Beispiel Rosé-Weine von Rotweinen zu unterscheiden.
Wie gehen Brauer mit der Tatsache um, dass die Gerstenernte verschiedener Jahrgänge sehr unterschiedlich ausfallen kann? Wie stellt man sicher, dass das Malz immer eine ähnliche Bierfarbe erzeugt?
Man wählt die Gersten nach einem bestimmten Proteingehalt aus. Ein geringer Proteingehalt – im Bereich von 9 bis 11 Prozent – ist sehr geeignet für besonders helle Malze. Je dunkler das Malz wird, desto höher könnte der Proteingehalt sein. Der Hintergrund ist, dass beim Darren, dem Rösten des Malzes, Maillard-Produkte, Bräunungsreaktionen entstehen, die von Zucker und Aminosäuren und damit vom Proteingehalt beeinflusst werden.
Die Farbe stellt man also schon durch die Auswahl der Rohstoffe sicher.
Genau.
Pils, sagten Sie, darf in der EBC-Farbskala von 3,5 bis 7 variieren. Das ist bei einem Maximalwert von 300 ja ein sehr schmaler Bereich. Welche Biere liegen noch darunter? Berliner Weiße, Witbier?
Ein helles Lagerbier kann vielleicht noch zwei bis drei EBC haben. Das ist allerdings schon sehr hell. Bei Berliner Weiße liegt man bei 4,5 bis 6.
Welcher Toleranzbereich ist für Großbrauereien akzeptabel, bezogen auf eine bestimmte Biersorte?
Das kommt sehr auf die Brauerei an. Im sehr hellen Bereich, sind es denke ich 0,5 bis 1 EBC. Bei dunkleren Biere kann die Spanne auch mal größer sein.
Aus dem Mund von Biersommeliers hört man ganz andere Farbnamen: bernsteinfarben, kastanienfarben, kupfer. Gibt es für diese eher malenden Begriffe ein festgelegtes System?
Die bekannten Analysengruppen wie EBC oder MEBAK (Mitteleuropäische Brautechnische Analysenkommission e. V.) nennen lediglich Normwerte für helle Biere (7 bis 11 EBC-Einheiten) beziehungsweise dunkle Biere (40 bis 80 EBC-Einheiten). Eine direkte Zuweisung von Farbbezeichnungen und entsprechenden Analyseergebnissen gibt es von offizieller Seite her aber nicht. Im englischen Sprachraum werden die Farben noch viel mehr ausgeschmückt, die Deutschen sind da etwas begrenzter.
Aber es gibt keine direkte Zuweisung von EBC-Werten und Farbnamen?
Das gibt es schon bei der Beschreibung von Bieren, es gibt aber keine direkte Zuweisung von der EBC selbst. Eine schöne Liste mit Farbnamen gibt es übrigens auf der Hobbybrauer-Homepage.
Welche weiteren Stellschrauben gibt es beim Bierbrauen, um die Farbe zu variieren?
Das Wasser haben wir schon genannt. Wasser spielt eine Rolle, weil es den pH-Wert des Biers beeinflusst. Wenn man eine hohe Restalkalität hätte, bei der man nicht durch Aufbereitung des Wassers oder Zugabe von Sauermalz gegensteuern würde, hätte man auch einen höheren pH-Wert, der sich auf die Farbe auswirkt, er lässt entsprechend dunklere Würzen und Biere entstehen.
Wie genau wirkt der pH-Wert sich farblich aus?
Hohe pH-Werte haben einen Einfluss auf den Ablauf der Enzymreaktionen während des Maischens. Es kommt zu Oxidationsprozessen, zusätzlich finden Ausfällungen von Proteinen statt, woraus dann eine dunklere Würze- und Bierfarbe folgt. Im Norden Deutschlands, in der Gegend um Dortmund oder aber in der Gegend von Pilsen, haben wir weiches Wasser, somit entfallen diese Reaktionen und wir können hellere Biere erzeugen. Im Süden dagegen hat man sehr hartes Wasser, weshalb historisch gesehen hier eher dunkle Biere zu finden waren. Die Farbe des Biers wird heute aber hauptsächlich durch das Malz bestimmt.
Welche Rolle spielen Farbebiere und wie funktionieren sie?
Bei Farbebier oder Röstmalzbier wurden die dunklen Malze extrahiert, es handelt sich um eine Art Sirup. Farbebier kann dem Bier zugesetzt werden, um die Farbe nach oben zu korrigieren. Es besteht aber nur aus Malz und ist damit ein ganz natürliches Färbemittel.
Die Fragen stellte Uwe Ebbinghaus
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Michael Kupetz beendete 2011 sein Studium als Diplom-Ingenieur für Brauwesen und Getränketechnologie an der Technischen Universität München. Im Juli 2017 promovierte er am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie in Weihenstephan zum Thema “Vergleichende Identifizierung von filtrationshemmenden Stoffen bei der Membran- und Kieselgurfiltration von Bier”. Seit Juli 2016 leitet er das Analytische Labor für Malz, Würze und Bierqualität.